Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Anfechtung der Willenserklärung

Verklicken bei Abgabe elektronischer Willenserklärung mit Maustaste

Verklicken bei Abgabe elektronischer Willenserklärung mit Maustaste

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V inseriert sein Sportflugzeug auf eBay. Als der gewünschte Preis voraussichtlich nicht erzielt wird, klickt V irrtümlich auf „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ anstelle von „Angebot zurücknehmen“. K ist zu dem Zeitpunkt Höchstbietende.

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Einordnung des Falls

Verklicken bei Abgabe elektronischer Willenserklärung mit Maustaste

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch das Klicken des Buttons „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ ist ein Vertrag zwischen V und K zustande gekommen.

Genau, so ist das!

Die eBay AGB wirken zwar nicht direkt zwischen V und K. Sie sind bei der Auslegung ihrer Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) aber zu berücksichtigen. V und K haben den eBay AGB vor der Teilnahme an der Internetauktion zugestimmt. Gem. § 6 Nr. 2 eBay-AGB (Stand: 1.5.2018) gibt der Verkäufer durch Einstellen eines Artikels im Auktionsformat ein Angebot zum Vertragsschluss mit dem Höchstbietenden bei Beendigung der Auktion ab. Dieses Angebot steht jedoch nach § 6 Nr. 6 eBay AGB unter der auflösenden Bedingung der berechtigten Angebotsrücknahme (§ 158 Abs. 2 BGB). Damit ist nach Beendigung der Auktion durch das Klicken auf den Button „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ ein Vertrag mit K zustande gekommen.
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2. Das Klicken auf den Button „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ anstelle von „Angebot zurücknehmen“, stellt einen Erklärungsirrtum dar (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB) bezeichnet das unbewusste Auseinanderfallen von objektiv Erklärtem und subjektiv Gewolltem dadurch, dass der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich der Erklärende verschreibt, vergreift, verspricht, vertippt oder Ähnliches. „Verklickt“ sich der Erklärende bei Abgabe einer elektronischen Willenserklärung mit der Maustaste, so handelt es sich um einen Erklärungsirrtum. V wollte auf „Angebot zurücknehmen anstelle von „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ klicken. Damit liegt ein Erklärungsirrtum vor.

3. V hätte durch das Klicken auf den Button „Angebot zurücknehmen“ das Angebot zurücknehmen können.

Nein!

§ 6 Nr. 6 eBay AGB (Stand 1.5.2018) erlaubt die vorzeitige Beendigung des Angebots durch den Verkäufer nur dann, wenn der Verkäufer dazu berechtigt war. Der Verkäufer ist zur vorzeitigen Beendigung berechtigt, wenn es ihm unverschuldet unmöglich wird, den Artikel dem Käufer zu übereignen. V war lediglich mit den bisherigen Geboten unzufrieden. Damit wäre es ihm auch durch Klicken auf den gewünschten Button nicht möglich gewesen, das Angebot zurückzunehmen.

4. Das Klicken auf „Angebot zurücknehmen“ und „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ hat im Fall von V die gleiche Rechtsfolge.

Genau, so ist das!

Die Rechtsfolge des Buttons „Auktion sofort zum Höchstgebot beenden“ ist, dass ein Vertrag mit dem aktuell Höchstbietenden zustande kommt. Wenn auf „Angebot zurücknehmen“ geklickt wird, wird die Auktion ebenfalls beendet. Liegt jedoch keine Berechtigung zur Rücknahme vor, so bleibt das Angebot wirksam und es kommt ebenfalls ein Vertrag mit dem Höchstbietenden zustande. Damit macht es für den unberechtigten Abbrecher in der Rechtsfolge keinen Unterschied, welchen Button er klickt.

5. V kann seine Willenserklärung zur vorzeitigen Beendigung der Auktion zum Höchstgebot anfechten (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anfechtende muss sich an der Erklärung festhalten lassen, die er tatsächlich abgegeben hat, wenn sein Irrtum für die Abgabe nicht ursächlich war (§ 119 Abs. 1 BGB). Damit muss der Irrtum für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich sein. V war nicht zur Rücknahme des Angebots berechtigt. Damit wäre ein Kaufvertrag mit dem Höchstbietenden auch dann zustande gekommen, wenn V den gewollten Button angeklickt hätte. Mithin wäre eine Willenserklärung gleichen Inhalts auch bei Anklicken des gewünschten Buttons abgegeben worden. Damit fehlt es am Kausalzusammenhang zwischen Irrtum und Abgabe der Willenserklärung. URL eBay-AGB: https://www.ebay.de/help/policies/member-behavior-policies/allgemeine-geschftsbedingungen-fr-die-nutzung-der-deutschen-ebaydienste?id=4259
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MACHE

Machegenga

10.4.2020, 19:17:02

Also ich hätte jetzt angenommen, dass V bei verständiger Würdigung des Falles die Versteigerung NICHT vorzeitig abgebrochen hätte, sondern weiter abgewartet hätte, ob doch noch höhere Gebote kommen. Diese Interpretation würde ihn zur Anfechtung berechtigen. Wo liegt mein Missverständnis?

