Entliehenes Buch: Unmittelbarer Besitzer ist der Entleiher, weil er das Buch tatsächlich in seiner Gewalt hat


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E ist Eigentümer und Besitzer eines Harry Potter-Buches. Freund F fragt, ob er es sich ausleihen kann. E ist einverstanden und übergibt das Buch.

Einordnung des Falls

Entliehenes Buch: Unmittelbarer Besitzer ist der Entleiher, weil er das Buch tatsächlich in seiner Gewalt hat

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F hat unmittelbaren Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) am Harry-Potter Buch erworben.

Ja!

Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) ist die (1) von einem Besitzwillen getragene (2) tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache. Tatsächliche Sachherrschaft setzt eine räumliche Beziehung zur Sache in der Weise voraus, dass man in der Lage ist, jederzeit beliebig auf die Sache einzuwirken.F kann jederzeit beliebig auf das Buch einwirken und hat beim Entleihen einen Besitzwillen gebildet.

2. E hat durch das Verleihen des Buches an F vollständig jeglichen Besitz an dem Buch verloren.

Nein, das ist nicht der Fall!

Mittelbarer Besitz setzt voraus: (1) ein tatsächliches/vermeintliches Besitzmittlungsverhältnis, (2) Fremdbesitzwillen des unmittelbaren Besitzers und (3) einen Herausgabeanspruch des mittelbaren gegen den unmittelbaren Besitzer. Als Besitzmittlungsverhältnis kommt jedes Rechtsverhältnis in Betracht, das dem Besitzmittler Herausgabe- oder Sorgfaltspflichten bzgl. der Sache auferlegt.E hat seinen unmittelbaren Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) verloren. Denn er übt nicht mehr die tatsächliche Sachherrschaft über das Buch aus. E und F haben aber einen Leihvertrag (§ 598 BGB) geschlossen. F erkennt als Unterbesitzer den E als Oberbesitzer mit stärkerer Rechtsstellung an. Und E hat einen Herausgabeanspruch gegen F (§§ 604, 985 BGB). Er ist somit mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB).

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Fiona

Fiona

5.6.2023, 15:12:41

Wo ist jetzt der Unterschied zur letzten Aufgabe der vorigen Lektion zu dieser? Sachherrschaft und Besitz

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.6.2023, 10:59:17

Hallo Fiona, die tatsächliche Sachherrschaft ist neben dem Besitzwillen ein Merkmal des unmittelbaren Besitzes. Die beiden Fälle ( (1) Besitzer vergisst Buch bei Freund, dieser fragt später, ob er es ausleihen kann, (2) Besitzer verleiht Buch direkt an Freund) unterscheiden sich insofern, als in dem ersten Fall zunächst noch unmittelbarer Besitz des Besitzers bestand, obwohl er sich nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe hierzu befand. Grund dafür ist, dass die "tatsächliche Sachherrschaft" normativ durch die Verkehrsanschauung geprägt ist. Erst in dem Moment, in dem sein Freund ihn fragt, ob er das Buch ausleihen könne, gibt er die Herrschaft daran auf. In dem Fall hier, hat E seine Sachherrschaft direkt aufgegeben. Ich hoffe, jetzt ist es etwas klarer geworden :-) Beste Grüße, Lukas -für das Jurafuchs-Team

LI

Linus

31.10.2023, 19:35:17

Als Herausgabeanspruch kommt doch auch zusätzlich § 985 BGB nach Ablauf der Leihzeit infrage oder?

LELEE

Leo Lee

4.11.2023, 12:25:35

Hallo Linus, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat liegt nach h.M. auch ein Anspruch nach § 985 BGB vor (nach m.M. tritt § 985 hinter den vertraglichen HGA zurück), was wir entsprechend angepasst haben :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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