Tatsächliche Vermutung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B ist mit dem von ihm geführten Fahrzeug auf gerader Strecke von der Straße abgekommen und mit dem Fahrzeug des K zusammengeprallt, das sich ordnungsgemäß im Gegenverkehr befand. Im Prozess streiten die Parteien darum, ob B schuldhaft gehandelt hat.

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Einordnung des Falls

Tatsächliche Vermutung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Greift eine sogenannte „tatsächliche Vermutung“ (=Anscheinsbeweis), kommt es für den Begünstigten zu einer Verkürzung der Darlegungs- und Beweislast.

Ja, in der Tat!

Die Beweismittel der ZPO ermöglichen die Wahrheitsfindung aufgrund der Umstände des Einzelfalles. Demgegenüber finden Vermutungen ihre Grundlage in besonders zuverlässigen Erfahrungssätzen, die nicht auf individuellen, sondern auf typischen Sachverhaltsgestaltungen aufbauen. Zu unterscheiden sind gesetzliche und tatsächliche Vermutungen. Tatsächliche Vermutungen entspringen keiner gesetzlichen Norm, sondern sind das Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung. Es handelt sich um Erfahrungssätze, die so zwingend sind, dass sie stets den Schluss entweder auf einen bestimmten Geschehensablauf oder eine bestimmte Folge zulassen.
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2. Eine tatsächliche Vermutung besteht aus Vermutungsgrundlage und Vermutungsfolge.

Ja!

Auf der Grundlage einer tatsächlichen Vermutung schließt man unter Rückgriff auf einen Erfahrungssatz auf das Vorliegen einer bestimmten Gegebenheit. Der im konkret anstehenden Fall einschlägige Erfahrungssatz kann sich sowohl auf Ursachen als auch auf deren Wirkungen beziehen. Es können sich strukturell also zwei unterschiedliche Erfahrungssätze ergeben: 1. Immer wenn die Folge A eingetreten ist, so ist sie in aller Regel durch B verursacht. 2. Immer wenn die Ursache A vorliegt, ist die Folge B darauf zurückzuführen. In beiden Sätzen bildet A jeweils die Vermutungsgrundlage und B die Vermutungsfolge.

3. Zugunsten des K greift eine tatsächliche Vermutung. Er muss die konkreten Ursachen der Unfallentstehung, vor allem die für ein Verschulden sprechenden Umstände, nicht darlegen und beweisen.

Genau, so ist das!

Nach der Lebenserfahrung hat derjenige, der auf gerader übersichtlicher Strecke von der Straße abkommt (Vermutungsgrundlage), die Pflicht zur Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt und den Unfall schuldhaft verursacht (Vermutungsfolge) = immer wenn die Folge A eingetreten ist, so ist sie in aller Regel durch B verursacht worden.

4. Der Gegner kann sich – wie auch bei der gesetzlichen Vermutung – gegen die tatsächliche Vermutung verteidigen.

Ja, in der Tat!

Ebenso wie im Fall der gesetzlichen Vermutung kann der Gegner sich bereits gegen die Vermutungsgrundlage wenden, aus der der Erfahrungssatz folgt. Bestreitet B, von der Straße abgekommen zu sein, zwingt dies K dazu, den Sachverhalt zu beweisen (hinsichtlich der Vermutungsgrundlage bleiben die allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast). Ist die Vermutungsgrundlage unstreitig oder bewiesen, kann der Gegner entweder den Erfahrungssatz als solchen bestreiten oder die Vermutung dadurch erschüttern, dass er die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs darlegt und beweist.
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