leicht

Diesen Fall lösen 87,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K bestellt im Onlineshop des V einen Laptop für €245 und erhält eine automatische Versandbestätigung. V hatte bei Erstellung des Angebots einen Preis von €2.650 angegeben. Seine Shop-Software hat jedoch fehlerhaft €245 angezeigt. V erklärt die Anfechtung.

Einordnung des Falls

Übermittlungsfehler bei Softwareeinsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat mit Einstellen des Laptops für €245 ein verbindliches Angebot "ad incertas personas" abgegeben.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrags nur von dessen Einverständnis abhängt. Würde V sich durch das Einstellen des Laptops bereits rechtlich binden wollen, könnte eine unbegrenzte Zahl an Personen, durch Annahmen Vertragsschlüsse zustande bringen. V würde Gefahr laufen, Verträge zu schließen, die er nicht erfüllen kann, weil er nur begrenzt über Laptops verfügt. Mangels Rechtsbindungswille liegt daher eine bloße Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ("invitatio ad offerendum") vor.

2. Zwischen K und V ist ein Kaufvertrag über den Laptop zu €245 zustande gekommen.

Ja!

Ein Vertrag kommt zustande durch zwei sich inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB). Das Einstellen des Laptops auf der Website ist bloße invitatio ad offerendum. In der Bestellung des K auf der Internetseite des V liegt jedoch ein Angebot, welches V aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) konkludent dadurch angenommen hat, dass er K die Bestellung und Lieferung des Laptops zum Preis von €245 zusagte.

3. V kann seine Annahmeerklärung wegen eines Übermittlungsirrtums anfechten (§§ 142 Abs. 1, 120 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Übermittlungsirrtum im Sinne von § 120 BGB liegt vor, wenn die Willenserklärung durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unbewusst unrichtig übermittelt wurde. BGH: Die Verfälschung des ursprünglich richtig Erklärten durch eine unerkannt fehlerhafte Software sei als Irrtum in der Erklärungshandlung anzusehen. Es bestehe kein Unterschied, ob sich der Erklärende selbst vertippt oder die Abweichung vom Gewollten auf dem Weg zum Empfänger eintritt (§ 120 BGB). Der bei Einstellen des Laptops vorliegende Erklärungsirrtum wirke bei Annahmeerklärung fort, da sie in der Erwartung richtiger Einpreisung abgegeben werde (RdNr. 21-23).Der Übermittlungsirrtum ist lediglich ein spezialgesetzlich geregelter Fall des Erklärungsirrtums (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Jurafuchs kostenlos testen


TO

TonksBlack

15.5.2023, 06:25:40

Hallo liebes Jurafuchsteam, ich war bei den letzten zwei Fällen etwas irritiert. Habe in der Uni gelernt, dass eine automatische Bestellbestätigung keine Annahme darstellt. Hab aber auch nur das Urteil dazu gefunden AG Plettenberg – Az.: 1 C 219/17 – Urteil vom 23.10.2017. Könntet ihr das vielleicht nochmal näher erklären oder überprüfen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.5.2023, 13:35:07

Hallo Carolin, vielen Dank für Deine Nachfrage! Hier musst Du zwei (zugegebenermaßen sehr ähnliche) Fälle unterscheiden, nämlich die Bestellbestätigung und die Versandbestätigung. Du hast völlig recht, dass die Bestellbestätigung keine Willenserklärung des Verkäufers darstellt. Vielmehr kommt er damit lediglich seinen gesetzlichen Pflichten nach (vgl. § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB). Insofern handelt es sich um eine reine Wissenserklärung, die allein aussagt, dass die Bestellung beim Händler eingegangen ist. Durch die Versandbestätigung gibt der Händler dagegen zum Ausdruck, dass er mit dem Angebot des Käufers einverstanden ist und dieses annimmt. Aus diesem Grund liegt hierin eine Willenserklärung (=auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtete Erklärung) in Form der Annahme. Ich hoffe, nun ist es noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

TO

TonksBlack

15.5.2023, 13:41:59

Ah, vielen lieben Dank! Das hatte ich dann wirklich zusammen geschmissen. Guter Reminder: Immer genau arbeiten! :)

SI

silasowicz

7.8.2023, 12:49:22

Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass V sich auch nach dem Versand einer Bestellbestätigung noch nicht rechtlich gebunden hat, oder? Käme denn dann zu diesem frühen Zeitpunkt wenigstens eine cic-Haftung des V infrage?

HGWrepresent

HGWrepresent

9.1.2024, 19:03:11

Die unrichtige Übermittlung verlangt ein Verlassen des Machtbereichs des Erklärenden. Bei einer Software des Erklärenden ist bei der Erklärung aber nie der Machtbereich verlassen worden, sodass § 120 BGB nicht anwendbar ist. Es liegt auch hier ein Erklärungsirrtum iSd § 119 I Var. 2 vor. Anders würde es liegen, wenn es die Software eines Dritten wäre, was ihr explizit ausgeschlossen habt. In diesem Sinne: HGWrepresent ;)

Simon

Simon

12.4.2024, 00:03:07

Letztlich kommt es darauf an, wie Du "Machtbereich" definierst - einen Begriff den das BGB selbst gar nicht verwendet. Man könnte also argumentieren, dass auch der klassische Bote iSd § 120 BGB dem "Machtbereich" des Erklärenden zuzuordnen ist. Dies ist wohl auch der Fall, da die falsch übermittelte WE ja zunächst gilt und "nur" angefochten werden kann (wobei der Erklärende uU nach § 122 I BGB schadensersatzpflichtig ist, da der Fehler aus seiner Sphäre stammt). Der Wortlaut von § 120 BGB spricht nur von einer "Einrichtung", derer sich der Erklärende benutzt. Das ist hier der Fall. Auch teleologisch ist die Norm anzuwenden, da der Fehler nicht beim Erklärenden direkt liegt, sondern (außerhalb seiner Person) bei einer Einrichtung, die seinem "Machtbereich" zuzuordnen ist. Systematisch ist § 120 BGB spezieller als § 119 I Alt. 2 BGB, sodass sich der Rückgriff auf die Norm verbietet. Daher ist die Lösung mE korrekt.

HGWrepresent

HGWrepresent

12.4.2024, 12:26:11

Moin Simon, Ich habe nochmal genauer recherchiert und es scheint ein Zwischending aus §119&120 zu sein (am Ende die die Rechtsfolge eh die selbe). MüKo 2021 §119 Rn. 48: „Der BGH hat diese Konstellation in der Sache überzeugend gelöst, und zwar nicht allein über eine Anwendung von § 119, sondern durch ergänzende Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 120“ Der BGH sieht wohl das Problem, dass die Software noch im Machtbereich des Erklärenden liegt und somit eigentlich nicht durch falsche Übermittlung entstanden ist, bezieht sich aber trotzdem auf §120 auf Grund der Ähnlichkeit zum Boten. Es sollte in der Lösung also sowohl ok sein, 120 direkt anzuwenden, als auch 119 iVm dem Rechtsgedanken aus 120. VG


© Jurafuchs 2024