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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Buchhändler B schickt der Rechtsanwältin R ungefragt eine Jubiläumsausgabe der Luther-Bibel sowie eine Neuauflage eines Kommentars. R ist überrascht. Dann beginnt sie, den Kommentar in ihrer Kanzlei zu nutzen. Die Bibel schenkt sie ihrer Freundin F.

Einordnung des Falls

§ 241a BGB bei beruflichem Empfänger

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist zwischen B und R ein Kaufvertrag über die Luther-Bibel zustande gekommen, sodass B von R Kaufpreiszahlung verlangen kann?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein wirksamer Vertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus (§§ 145, 147 BGB).Die Übersendung des Exemplars der Luther-Bibel enthält ein konkludentes Angebot des B und die Schenkung an die F eine konkludente Annahme der R. Jedoch steht dieses Ergebnis im Widerspruch zu § 241a Abs. 1 BGB, der ein Entstehen von Ansprüchen bei der Lieferung unbestellter Waren an Verbraucher ausdrücklich ablehnt. Da die Bibel dem Privatbereich der R zuzuordnen ist, ist sie diesbezüglich Verbraucherin (§ 13 BGB). § 241a Abs. 1 BGB ist anwendbar, sodass kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. B hat keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung.

2. R ist aber mangels Vertrag zur Rückgabe der Bibel an B verpflichtet.

Nein!

Nach dem weit gefassten Wortlaut und dem Telos des § 241a BGB müssen nicht nur vertragliche Zahlungsansprüche, sondern auch alle sonstigen Ansprüche- etwa auf Herausgabe, Schadensersatz oder Nutzungsersatz - ausgeschlossen sein.Die Voraussetzungen der Leistungskondiktion (etwas erlangt, durch Leistung, ohne Rechtsgrund) liegen an sich vor (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Da R die Bibel verschenkt hat, müsste sie zumindest Wertersatz leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Jedoch steht dieses Ergebnis im Widerspruch zu § 241a Abs. 1 BGB. B kann weder Bibel noch Wertersatz herausverlangen.

3. Hat B bezüglich der Neuauflage des Kommentars gegen R einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB)?

Genau, so ist das!

Ein wirksamer Vertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus (§§ 145, 147 BGB).Die zwei Willenserklärungen liegen in der Übersendung des Kommentars durch B und der Aufnahme des Kommentars in die Bibliothek der R. Da der Kommentar für die selbstständige berufliche Tätigkeit der R bestimmt ist, ist R diesbezüglich nicht Verbraucherin, sondern Unternehmerin (§ 14 BGB). § 241a Abs. 1 BGB ist nicht einschlägig, da dieser nur für unbestellte Lieferungen an Verbraucher gilt. B kann von R Zahlung des Kaufpreises für den Kommentar verlangen.Denk daran, dass bloßes Schweigen keine Willenserklärung darstellt. Hier war also erforderlich, dass R das Angebot zumindest konkludent annimmt.

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JuraBiene

JuraBiene

1.5.2023, 14:37:24

Hallo, ist es hier maßgeblich, dass es sich bei R um eine Rechtsanwältin handelt? Sie könnte den Kommentar ja auch privat gebrauchen. Wenn sie ihn privat gebrauchen würde, müsste sie dann den Kaufpreis zahlen?

E

E

19.5.2023, 18:10:18

Maßgeblich ist es, dass R den Kommentar nicht als Verbraucherin nutzt, sondern in ihrer Kanzlei als Unternehmerin nutzt, somit ist § 241a BGB nicht anwendbar und ein Vertag könnte auch konkludent - in diesem Fall durch das Nutzen des Kommentars in ihrer Kanzlei - zustande gekommen sein.

MZ

mzwillus

4.6.2023, 10:48:25

In der Frage steht nicht, dass auch ein Kaufpreis verlangt wird. Sind das nicht essentialia negotii ohne die der Vertrag nicht geschlossen ist?

MAUR

Maurice66

20.6.2023, 16:17:09

In den Fällen, für die der 241a eingeführt wurde, lag logischerweise immer eine Rechnung bei und eine Anmerkung, dass man von einem Vertragsschluss ausgehe, wenn die Lieferung nicht in einer bestimmten Zeit zurückgesendet wird und man dann Kaufpreiszahlung verlange. Sonst hast du natürlich Recht, das Angebot muss hinreichend bestimmt sein. Bei Büchern steht aber sogar regelmäßig der Preis auf dem Einband.

Ari Morgenstern

Ari Morgenstern

3.7.2023, 07:05:12

Ich finde auch das solche Angaben in dem Sachverhalt zu finden sein sollten. So wie der Fall hier geschildert wurde ist mir auch kein Kaufpreisanspruch ersichtlich.

Ella

Ella

10.6.2023, 20:51:04

Wie wäre es hier zu bewerten wenn die Rechtsanwältin den Kommentar nicht nutzt? Wäre das Angebot des B dann einfach nicht angeommen? Hätte B dann irgendwelche Ansprüche?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.6.2023, 18:34:16

Hallo Ella, es bedürfte für einen Vertragsschluss zumindest der konkludenten Annahme. Sofern man diese verneinen würde, läge kein Vertragsschluss vor. Da der Sondertatbestand des § 241a BGB nur im Verhältnis Verbraucher-Unternehmer greift, kommen dann zB Herausgabeansprüche aus § 985 BGB bzw. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EB

Elias Von der Brelie

19.6.2023, 22:47:26

R hätte hier, wenn sie den Fall als Rechtsanwältin erkannt hätte also den Kommentar einfach auch einer Freundin zum Beispiel schenken können, oder irgendwie anderweitig Nutzen solange es eben nicht speziell ihrem Beruf dient? Andere Frage: Ab wann genau ist man berechtigt die Sache die einem Zugeschickt wurde zu behalten? Muss hierfür ein eindeutiges Angebot des Senders vorliegen zum Beispiel per Schreiben, oder kann man die Ware auch behalten selbst wenn es sich tendenziell auch um eine Fehlsendung handeln könnte? Wie genau unterscheidet man das? Ich nehme an es muss zumindest irgendwie deutlich werden, dass der Sender es absichtlich geschickt hat?

UGE

Unerkannt Geisteskrank

27.11.2023, 17:33:58

Fällt der Rechtsanwalt auch unter die Regelung des § 14 BGB, da es sich dabei ja um einen freien Beruf handelt, der gerade nicht beinhaltet, dass ein Rechtsanwalt als Einzelunternehmer oder Kaufmann auftritt? LG

Bubbles

Bubbles

27.11.2023, 20:21:50

Zwischen dem Kaufmann iSd HGB und dem Unternehmer iSd § 14 BGB ist zu unterscheiden! Freiberufler können durchaus Unternehmer sein. Der Unternehmerbegriff ist in § 14 BGB legaldefiniert und lässt jede selbständige berufliche Tätigkeit genügen, also auch die Tätigkeit als Anwalt.

Bubbles

Bubbles

27.11.2023, 20:52:38

Ich denke an der Stelle sollte ich noch darauf hinweisen, dass der Unternehmensbegriff aus § 14 BGB nicht bspw. dem kartellrechtlichen oder konzernrechtlichen Unternehmens-/Unternehmerbegriff entspricht. Es gibt keinen rechtsgebietsübergreifenden Unternehmerbegriff.

UGE

Unerkannt Geisteskrank

27.11.2023, 23:36:32

Alles klar, dank dir. Ich hab es selbst auch nochmal nachgeschaut und wie du gesagt hast, kommt es für die Qualifizierung als Unternehmer auf die selbständige Tätigkeit an. LG


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