Rücktritt beendeter Versuch - ernsthaftes Sichbemühen - Abergläubische Rettungsbemühungen


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T vergiftet O mit Tötungsvorsatz. Dass die Menge nicht tödlich ist, ahnt T nicht. Kurz darauf bereut T die Tat und betet zu Asklepios, dem Gott der Heilkunde, dass dieser O das Leben rette. Als O überlebt, ist T überglücklich und weiht dem Gott einen neuen Altar.

Einordnung des Falls

Rücktritt beendeter Versuch - ernsthaftes Sichbemühen - Abergläubische Rettungsbemühungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Tat wurde ohne Zutun der T nicht vollendet (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB).

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Genau, so ist das!

Nichtvollendung ohne Zutun des Täters meint, dass die (Rettungs-)Handlung des Täters nicht kausal für das Ausbleiben des Erfolges war. Erforderlich ist also das Ausbleiben des Erfolges und die fehlende Kausalität einer Handlung des Täters. Dass T zu Asklepios gebetet hat, war nicht kausal für das Ausbleiben des Todes. Kausal war allein die Untauglichkeit des Tatmittels, also die nicht tödliche Menge des Gifts.

2. T hat sich nach der herrschenden Meinung „bemüht“, den Erfolg zu verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein Sichbemühen liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich eine Handlung vornimmt, die nach seiner Vorstellung geeignet ist, den Erfolg zu verhindern und den in Gang gesetzten Kausalverlauf zu unterbrechen. Bei irrealen Rettungsversuchen lehnt die herrschende Meinung einen Verhinderungsversuch ab, da ein Gebet im rechtlichen Sinne nicht Ursache sein kann. Das Gebet kann nicht Ursache im Rechtssinne sein. T wollte keine Ursache in diesem Sinne setzen, die dazu dienen könnte, den Erfolgseintritt zu verhindern. Nach anderer Ansicht kann auch irreales Handeln ausreichen, da es auf die subjektive Vorstellung des Täter ankommt und dieser auch töricht handeln kann.

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EB

Elias Von der Brelie

6.6.2023, 18:11:53

Es kommt also nach herrschender Meinung nur auf die Subjektive Vorstellung des Täters an, es sei denn die Subjektive Vorstellung des Täters ist Objektiv schlecht? Warum wird sowas nie in den Definitionen erwähnt? Man soll strikt der Definition folgen, es sei denn die Definition bringt nicht das gewünschte Ergebnis. Das fühlt sich manchmal ein wenig willkürlich an.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.6.2023, 18:55:50

Hallo Elias, hier musst Du etwas aufpassen. Maßgeblich für Dich als Rechtsanwender ist in erster Linie das Gesetz. Nach § 24 Abs. 1 S. 2 StGB heißt es hierzu, dass der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemühen muss. Diese vage Formulierung muss nun mit Leben gefüllt werden. Dies erfolgt durch die Rechtsprechung und Literatur. Deren Bemühungen enden dann oftmals in Definitionen, die auf die meisten Regelfälle anwendbar ist. Daneben gibt es aber stets auch Grenzfälle. Maßgeblich ist bei diesen aber nicht die aufgestellte Definition, sondern allein der Gesetzeswortlaut. Es handelt sich also um eine Wertungsfrage. Kann man wirklich von einem "ernsthaften Bemühen" sprechen, wenn der Täter etwas unternimmt, wenn er sich metaphysisch-irrealer Kräfte bedient (Beten, Geisterbeschwörung)? Wie Du völlig richtig einwendest, müsste man dies bejahen - zumindest wenn der Täter daran glaubt, dass das hilft. Der wohl größere Teil der Literatur scheint dies dagegen abzulehnen, da sie gänzlich ablehnen, dass hierbei ein Verhindern im Rechtssinne vorliegt (MüKoStGB/Hoffmann-Holland, 4. Aufl. 2020, StGB § 24 Rn. 149). Du kannst hier also durchaus anderer Meinung sein. Ausgangspunkt sollte aber stets das Gesetz und die gängigen Auslegungsmethoden (Wortlaut, Systematik, Telos, Historie) sein. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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