Abwandlung: Erlöschen der Duldungspflicht

4. Juli 2025

6 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M ist Mieter des Grundstücks von V. Nach Wirksamwerden der Kündigung fordert V den M auf, das Grundstück zu verlassen.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Erlöschen der Duldungspflicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V kann von M nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen das Grundstücks zu verlassen, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen.

Genau, so ist das!

Der Anspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer ist, (2) eine Eigentumsbeeinträchtigung vorliegt, (3) der Anspruchsgegner Störereigenschaft hat und (4) keine Pflicht zur Duldung der Störung besteht.
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2. Indem sich M auf Vs Grundstück aufhält, beeinträchtigt er Vs Eigentum.

Ja, in der Tat!

Nach h.M. ist die Beeinträchtigung jede rechtliche oder tatsächliche, von außen kommende Einwirkung auf die Sache. Als Eigentümer des Grundstücks kann V grundsätzlich darüber entscheiden, wer sich auf diesem Aufhalten darf (vgl. § 903 BGB). Das Aufhalten des M auf dem Grundstück stellt eine Einwirkung von außen auf das Eigentum des V dar und ist daher eine Eigentumsbeeinträchtigung.

3. M hat Störereigenschaft.

Ja!

Handlungsstörer ist, wer durch sein Verhalten die Beeinträchtigung herbeiführt. Die Beeinträchtigung liegt hier in dem Aufenthalt von M auf dem Grundstück des V. Dies hat er aktiv durch sein Verhalten herbeigeführt, indem er sich auf das Grundstück begeben haben.

4. Für V bestand während der Mietlaufzeit keine Pflicht Ms Anwesenheit auf dem Grundstück zu dulden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Anspruch scheidet gemäß § 1004 Abs. 2 BGB aus, sofern der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. V hatte das Grundstück an M vermietet und ihm somit ein Aufenthaltsrecht zugesprochen. Es handelt sich um eine Duldungspflicht aus einem Verpflichtungsgeschäft (obligatorisches Recht). Diese bestand, solange das Mietverhältnis wirksam war.

5. Auch nach Beendigung des Mietverhältnisses muss V dulden, dass sich M auf seinem Grundstück aufhält.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Anspruch scheidet gemäß § 1004 Abs. 2 BGB aus, sofern der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Fällt die Duldungspflicht weg, entsteht der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB. Mit der Beendigung des Mietverhältnisses sind auch die Rechte des M aus dem Mietverhältnis weggefallen. Er darf sich daher nicht mehr auf dem Grundstück aufhalten und V muss Ms Aufenthalt nicht mehr dulden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AN

annsophie.mzkw

30.10.2024, 10:00:05

s.o.

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 03:42:29

Hallo as.mzkw, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Bei 546 ist es so, dass zw. 546 und 985/1004

Anspruchskonkurrenz

bestehen, d.h., sie können nebeneinander bestehen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schmidt-Futterer, Mietrecht 16. Auflage, Streyl § 546 Rn. 11 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Céline

14.11.2024, 12:07:36

Ist das Wirksamwerden der Kündigung hier tatsächlich der richtige Anknüpfungspunkt? Eine Kündigung wird wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht. Mit Wirksamwerden entfaltet die Kündigung jedoch noch nicht sofort ihre Wirkung, es sei denn, sie ist fristlos. Dementsprechend müsste doch hier bei der letzten Frage auf die

Beendigung

des Mietverhältnisses abgestellt werden und nicht auf das Wirksamwerden der Kündigung - oder habe ich da gerade einen Denkfehler?

Cocos.lawstudy

Cocos.lawstudy

8.5.2025, 15:37:24

Für mich wird die Kündigung wirksam, wenn das Datum eingetreten ist. Das davor ist wirksame Zustellung

LUKA

Lukas_Schulle

2.4.2025, 15:46:26

Wenn bereits (wie im anderen Thread) erwähnt,

Anspruchskonkurrenz

zwischen § 1004 I 1 und § 546 I bestehen soll, müsste dann nicht konsequenterweise hier der § 985 den § 1004 I 1 verdrängen? Es handelt sich bei dem Verhalten doch um eine Entziehung oder Vorenthaltung des Grundstücks. Höchstens könnte hier noch eine Einschränkung bzgl. der Unterscheidung von Grundstück und Wohnung (vgl. WEG) gemacht werden, da die Vorenthaltungsmöglichkeiten bei einer Wohnung (mittels Schlüssel) natürlich praktisch umsetzbarer ist. Trotzdem könnte dies auch bei einem Grundstück in Frage kommen.

LMA

Lt. Maverick

26.5.2025, 13:29:31

Es hängt wohl maßgeblich vom Anspruchsziel ab. Möchte V, dass M ihm den unmittelbaren Besitz am Grundstück herausgibt, dann wäre §

985 BGB

einschlägig.

§ 1004 BGB

wäre nicht anwendbar. Möchte V aber zugleich auch den Aufenthalt des M auf dem Grundstück untersagen, dann wäre

§ 1004 BGB

parallel anwendbar. Beim Aufenthalt auf dem Grundstück geht es nicht um

besitzrecht

liche Positionen, sondern um die tatsächliche Einwirkung durch physische Anwesenheit oder Nutzung des Grundstücks durch den Störer. Der Störer könnte zugleich §

123 StGB

verwirklichen (§

§ 1004 BGB analog

iVm

823 II BGB

, §

123 StGB

). Das macht insoweit auch Sinn, denn würde der Eigentümer z.B. lediglich auf Herausgabe klagen, bestünde jedenfalls bei einem Grundstück die

Gefahr

, dass der Mieter dieses dennoch nicht verlässt oder wieder aufsuchen könnte. Auch wäre

§ 1004 BGB

neben §

985 BGB

anwendbar, wenn der nichtberechtigte Besitzer die Sache verschlechtert: z.B. möchte der Eigentümer Herausgabe des Besitzes und zugleich Beseitigung des Mülls, den der nichtberechtigte Besitzer auf dem Grundstück hinterlässt. Der Eigentümer könnte zwar selbst für die Müllentsorgung aufkommen, es bestünde dann jedoch nur ein

Schaden

sersatzanspruch (§§ 989 ff. BGB) und gerade kein

Beseitigungsanspruch

. Der

Beseitigungsanspruch

kann aber regelmäßig zielführender sein, wenn der Störer z.B. nicht solvent ist und der Eigentümer schlimmstenfalls auf dem

Schaden

sitzen bleiben könnte (vgl. § 887 ZPO). §

985 BGB

ist nur ein Auskehrungsanspruch,

§ 1004 BGB

hingegen ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch.


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