Abschneiden von Haaren – Erheblichkeitsschwelle überschritten
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D versucht schon lange, ihren Freund S davon zu überzeugen, seine Dreadlocks abzuschneiden. Da S nicht nachgibt, schneidet D dem schlafenden S die Dreadlocks ab.
Einordnung des Falls
Abschneiden von Haaren – Erheblichkeitsschwelle überschritten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem D dem S die Haare abgeschnitten hat, hat sie ihn "körperlich misshandelt" (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Genau, so ist das!
2. Indem D dem S die Haare abgeschnitten hat, hat sie ihn "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
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Kenzosara
3.2.2024, 03:15:20
Was ist, wenn die Haare der Person zb ein sehr starkes Charaktermerkmal waren und so erheblich waren, dass die Person dadurch ein eingeschränkteres Selbstwertgefühl und/oder sogar psychische Folgen dadurch bekommt? Zählt es dann als Gesundheitsschädigung?
Leo Lee
3.2.2024, 19:41:40
Hallo Kenzosara, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Bei der Gesundheitsschädigung ist es in der tat etwas tricky. Grundsätzlich ist aber jedenfalls erforderlich, dass ein krankhafter Zustand hervorgerufen wird. Deshalb erfordert die Gesundheitsschädigung, dass ein körperlich objektivierbarer Zustand hervortritt (d.h., wenn das Opfer durch ein eingeschränktes Selbstwertgefühl nachweislich ständig Bauchschmerzen kriegt, dann wäre das TBM erfüllt). Aber das eingeschränkte Selbstwertgefühl an sich – also eine bloß emotionale Reaktion – genügt nicht. Hingegen können rein psychische Krankheiten – wie eine reaktive Depression – sehr wohl unter Gesundheitsschädigung subsumiert werden (wie LG Bochum); d.h., wenn das Opfer durch das Abschneiden sogar klinische Depression kriegen würde, wäre auch die Gesundheitsschädigung erfüllt. Summa summarum: ES kommt leider darauf an (typisch Jura!). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Hardtung § 223 Rn. 58 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo