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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B sind alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerinnen der S-GmbH. G verklagt S auf Zahlung von €5.000. A veranlasst die Zahlung; B weiß davon nichts. In der mündlichen Verhandlung schließt B für S mit G einen Vergleich, nach dem S €3.000 zahlen soll. G will vollstrecken.

Einordnung des Falls

Präklusion bei Titeln nach § 794 ZPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S kann, um gegen die Vollstreckung vorzugehen, zulässigerweise eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) erheben.

Ja!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. S richtet sich mit dem materiell-rechtlichen Einwand, sie habe bereits gezahlt und den Anspruch damit erfüllt, gegen den titulierten Anspruch selbst. Der Titel ist hier der Prozessvergleich, für den § 767 ZPO entsprechend gilt (§§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795 ZPO). Die Vollstreckungsabwehrklage ist daher statthaft. G will vollstrecken; die Zwangsvollstreckung „droht“ also, sodass für S auch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

2. Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet, wenn S der Erfüllungseinwand tatsächlich zusteht und dieser nicht präkludiert ist.

Genau, so ist das!

Die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) ist begründet, wenn (1) die Sachbefugnis vorliegt, (2) dem Kläger eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch zusteht und (3) diese nicht präkludiert (§ 767 Abs. 2 ZPO) ist. S und G sind als Vollstreckungsschuldner bzw. -gläubiger sachbefugt. S hat, wirksam vertreten durch A (§ 35 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 GmbHG), gezahlt und den Anspruch damit erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Einwendung steht S also tatsächlich zu. Fraglich ist, ob sie präkludiert ist.

3. Der Abschluss des Prozessvergleichs führt dazu, dass der Anspruch rechtskräftig festgestellt wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Prozessvergleich (§ 779 Abs. 1 BGB, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ist nicht der materiellen Rechtskraft fähig. Es handelt sich um eine reine Parteivereinbarung und keine Entscheidung des Gerichts. Durch das Institut der Rechtskraft (bei Urteilen (§ 322 ZPO)) sollen sich widersprechende gerichtliche Entscheidungen über denselben Streitgegenstand verhindert werden.

4. B hätte den Erfüllungseinwand in der mündlichen Verhandlung geltend machen können. Er ist verspätet (§ 767 Abs. 2 ZPO).

Nein!

Bei Titeln ohne materielle Rechtskraft tritt keine Präklusion (§ 767 Abs. 2 ZPO) ein. Zweck der Präklusion (§ 767 Abs. 2 ZPO) ist der Schutz der materiellen Rechtskraft - der Prozessvergleich ist aber nicht der materiellen Rechtskraft fähig. Für die notarielle Unterwerfungserklärung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) ist in § 797 Abs. 4 ZPO ausdrücklich bestimmt, dass § 767 Abs. 2 ZPO nicht gilt. Für den Prozessvergleich gilt § 797 Abs. 4 ZPO analog. Der Erfüllungseinwand der S ist nicht ausgeschlossen. Die Vollstreckungsabwehrklage ist begründet.

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BIE

Bienenschwarmverfolger

5.6.2022, 20:47:51

Hier stellen sich interessante Folgefragen: Erfüllung kann S gegen den Vergleich mMn nicht einwenden, weil der titulierte Anspruch nicht der ursprünglich eingeklagte, sondern ein neuer aus dem Vergleich (§ 779 BGB) ist. Gegen diesen Anspruch könnte man dann die Einwendung des § 779 I BGB geltend machen - was bereits problematisch werden kann, da bei Unwirksamkeit eines Prozessvergleichs ja grundsätzlich das alte Verfahren weiterzuführen ist. Alternativ könnte S auch versuchen, die ursprüngliche Zahlung über das Bereicherungsrecht zurückzufordern (zB condictio ob rem, weil Zahlung den Zweck der Abwendung der Zwangsvollstreckung verfolgte?) bzw. mit der Rückforderung gegen den Vergleichsanspruch aufzurechnen UND von G 2.000 € zu verlangen. Dann frage ich mich, ob G wiederum § 779 I BGB einwenden kann, wenn er nunmehr doch die vollen 5.00 € haben möchte.

