Vergiften des Essens im Kessel einer Gemeinschaftsküche


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T bewohnt mit 19 anderen eine Gemeinschaftsunterkunft. Er kocht einen 20-Liter-Topf Suppe, rührt ein tödliches Gift unter und legt eine Notiz ("Bedient Euch!") dazu. Dann verlässt er das Haus. Dass Mitbewohner und Besucher sterben können, ist T recht. O isst von der Suppe und stirbt.

Einordnung des Falls

Vergiften des Essens im Kessel einer Gemeinschaftsküche

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat O "mit gemeingefährlichen Mitteln" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB).

Ja!

Das objektive Mordmerkmal der gemeingefährlichen Mittel erfüllt der Täter, der ein Medium einsetzt, das in der konkreten Tatsituation abstrakt geeignet ist, eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben zu gefährden, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Die Gefährlichkeit des Tatmittels bestimmt sich nicht abstrakt nach dessen typischer Wirkung, sondern nach dessen Eignung zur Gefährdung Dritter in der konkreten Tatsituation. Nicht notwendig ist, dass die Gefährdung konkret eingetreten ist ("abstrakt geeignet"). T setzt das Gift in der konkreten Tatsituation so ein, dass eine Gefährdung einer Mehrzahl von Menschen nicht auszuschließen ist. Er hat die Ausdehnung der Gefahr somit nicht in seiner Hand.

2. T ist nur strafbar wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB), wenn sein Vorsatz sich auf die Gemeingefährlichkeit des Mittels erstreckt.

Genau, so ist das!

Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen (Umkehrschluss aus § 16 StGB). Das Mordmerkmal "mit gemeingefährlichen Mitteln" ist ein tatbezogenes, objektives Mordmerkmal. Der Täter hat Vorsatz bezüglich der Gemeingefährlichkeit des Mittels, wenn er die Wirkung des Tötungsmittels kennt und dessen mangelnde Beherrschbarkeit zumindest in Kauf nimmt. T fügt das tödliche Gift vorsätzlich der Suppe hinzu und nimmt zumindest billigend in Kauf, dass auch andere Mitbewohner (oder auch Besuch der Mitbewohner) gefährdet und letztlich getötet werden können.Zugleich hat er das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB) erfüllt.

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GEL

gelöscht

11.12.2021, 11:00:48

Liebes Jurafuchs-Team, ich habe gelernt - und in eurer Definition nennt ihr es auch -, dass nur mit gemeingefährlichen Mitteln getötet wird, wenn eine UNBEKANNTE Anzahl an Personen abstrakt gefährdet ist. Hier stand aber doch von vornherein fest, dass mögliche Opfer nur die 19 Mitbewohner sein können. Irre ich mich da? Viele Grüße!

GEL

gelöscht

11.12.2021, 11:02:39

...ich meine mich auch an ein Beispiel erinnern zu können, dass die gemeingefährlichen Mittel abgelehnt werden, wenn man mit der Pistole einen Schuss in eine Menschenmenge abgibt, weil von vornherein nur eine Person getroffen werden kann und es liege dann keine Gefährdung der Allgemeinheit vor.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.12.2021, 13:07:50

Vielen Dank für Deine Rückfrage! Völlig richtig ist, dass es essentiell ist zwischen einer "bloßen Mehrfachtötung" (=Totschlag in mehreren Fällen) und einem Mord mit gemeingefährlichen Mitteln zu unterscheiden. Anders als in dem von Dir gewählten Beispiel mit der Pistole oder dem Fall, dass der Täter mit einer Bombe eine bestimmte Anzahl von Personen töten will, hat T hier aber gerade keine Kontrolle über die Anzahl der Personen. Denn aus dem sSachverhalt ergibt sich, dass neben den Mitbewohner:innen auch Besucher:innen in Kontakt mit der Suppe kommen können. Insoweit liegt hier durchaus eine unbestimmte Anzahl möglicher Opfer vor und keine Begrenzung auf die 19 Mitbewohner:innen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

GEL

gelöscht

12.12.2021, 08:12:31

Ah, ok, vielen Dank für die schnelle Antwort! Das mit den Besuchern hab ich überlesen; dann geh ich auch mit dem gemeingefährlichen Mittel mit. :)

CLA

chuck lawris

14.12.2021, 08:02:50

Ich dachte immer, es kommt darauf an, dass der Täter das Mittel, sobald er es einsetzt, nicht mehr beherrschen kann. Hier beherrscht er die Suppe (iSe eines echten Suppenherrschers 😄) kraft überlegenen Wissens und könnte das Geschehen jederzeit beenden. Daher hätte ich die Gemeingefährlichkeit verneint. Vielleicht klärt es sich in den nächsten Aufgaben auf, was es damit auf sich hat 🙃

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.12.2021, 09:15:31

Hallo chuck, mit "unbeherrschbar" ist im Wesentlichen gemeint, dass der Täter in der konkreten Tatsituation die Ausdehnung der Gefahr auf andere Personen als das oder die individualisierte(n) Opfer nicht beherrschen und dadurch eine Mehrzahl weiterer Menschen in Lebensgefahr bringen kann (vgl. Rengier, Strafrecht BT I, § 4 RdNr. 96). Der Kessel in der Gemeinschaftsküche ist hierfür ein Lehrbuchklassiker. Natürlich könnte T den Kessel wegstellen und die Gefahr insoweit "beherrschen". Hat noch niemand davon gegessen, so läge ein Rücktritt vom beendeten Mordversuch vor. Lässt er ihn dagegen stehen und geht wie hier auch noch weg, so kann er gerade nicht beherrschen, wer davon isst bzw. sicherstellen, dass lediglich ein bestimmtes Opfer bzw. eine Mehrzahl bestimmter Opfer getötet wird. Insoweit liegt deshalb ein gemeingefährliches Mittel vor. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team

YO

yolojura

14.4.2022, 12:57:45

Hello:) Wäre T hier mittelbarer Täter, weil sich die Opfer unwissend selbst töten?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.4.2022, 19:19:30

Hallo yolojura, sehr gute Frage! Ob die Selbstschädigung des Opfers einen Fall der mittelbaren Täterschaft darstellt, ist durchaus umstritten (vgl. hierzu Schild, in: NK-StGB, 5.A. 2017, § 25 RdNr. 46, 96). Nach einer Ansicht ist die mittelbare Täterschaft auf Dreipersonenkonstellationen beschränkt, also auf Fälle, in denen Tatmittler und Opfer verschieden sind. Dagegen spricht allerdings, dass dies der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht zwingend verlangt und auch der Telos der Norm nicht. Die wohl h.L. nimmt hier aber in der Tat einen Fall der mittelbaren Täterschaft an. Dagegen lässt sich allerdings einwenden, dass die Selbstschädigung nicht unter Strafe steht. Eine "Zurechnung" des Verhalten des Tatmittlers erscheint dogmatisch insofern nur bedingt zufriedenstellend. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jonah

Jonah

11.6.2023, 14:18:37

Liebes Team, ist das Mordmerkmal der Heimtücke hier nicht zutreffend? Liebe Grüße

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.6.2023, 10:13:03

Hallo Jonah, das Mordmerkmal der Heimtücke wäre hier nach hM in der Tat ebenfalls verwirklicht. Der Fokus der Aufgabe sollte hier aber primär auf dem Mordmerkmal der Gemeingefährlichkeit liegen und den hierfür notwendigen Voraussetzungen. Wir haben das aber als Vertiefungshinweis ergänzt :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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