Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Übermittlungsfehler bei Softwareeinsatz
Übermittlungsfehler bei Softwareeinsatz
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K bestellt im Onlineshop des V einen Laptop für €245 und erhält eine automatische Versandbestätigung. V hatte bei Erstellung des Angebots einen Preis von €2.650 angegeben. Seine Shop-Software hat jedoch fehlerhaft €245 angezeigt. V erklärt die Anfechtung.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Übermittlungsfehler bei Softwareeinsatz
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat mit Einstellen des Laptops für €245 ein verbindliches Angebot "ad incertas personas" abgegeben.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen K und V ist ein Kaufvertrag über den Laptop zu €245 zustande gekommen.
Ja!
3. V kann seine Annahmeerklärung wegen eines Übermittlungsirrtums anfechten (§§ 142 Abs. 1, 120 BGB).
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
TonksBlack
15.5.2023, 06:25:40
Hallo liebes Jurafuchsteam, ich war bei den letzten zwei Fällen etwas irritiert. Habe in der Uni gelernt, dass eine automatische Bestellbestätigung keine Annahme darstellt. Hab aber auch nur das Urteil dazu gefunden AG Plettenberg – Az.: 1 C 219/17 – Urteil vom 23.10.2017. Könntet ihr das vielleicht nochmal näher erklären oder überprüfen?
Lukas_Mengestu
15.5.2023, 13:35:07
Hallo Carolin, vielen Dank für Deine Nachfrage! Hier musst Du zwei (zugegebenermaßen sehr ähnliche) Fälle unterscheiden, nämlich die Bestellbestätigung und die Versandbestätigung. Du hast völlig recht, dass die Bestellbestätigung keine Willenserklärung des Verkäufers darstellt. Vielmehr kommt er damit lediglich seinen gesetzlichen Pflichten nach (vgl. § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB). Insofern handelt es sich um eine reine Wissenserklärung, die allein aussagt, dass die Bestellung beim Händler eingegangen ist. Durch die Versandbestätigung gibt der Händler dagegen zum Ausdruck, dass er mit dem Angebot des Käufers einverstanden ist und dieses annimmt. Aus diesem Grund liegt hierin eine Willenserklärung (=auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtete Erklärung) in Form der Annahme. Ich hoffe, nun ist es noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
TonksBlack
15.5.2023, 13:41:59
Ah, vielen lieben Dank! Das hatte ich dann wirklich zusammen geschmissen. Guter Reminder: Immer genau arbeiten! :)
silasowicz
7.8.2023, 12:49:22
Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass V sich auch nach dem Versand einer Bestellbestätigung noch nicht rechtlich gebunden hat, oder? Käme denn dann zu diesem frühen Zeitpunkt wenigstens eine cic-Haftung des V infrage?
HGWrepresent
9.1.2024, 19:03:11
Die unrichtige Übermittlung verlangt ein Verlassen des Machtbereichs des Erklärenden. Bei einer Software des Erklärenden ist bei der Erklärung aber nie der Machtbereich verlassen worden, sodass § 120 BGB nicht anwendbar ist. Es liegt auch hier ein Erklärungsirrtum iSd § 119 I Var. 2 vor. Anders würde es liegen, wenn es die Software eines Dritten wäre, was ihr explizit ausgeschlossen habt. In diesem Sinne: HGWrepresent ;)
Simon
12.4.2024, 00:03:07
Letztlich kommt es darauf an, wie Du "Machtbereich" definierst - einen Begriff den das BGB selbst gar nicht verwendet. Man könnte also argumentieren, dass auch der klassische Bote iSd § 120 BGB dem "Machtbereich" des Erklärenden zuzuordnen ist. Dies ist wohl auch der Fall, da die falsch übermittelte WE ja zunächst gilt und "nur" angefochten werden kann (wobei der Erklärende uU nach § 122 I BGB schadensersatzpflichtig ist, da der Fehler aus seiner Sphäre stammt). Der Wortlaut von § 120 BGB spricht nur von einer "Einrichtung", derer sich der Erklärende benutzt. Das ist hier der Fall. Auch teleologisch ist die Norm anzuwenden, da der Fehler nicht beim Erklärenden direkt liegt, sondern (außerhalb seiner Person) bei einer Einrichtung, die seinem "Machtbereich" zuzuordnen ist. Systematisch ist § 120 BGB spezieller als § 119 I Alt. 2 BGB, sodass sich der Rückgriff auf die Norm verbietet. Daher ist die Lösung mE korrekt.
HGWrepresent
12.4.2024, 12:26:11
Moin Simon, Ich habe nochmal genauer recherchiert und es scheint ein Zwischending aus §119&120 zu sein (am Ende die die Rechtsfolge eh die selbe). MüKo 2021 §119 Rn. 48: „Der BGH hat diese Konstellation in der Sache überzeugend gelöst, und zwar nicht allein über eine Anwendung von § 119, sondern durch ergänzende Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 120“ Der BGH sieht wohl das Problem, dass die Software noch im Machtbereich des Erklärenden liegt und somit eigentlich nicht durch falsche Übermittlung entstanden ist, bezieht sich aber trotzdem auf §120 auf Grund der Ähnlichkeit zum Boten. Es sollte in der Lösung also sowohl ok sein, 120 direkt anzuwenden, als auch 119 iVm dem Rechtsgedanken aus 120. VG
Juricia
1.8.2024, 10:04:10
Ich verstehe nicht so ganz, warum die automatisierte Versandbestätigung im vorherigen Fall eine Annahme war, und in diesem Fall nicht. 🤔 Beide waren automatisiert.
Paulah
2.8.2024, 21:21:14
Ich habe den anderen Fall leider nicht gefunden, aber ist es möglich, dass es in dem anderen Fall eine Eingangsbestätigung war und keine Bestell- oder Versandbestätigung?