Inhalt I: Abbruch von Vertragsverhandlungen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der bei Radio R beschäftigte A verhandelt mit dem TV-Sender T über eine Anstellung. T rät A, dringend seinen Vertrag mit R zu kündigen, um für die neue Stelle rechtzeitig zur Verfügung zu stehen. Direkt nach der Kündigung teilt T dem A mit, man benötige ihn doch nicht.
Einordnung des Falls
Inhalt I: Abbruch von Vertragsverhandlungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T und A haben einen Arbeitsvertrag geschlossen (§ 611a BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
2. Zwischen T und A ist ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
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Ja!
3. Indem T grundlos die Vertragsverhandlungen mit A abgebrochen hat, hat er eine Schutzpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt.
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Genau, so ist das!
4. T hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten (§ 276 BGB).
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Ja, in der Tat!
5. A kann von T die Zahlung des von R erhaltenen Gehalts verlangen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB).
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Ja!
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lege artis
13.4.2021, 20:52:08
Warum kein Ersatz nach 252?

Lukas_Mengestu
19.4.2021, 09:36:02
Hallo lege artis, das entgangene Gehalt ist in der Tat ein entgangener Gewinn nach § 252 BGB. Es ist allerdings nicht zwingend notwendig, die Norm in der Anspruchskette zu benennen. Wir haben insoweit aber den Antworttext etwas präzisiert. Danke Dir! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Tigerwitsch
28.4.2021, 21:49:26
In welchem Umfang könnte A den entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) verlangen? Das wird ja mE nicht uferlos gelten, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum.

Lukas_Mengestu
3.5.2021, 16:47:25
Spannende Frage, der Ersatz dürfte sicherlich über das Mitverschulden (§ 254 BGB) hinreichend begrenzt werden. Zum einen bereits im Hinblick auf die Kündigung des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses. Zum anderen aber natürlich auch im Hinblick auf die Aufnahme einer neuen Beschäftigung in der Zukunft. Die Bestimmung des Ersatzes steht im Grunde im Ermessen des Gerichts (§ 287 ZPO). Dabei dürften aber Faktoren wie Alter, Arbeitsmarkt, Länge der Betriebszugehörigkeit im alten Betrieb durchaus eine Rolle spielen. Im Arbeitsrecht gilt als grobe Faustformel bei Abfindungen: 1/2 Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Bei diskriminierenden Nichteinstellungen gilt gem. § 15 II 2 AGG eine Obergrenze von 3 Monatsgehältern, sofern dem Arbeitgeber der Nachweis gelingt, dass der oder die Beschäftigte

Lukas_Mengestu
3.5.2021, 16:48:57
auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Dies könnten ggfs. auch in einem Fall wie dem vorliegenden Orientierungspunkte darstellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Im🍑nderabilie
29.8.2022, 14:32:25
Ich begreife nicht ganz, warum, beziehungsweise inwiefern, die h.M. bei diesem Fall über § 122 analog anstatt über § 276 zurechnet. Ich kann mir irgendwie keine Fallkonstellation vorstellen, bei der die Abgrenzung relevant werden könnte, weil der Abbruch von Vertragsverhandlung vermutlich immer mind. fahrlässig geschieht. Auch wird nicht ganz klar, was eigentlich genau umstritten ist, beziehungsweise was die a.A. vertritt. Könntet ihr das noch erklären? 😇
Sniter
20.10.2023, 15:05:27
Hi, ich glaube da liegt ein kleines Missverständnis vor. Die hM rechnet -so wie ich das gelernt habe- schon über § 276 und nicht über § 122 zu. Die Pflichtverletzung liegt in der Fallgruppe "Nichtzustandekommen eines für den Geschädigten günstigen Vertrags" darin, dass der Schädiger einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, den er dann enttäuscht hat - das ist ähnlich wie beim Anspruch aus § 122 BGB. Daher wird mE auf § 122 Bezug genommen.
Sniter
20.10.2023, 15:08:44
Ich habe außerdem gesehen, dass es eine tvA gibt, die zum Anspruch aus §§ 280 I, 311 II, 241 II auf SE auch einen Anspruch aus § 122 BGB analog prüft; Grund sei, dass eine WE, die ausgesprochen und danach rückwirkend angefochten wird (so im Fall der Anfechtung) mit einer WE, die nicht ausgesprochen wurde, aber auf die man berechtigterweise vertraut hat (so im Fall des Nichtzustandekommens eines günstigen Vertrags), vergleichbar ist. Die hM lehnt das ab, weil die Konstruktion nicht erforderlich sei; seitdem die cic im BGB verankert ist, gibt es keine Regelungslücke mehr, die man mit der Analogie zu § 122 schließen müsste.