Abschneiden von Haaren – Erheblichkeitsschwelle überschritten

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D versucht schon lange, ihren Freund S davon zu überzeugen, seine Dreadlocks abzuschneiden. Da S nicht nachgibt, schneidet D dem schlafenden S die Dreadlocks ab.

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Einordnung des Falls

Abschneiden von Haaren – Erheblichkeitsschwelle überschritten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem D dem S die Haare abgeschnitten hat, hat sie ihn "körperlich misshandelt" (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Auch Substanzverletzungen an der Körperoberfläche wie das Abschneiden von Haaren, Bärten oder Nägeln greifen die körperliche Unversehrtheit an, wenngleich sie wieder nachwachsen. Entscheidend ist allerdings, ob im Einzelfall auch die Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. Da D dem S sämtliche Haare abgeschnitten hat, ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen.
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2. Indem D dem S die Haare abgeschnitten hat, hat sie ihn "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand. Gleichgültig ist, auf welche Art und Weise er verursacht wird und ob das Opfer dabei Schmerz empfindet. Das Haar außerhalb der Kopfhaut besteht aus ausgetrockneten, verhornten Cuticula-, Cortex- und Medulla-Zellen, nur die Haarfollikel enthalten lebende Zellen. Das Abschneiden der Haare durch D stellt kein Hervorrufen eines krankhaften Zustandes dar.
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