+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A bittet den T eindringlich, ihn zu töten. T folgt der Entscheidung des A, die A mit freiem Willen getätigt hat, und erschießt A mit einem gezielten Schuss.

Einordnung des Falls

Grundfall § 216 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Straftatbestand der Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Täter durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden ist.

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Ja, in der Tat!

Der Tatbestand des § 216 Abs. 1 StGB setzt voraus: (1) Objektiv muss (a) ein anderer Menschen getötet worden sein, (b) der Getötete muss ausdrücklich und ernstlich die Tötung verlangt haben und zudem muss (c) der Getötete den Täter zur Tötung bestimmt haben. (2) Subjektiv ist Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale erforderlich. Der Vorsatz muss somit auch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen umfassen.

2. § 216 StGB stellt eine Qualifikation gegenüber § 212 StGB dar.

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Nein!

Die systematische Einordnung ist umstritten. Die herrschende Lehre sieht in § 216 StGB eine Privilegierung im Verhältnis zu §§ 212, 211 StGB. Demgegenüber ordnet die Rechtsprechung § 216 StGB als eigenständigen Tatbestand ein. Nach beiden Ansichten ist eine Bestrafung aus §§ 212, 211 StGB ausgeschlossen, wenn § 216 StGB verwirklicht wird (Entfaltung einer Sperrwirkung). § 216 StGB dient der generalpräventiven Stabilisierung des Tötungsverbots und soll einen Missbrauch dahingehend verhindern, dass jemand unter dem Deckmantel einer angeblichen Einwilligung in Wirklichkeit gegen seinen Willen getötet wird.

3. A hat seine Tötung "ausdrücklich und ernsthaft verlangt" (§ 216 Abs. 1 StGB).

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Genau, so ist das!

Ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen setzt mehr als ein bloßes Einverständnis voraus, denn der Getötete muss auf den Willen des Täters nachdrücklich eingewirkt haben. Ausdrücklich meint hierbei eine eindeutige und unmissverständliche Ausdrucksweise des Verlangens. Ernstlich ist ein Verlangen, wenn es auf freier und fehlerfreier Willensbildung beruht; es muss also frei von Täuschung, Zwang, Irrtum oder anderen wesentlichen Willensmängeln sein. A hat hier seine Tötung ausdrücklich und ernstlich gegenüber T verlangt.

4. T ist von A "zur Tötung bestimmt worden" (§ 216 Abs. 1 StGB).

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Ja, in der Tat!

Bestimmen nach § 216 StGB entspricht dem Bestimmen im Sinne der Anstiftung (§ 26 StGB). Gemeint ist das Hervorrufen des Tatentschlusses. Ein bereits zur Tötung entschlossener Täter (omnimodo facturus) kann nicht mehr zur Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) bestimmt werden. A hat bei T den Tatentschluss hervorgerufen und ihn zur Tötung bestimmt.

5. T hatte Vorsatz bezüglich der Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB).

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Ja!

Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale. T hatte Kenntnis vom ausdrücklichen und ernstlichen Verlangen des A und wollte ihn töten.

6. Zu einer Strafbarkeit aus § 216 StGB kann bei T auch eine Strafbarkeit aus §§ 211, 212 StGB in Tateinheit hinzutreten.

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Nein, das ist nicht der Fall!

§ 216 StGB entfaltet gegenüber §§ 211, 212 StGB eine Sperrwirkung. Daher ist eine Bestrafung aus §§ 211, 212 StGB ausgeschlossen.

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