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Klassisches Klausurproblem

Prokuristin P ist im Betrieb der Inhaberin O angestellt. Sie nimmt, ohne dies zu dürfen, im Namen des Betriebs ein Darlehen auf. Dadurch wird der Betrieb geschädigt.

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Einordnung des Falls

Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn P die ihr durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen sie zu betreuen hat, Nachteil zufügt, erfüllt sie den objektiven Tatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Der Missbrauchstatbestand erfasst Konstellationen, in denen dem Täter eine rechtliche Befugnis eingeräumt ist, nach außen rechtswirksam über fremdes Vermögen zu verfügen bzw. einen anderen schuldrechtlich zu verpflichten. Diese Befugnis missbraucht er, indem er die im Innenverhältnis bestehenden Schranken überschreitet und den vertretenen Treugeber im Außenverhältnis rechtswirksam bindet und so schädigt.§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB normiert als lex specialis für das Treueverhältnis engere Kriterien. In der Klausur sollte immer mit dieser Alternative als dem spezielleren Delikt begonnen werden. Bei Bejahung erübrigt sich die Prüfung der Alt. 2.
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2. P hat eine rechtliche Befugnis missbraucht.

Ja!

Die rechtliche Befugnis kann durch Gesetz, Rechtsgeschäft oder behördlichen Auftrag eingeräumt sein, wobei Überschneidungen vorkommen. Rechtsgeschäftliche Befugnisse ergeben sich insbesondere aus Vollmachten (§§ 164ff. BGB).P hat entgegen der Beschränkung im Innenverhältnis mit der Aufnahme des Darlehens ein Rechtsgeschäft abgeschlossen. Aufgrund ihrer nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht (§§ 49, 50 HGB) hat sie die Inhaberin O schuldrechtlich verpflichtet und so geschädigt.

3. Nach der Rspr. und h.M. verlangt der objektive Tatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB neben dem Missbrauch einer rechtlichen Befugnis wie die Alt. 2 die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht.

Genau, so ist das!

Zwar enthält § 266 Abs. 1 StGB zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände (den Missbrauchs- und den Treuebruchstatbestand). Die zwei Alternativen werden durch das „oder“ nach dem „missbraucht“ (erster Halbsatz) getrennt. Der letzte Halbsatz am Ende „und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt.“ bezieht sich nach h.M. auf beide Alternativen. Danach ist Voraussetzung, dass der Täter eine bestimmte Vermögensbetreuungspflicht verletzt und dem fremden Vermögen einen Nachteil zufügt (Vermögensschaden im Sinne der §§ 263, 253 StGB).

4. P hatte eine Vermögensbetreuungspflicht.

Ja, in der Tat!

Das Tatbestandsmerkmal der Vermögensbetreuungspflicht wird restriktiv interpretiert (um eine konturenlose Ausdehnung des Tatbestands zu verhindern und das spezifische Untreueunrecht zu charakterisieren). Sie wird anhand von zwei Kriterien festgestellt: (1) Die Pflicht muss eine Hauptpflicht sein und darf im Treueverhältnis nicht nur untergeordnete Bedeutung haben. (2) Die Tätigkeit muss Freiraum für eigenverantwortliche Entscheidungen geben (Kriterium der Selbständigkeit). Berufsgruppen mit selbständiger Stellung, denen typischerweise Vermögensbetreuungspflichten im Sinne des § 266 StGB obliegen, sind neben Rechtsanwälten, Steuerberatern, Vorständen, Geschäftsführern auch Prokuristen.
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