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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D versucht schon lange, ihren Freund S davon zu überzeugen, seine Dreadlocks abzuschneiden. Da S nicht nachgibt, schneidet D dem schlafenden S die Dreadlocks ab.

Einordnung des Falls

Abschneiden von Haaren – Erheblichkeitsschwelle überschritten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem D dem S die Haare abgeschnitten hat, hat sie ihn "körperlich misshandelt" (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Auch Substanzverletzungen an der Körperoberfläche wie das Abschneiden von Haaren, Bärten oder Nägeln greifen die körperliche Unversehrtheit an, wenngleich sie wieder nachwachsen. Entscheidend ist allerdings, ob im Einzelfall auch die Erheblichkeitsschwelle überschritten wird. Da D dem S sämtliche Haare abgeschnitten hat, ist von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen.

2. Indem D dem S die Haare abgeschnitten hat, hat sie ihn "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand. Gleichgültig ist, auf welche Art und Weise er verursacht wird und ob das Opfer dabei Schmerz empfindet. Das Haar außerhalb der Kopfhaut besteht aus ausgetrockneten, verhornten Cuticula-, Cortex- und Medulla-Zellen, nur die Haarfollikel enthalten lebende Zellen. Das Abschneiden der Haare durch D stellt kein Hervorrufen eines krankhaften Zustandes dar.

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KEN

Kenzosara

3.2.2024, 03:15:20

Was ist, wenn die Haare der Person zb ein sehr starkes Charaktermerkmal waren und so erheblich waren, dass die Person dadurch ein eingeschränkteres Selbstwertgefühl und/oder sogar psychische Folgen dadurch bekommt? Zählt es dann als Gesundheitsschädigung?

LELEE

Leo Lee

3.2.2024, 19:41:40

Hallo Kenzosara, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Bei der Gesundheitsschädigung ist es in der tat etwas tricky. Grundsätzlich ist aber jedenfalls erforderlich, dass ein krankhafter Zustand hervorgerufen wird. Deshalb erfordert die Gesundheitsschädigung, dass ein körperlich objektivierbarer Zustand hervortritt (d.h., wenn das Opfer durch ein eingeschränktes Selbstwertgefühl nachweislich ständig Bauchschmerzen kriegt, dann wäre das TBM erfüllt). Aber das eingeschränkte Selbstwertgefühl an sich – also eine bloß emotionale Reaktion – genügt nicht. Hingegen können rein psychische Krankheiten – wie eine reaktive Depression – sehr wohl unter Gesundheitsschädigung subsumiert werden (wie LG Bochum); d.h., wenn das Opfer durch das Abschneiden sogar klinische Depression kriegen würde, wäre auch die Gesundheitsschädigung erfüllt. Summa summarum: ES kommt leider darauf an (typisch Jura!). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Hardtung § 223 Rn. 58 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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