Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Klageänderung

Klagerücknahme nach Beginn mündlicher Verhanldung, aber vor dem Stellen der Anträge

Klagerücknahme nach Beginn mündlicher Verhanldung, aber vor dem Stellen der Anträge

17. Mai 2025

8 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K erhebt Klage mit zwei Anträgen jeweils über €5.000. In der mündlichen Verhandlung stellt K nur noch einen der beiden Anträge. B hat in der mündlichen Verhandlung noch keinen Antrag auf Klageabweisung gestellt, beteiligt sich aber an Gesprächen zur Erörterung der Sach- und Rechtslage. Er widerspricht außerdem der Beschränkung auf nur einen der ursprünglichen Anträge des K.

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Einordnung des Falls

Klagerücknahme nach Beginn mündlicher Verhanldung, aber vor dem Stellen der Anträge

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt eine teilweise Klagerücknahme vor (§ 269 ZPO).

Genau, so ist das!

Da K nur einen seiner zwei angekündigten Anträge stellt, liegt eine teilweise Klagerücknahme vor.
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2. Hängt die Zulässigkeit der teilweisen Klagerücknahme hier von der Zustimmung des B ab (§ 269 Abs. 1 ZPO)?

Ja, in der Tat!

Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden (§ 269 Abs.1 ZPO). Nach § 137 Abs. 1 ZPO beginnt die mündliche Verhandlung grundsätzlich mit dem Stellen der Anträge. Ausnahmsweise kann sie aber auch schon vorher mit einer Erörterung der Sach- und Rechtslage beginnen (a.A. vertretbar). Nach hier vertretener Auffassung hat die mündliche Verhandlung bereits begonnen, auch wenn B noch keinen Klageabweisungsantrag gestellt hat. Die Zulässigkeit der teilweisen Klagerücknahme hängt damit von der Zustimmung des B ab.

3. Da K nur einen Antrag stellt, entfällt nach § 269 Abs. 3 ZPO rückwirkend die Anhängigkeit des nur angekündigten, aber nicht gestellten Antrags, sodass das Gericht nicht mehr darüber entscheiden muss.

Nein!

Nur wenn eine zulässige (teilweise) Klagerücknahme vorliegt, entfällt die Anhängigkeit rückwirkend (§ 269 Abs. 3 ZPO. B hat der teilweisen Klagerücknahme widersprochen. Nach § 269 Abs. 1 ZPO wäre seine Einwilligung jedoch erforderlich gewesen, da die mündliche Verhandlung bereits begonnen hat. Die teilweise Klagerücknahme ist unzulässig. Folglich entfällt die Anhängigkeit hinsichtlich des nunmehr nicht gestellten Antrags nicht nach § 269 Abs. 3 ZPO. Vielmehr ist über den gesamten Anspruch des K (also beide Anträge) zu entscheiden.

4. Der nicht gestellte Antrag ist durch Teilversäumnisurteil abzuweisen (§ 333 ZPO).

Genau, so ist das!

Wenn der Kläger seinen angekündigten Antrag nicht sofort stellt, sondern zunächst in der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage erörtert wird, und er danach nur einen reduzierten Antrag stellt, ergeht ein Teilversäumnisurteil. Nach § 333 ZPO ist das Nichtverhandeln (= Nicht-Stellen-des-Antrags) der Säumnis der Partei gleichgestellt. Der bloß angekündigte, nicht gestellte Antrag der K ist gem. § 333 ZPO durch Teilversäumnisurteil abzuweisen. Über den gestellten Antrag ergeht ein „normales“ streitiges Urteil.Die Überschrift des Urteils lautet daher: „Teilversäumnis- und Endurteil“. Beachte: Vergiss in solchen Fällen nicht, die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des Versäumnisurteil-Teils nach § 708 Nr. 2 ZPO zu tenorieren (vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

frausummer

frausummer

31.7.2023, 13:45:42

Weshalb deutet man hier den nicht gestellten Antrag als

Teilrücknahme

und nicht als

Teilerledigungserklärung

aufgrund der günstigeren Kostenfolge für den Kläger?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.7.2023, 16:02:40

Hallo frausummer, für eine

Teilerledigungserklärung

bräuchten wir im SV noch Anhaltspunkte dafür, dass nach Klageerhebung ein erledigendes Ereignis eingetreten ist (zB

Aufrechnung

,

Erfüllung

...). Daran fehlt es hier. Ohne erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit kann aber einseitig auch nicht die Erledigung erklärt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LUKAA

Lukaas

6.8.2024, 13:11:49

Hey, ich verstehe nicht ganz, wieso in diesem Sachverhalt ein Teil-VU ergehen muss. Ein VU ergeht doch nur auf Antrag des Gegners und nicht von Amts wegen, oder? Ein solcher Antrag des Beklagten nach § 330 ZPO ist hier aber nach dem Sachverhalt nicht erfolgt, sodass das Gericht dann auch kein Teil-VU erlassen darf. Oder ist das in diesen Konstellationen anders und auch ohne Antrag möglich? Liebe Grüße

FI

finnjh

13.8.2024, 15:27:39

Ja, ein Antrag ist

erforderlich

gem. § 330 ZPO. Nach Thomas/Putzo (§ 330 Rn. 2) kann im Antrag auf Klageabweisung als unbegründet stillschweigend ein Prozessantrag des Beklagten auf Erlass eines Versäumnisurteils liegen. Insofern muss man im hier gestellten Fall wohl auch den Widerspruch entsprechend als

konkludent

en Antrag verstehen...

LUKAA

Lukaas

13.8.2024, 16:04:39

Das ergibt Sinn, danke Dir!

Katzenkönisch

Katzenkönisch

21.4.2025, 13:01:22

Hallo, was ist denn die Auffassung des BGH zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung? Es wurde in der Aufgabe lediglich geschrieben (a.A. vertretbar), aber es wäre in der Klausur sicherlich total entscheidend, wie man sich hier entschieden hätte. Nach § 137 Abs. 1 ZPO steht doch explizit, dass die mündliche Verhandlung dadurch eingeleitet wird, dass die Parteien ihre - Anträge stellen - so hatte ich es mir auch immer gemerkt. Im zugrundeliegenden Fall wurde ja ein klageabweisender Antrag gerade noch nicht gestellt, sondern eben nur zum Sach- und Streitstand verhandelt. In der hiesigen Lösung wurde diese Verhandlung jedoch bereits als ausreichend erachtet, mit der Folge, dass die mündliche Verhandlung schon stattfindet und eine Klagerücknahme nach § 269 ohne Einwilligung eben nicht mehr durchschlagen konnte. Nach anderer Auffassung - strenger Wortlaut - wäre dies aber gerade der Fall gewesen. Das hätte wohl die komplette weitere Prüfung und Lösung geändert. Nun bin ich verunsichert. Was ist die Auffassung des BGH? Dies war für mich nicht wirklich ersichtlich.


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