Räuberischer Diebstahl nach § 252 StGB: Subjektiver Tatbestand


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T hat gerade einen Diebstahl verübt und setzt sich in sein Auto, um sich vom Tatort zu entfernen. T bemerkt, wie sich O sein Autokennzeichen notiert. Er steigt aus und zwingt O gewaltsam, dies zu unterlassen, um so zu verhindern, dass seine Spur verfolgt und ihm die Beute später abgenommen werden kann.

Einordnung des Falls

Räuberischer Diebstahl nach § 252 StGB: Subjektiver Tatbestand

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen (§ 252 StGB).

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Genau, so ist das!

Räuberischer Diebstahl ist ein selbständiges, raubähnliches Sonderdelikt, das wie der Raub das Eigentum und die Freiheit der Willensbetätigung schützt. Wer mittels Gewalt/Drohungen auf frischer Tat noch ungesicherten Gewahrsam sichern möchte, ist genau so gefährlich und strafwürdig wie ein Räuber, der Gewalt/Drohungen zur Erlangung des Gewahrsams einsetzt. § 252 StGB greift in einem bestimmten zeitlichen Stadium ein, nämlich wenn das Nötigungsmittel nach Vollendung, aber vor Beendigung des Diebstahls (§ 242 StGB) eingesetzt wird.

2. Der subjektive Tatbestand des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) setzt neben Vorsatz noch eine weitere Komponente, die Besitzerhaltungsabsicht, voraus.

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Ja, in der Tat!

Der Täter muss zunächst vorsätzlich hinsichtlich der Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale handeln. Ausreichend ist dafür dolus eventualis. Darüber hinaus verlangt § 252 StGB noch Besitzerhaltungsabsicht; Absicht meint dabei dolus directus 1. Grades. Diese Besitzerhaltungsabsicht muss Ziel oder Zwischenziel des Täters sein. Sie braucht aber nicht die einzige Motivation des Täters zu sein. Es wird vielmehr der Regelfall sein, dass der Täter neben der Beutesicherung auch seine eigene Flucht beabsichtigt. Ausreichend ist, dass die Besitzerhaltungsabsicht für die Tat mitprägend ist.

3. T handelte hier mit Besitzerhaltungsabsicht.

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Nein!

Zur Besitzerhaltungsabsicht gehört der Wille, eine Entziehung des gerade erlangten Gewahrsams zu Gunsten des Bestohlenen zu verhindern. Die Entziehung muss – zumindest nach Tätervorstellung – bereits gegenwärtig sein oder unmittelbar bevorstehen. § 252 StGB erfüllt also nicht, wer die Notierung seines Kennzeichens nur in der Befürchtung gewaltsam verhindert, die Beute könne ihm später abgenommen werden. T hat hier keine Gewalt gegen eine andere Person verübt, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten. Er hätte nämlich ungehindert wegfahren können, ohne dass O in irgendeiner Weise ihm den Besitz an dem gestohlenen Gut hätte streitig machen können.

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JURA

Juranus

22.12.2020, 23:35:42

Wie eng ist denn dieser zeitliche Zusammenhang zu sehen. Ich kann noch nachvollziehen, dass § 252 StGB nicht vorliegt, wenn der Täter lediglich, wie anscheinend hier, eine effektive Strafverfolgung verhindern möchte. Was wäre denn, wenn der Täter fürchten würde, der Zeuge gibt das Kennzeichen telefonisch an die Polizei und er wird noch mit der Beute im Auto von der Polizei gestellt. Läge dann ein Fall des § 252 StGB vor?

TJU

Tr(u)mpeltier junior

23.12.2020, 21:04:38

Interessantes Beispiel :). Nach meiner Erinnerung aus dem Studium ist für 252 StGB maßgeblich, dass der Diebstahl vollendet, aber noch nicht beendet ist. Beendigung tritt erst dann ein, wenn der Täter seine Beute hinreichend gesichert hat, regelmäßig also zB in seinem versteck bzw zuhause. In dem von dir gebildeten Fall, in dem der Täter noch dabei ist, diesen gesicherten Gewahrsam zu erlangen, dürfte mE nach gut vertretbar 252 StGB angewandt werden können (entsprechende Taten während der fluchtfahrt sind durchaus nicht unüblich in klausuren).

I-m-possible

I-m-possible

29.7.2022, 19:00:22

Ich sehe dies hier in Hinblick auf den vorigen Zug-Abteilfall kritisch. Dort hat der Täter zwar seine Beute in sein Versteck (anderes Abteil) gebracht aber es ist nicht gänzlich vor dem Besitzentzug sicher. Dort einen §252 abzulehnen finde ich gewöhnungsbedürftig.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.8.2022, 12:42:21

Hallo I-m-possible, der Unterschied zwischen den beiden Fällen liegt im zeitlichen Ablauf. Hier folgte die Entdeckung unmittelbar nach der Wegnahme, aber der Besitz war durch die Notierung des Kennzeichens nicht gefährdet. In dem von dir angesprochenen Zugabteil-Fall konnte sich der Täter zwar noch nicht des Besitzes sicher sein, allerdings waren zwischen Wegnahme und Entdeckung Stunden vergangen. Dieser zeitliche Verzug unterbricht den Zusammenhang und der Täter ist nicht mehr "auf frischer Tat" betroffen. Daher scheidet § 252 StGB genauso aus, wie hier mangels Besitzerhaltungsabsicht. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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