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

10.4.2020, 20:42:22

Hi, vielen Dank für die Frage! Aus dem SV ergibt sich, dass es V gerade darauf ankam, die Auktion sofort zu beenden. Nur hat er sich dabei "verklickt". Die Anfechtung ist letztlich nur deswegen ausgeschlossen, weil das Anfechtungsrecht kein Reuerecht sein soll. V soll hier durch die Anfechtungsmöglichkeit nicht besser stehen, als er bei der von ihm gewünschten Erklärung stünde. Deswegen ist hier die Anfechtung ausgeschlossen. Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan

MACHE

Machegenga

12.4.2020, 10:05:32

Vielen Dank für die Antwort, jetzt isses klar geworden :)

EF

Elisabeth F.

15.2.2022, 11:00:52

Aber V kam es doch nicht darauf an die Auktion sofort zu beenden sondern seine Sache nicht zu diesem niedrigen Preis zu verkaufen-er irrte doch gerade über die rechtliche Folge seiner Handlung, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.2.2022, 08:59:56

Hallo Elisabeth, V wollte die Auktion beenden, indem er auf Angebot zurücknehmen klickt. Lägen die rechtlichen Voraussetzungen vor, so wäre dadurch kein Angebot zustande gekommen. Tatsächlich hat er sich aber verklickt und auf "Auktion sofort beenden" geklickt. Dies führt jedoch unmittelbar zum Vertragsschluss. Dieses "Verklicken" stellt in erster Linie einen Erklärungsirrtum dar, der jedoch unbeachtlich ist. Denn auch wenn V auf "Angebot zurücknehmen" geklickt hätte, wäre es zum Vertragsschluss gekommen. Denn allein das niedrige Gebot berechtigt hier nicht zur Rücknahme. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EI

Eike-Christian

18.3.2023, 12:03:55

Also kann V seine WE nicht anfechten, weil er sich verklickt hat. Könnte er aber versuchen, sie wegen eines

Rechtsfolgenirrtum

s hinsichtlich des richtigen Buttons anzufechten? Sprich: Er hätte gar nicht geklickt, wenn er gewusst hätte, dass er das Angebot überhaupt nicht wirksam zurückziehen kann.

DEL

deliaco

17.1.2024, 00:19:38

Mir erschließt sich die Lösung auch noch nicht ganz. Im Hinblick auf das Erfordernis der Kausalität regelt § 119 I BGB, dass eine Anfechtung nur dann möglich ist, "wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde." Wie würde man denn den Fall aus euer Sicht darunter subsumieren bzw. wie würdet ihr hier entlang des Gesetzeswortlaut argumentieren, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass Kausalität nicht besteht?

BL

Blotgrim

13.2.2024, 20:20:28

Kausalität besteht deswegen nicht, da auch ein Angebot bestanden hätte wenn er auf den Button "Angebot zurücknehmen" geklickt hätte, da er zur zurücknehmen des Angebots nicht berechtigt war. Es macht also keinen Unterschied ob er seine Erklärung beseitigt und die gewollte abgibt oder nicht. Also egal ob angefochten oder nicht, am Ende steht eine Willenserklärung mit dem Inhalt "Angebot an den aktuell Höchstbietenden. Das der Verkäufer das Angebot komplett zurückziehen wollte ist egal, da er dazu nicht berechtigt war. Auch ein

Rechtsfolgenirrtum

sehe ich hier nicht. Ja der Verkäufer irrt hier über die Folgen der Schaltfläche "Angebot zurücknehmen" eine Anfechtung auf dieser Grundlage würde aber nur dazu führen, dass das ursprüngliche eingestellte Angebot bestehen bleibt. Letztlich kommt der Verkäufer hier nicht mehr aus der Nummer raus. Er kann seine Erklärung nur soweit anfechten, dass das ursprüngliche Angebot bestehen bleibt. Das Angebot selbst kann er aber meiner Meinung nach, auf Basis des gegebenen Sachverhalts nicht aufheben

QUIG

QuiGonTim

23.2.2022, 09:46:52

Ergibt sich die Berechtigung zur Rücknahme des Angebots aus unmittelbar den eBay-AGB oder handelt es sich dabei um eine Auslegungsfrage?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.2.2022, 08:53:23

Hallo QuiGonTim, die AGB wirken nicht unmittelbar zwischen den Parteien, sind aber bei deren jeweiligen Erklärungen im Rahmen der Auslegung ihrer Erklärungen zu berücksichtigen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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