EVA

evanici

9.9.2023, 16:06:50

Kann mir jemand beim Verständnis von § 797 IV bzw. § 797 IV analog helfen? Dort werden die Vollstreckungstitel "vollstreckbare Urkunden" in Gestalt von gerichtlichen Urkunden (entspricht das § 794 I Nr. 5?) und notariellen Urkunden (ebd.) herausgepickt und der Präklusion gemäß § 767 II nicht unterworfen. Würde bei einem Vergleich dann der gesamte § 794 analog angewendet werden oder eben nur besagter § 797 IV? Im Übrigen würde das aber bedeuten, dass derartige Vollstreckungstitel auch nicht der Rechtskraft fähig sind, richtig, die übrigen in § 794 (bis auf den Vergleich) jedoch schon? Und wieso kommt hier überhaupt eine Analogie in Betracht, die ZPO kennt den Vergleich ja ausweislich § 794 I Nr. 1?

JURA

juravulpes

13.4.2024, 08:19:21

Kann hier wirklich der Erfüllungseinwand der Vollstreckung aus dem Vergleich entgegengehalten werden? Die Zahlung erfolgte ja auf die ursprüngliche Schuld und hat diese zum Erlöschen gebracht, der Vergleich wurde erst danach abgeschlossen und führt zur Entstehung eines neuen eigenständigen Anspruchs. Der maßgebliche Einwand dürfte vielmehr die Anfechtung des Vergleichs aufgrund des Irrtums über die vorangegangene Zahlung sein.

Nocebo

Nocebo

10.6.2024, 18:33:07

Sehe das auch kritisch. Der Schuldner hat 5.000 EUR auf die damals noch bestehende Schuld geleistet, die ist dadurch jedenfalls materiell-rechtlich gem. § 362 BGB erloschen. Danach wurde der Prozessvergleich geschlossen. Da die alte Schuld nicht mehr bestand, wurde hierdurch eine neue Schuld i.H.v. 3.000 EUR begründet. Auf diese wurde jedoch nicht mit erfüllender Wirkung geleistet. Alternative wäre, den Prozessvergleich nicht als Begründung einer neuen, sondern Umgestaltung der alten, obwohl bereits erfüllten, Schuld anzusehen. Dabei scheint laut Kommentarliteratur eine Auslegung des Vergleichs erforderlich zu sein, wobei i.Z. das alte Rechtsverhältnis fortbesteht: "Soweit sich nicht aus dem ausdrücklich erklärten Parteiwillen oder den Umständen, insbes. den verfolgten Zielen der Vertragsschließenden, etwas anderes ergibt, lässt der Vergleich das ursprüngliche Rechtsverhältnis weiterbestehen." (BeckOK BGB/Rudolf Fischer, 70. Ed. 1.2.2024, BGB § 779 Rn. 22) Ich denke aber, hier gilt diese Zweifelsregelung eben nicht, da die Umstände für etwas anderes sprechen. Der Schuldner müsste dann gegen die Wirksamkeit des Prozessvergleichs vorgehen. Jedenfalls ein Inhaltsirrtum dürfte vorliegen, da die GmbH davon ausging, hierdurch ihre alte, nicht erfüllte Schuld zu reduzieren und den Prozess beizulegen, stattdessen jedoch eine neue Schuld geschaffen hat. Das dürfte ein ausnahmsweise beachtlicher

Rechtsfolgenirrtum

sein, da es hierbei um die durch die Parteien selbst gesetzte Rechtsfolgen dreht und nicht um solche, die von Gesetzes wegen eintreten. Jetzt lässt sich drüber streiten, ob das aufgrund der ex-tunc Wirkung eine anfängliche Einwendung ist, die im Wege der Fortsetzung des ehemaligen Prozesses geltend gemacht wird oder eine nachträgliche, für die tatsächlich die Vollstreckungsabwehrklage einschlägig ist.


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