Öffentliches Recht
Baurecht: Bauplanungsrecht
Anwendungsbereich des Bauplanungsrechts
Änderung baulicher Anlage 2/ bodenrechtliche Relevanz
Änderung baulicher Anlage 2/ bodenrechtliche Relevanz
22. März 2025
15 Kommentare
4,9 ★ (22.045 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Eigentümer R plant, den verfallenen 70er-Jahre Bungalow auf seinem neu erworbenen Grundstück abzureißen. Seine Tochter, die Jura studiert, gibt R zu bedenken, dass er womöglich die bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 30ff. BauGB einhalten muss.
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Einordnung des Falls
Änderung baulicher Anlage 2/ bodenrechtliche Relevanz
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Vorhaben muss sich an den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen messen lassen, wenn es eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 BauGB zum Gegenstand hat.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Bungalow stellt eine bauliche Anlage i.S.d § 29 BauGB dar.
Genau, so ist das!
3. Neben der Errichtung erfüllt auch die Änderung und Nutzungsänderung einer baulichen Anlage den Tatbestand des § 29 Abs. 1 BauGB.
Ja, in der Tat!
4. Der Abriss einer baulichen Anlage ist eine Änderung i.S.d. § 29 BauGB. R muss die geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 30ff. BauGB einhalten.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
7.9.2022, 09:43:42
Wird dazu auch eine Gegenansicht vertreten. Der Abriss eines Gebäudes und insbesondere seine gedachte Häufung hat eine enorme städtebauliche Relevanz.

Nora Mommsen
13.9.2022, 15:50:53
Hallo QuiGonTim, eine Nebenansicht konnte ich in der einschlägigen Kommentarliteratur nicht finden. Krautzberger/BauGB sagt dazu: "Planungsrechtlich relevant nach Abs. 1 wird ein Vorhaben, wenn es die Errichtung, die Änderung oder die Nutzungsänderung einer baulichen Anlage zum Gegenstand hat. Dabei ist unter Errichtung der Neubau, die erstmalige Herstellung oder die Aufstellung einer baulichen Anlage an einem bestimmten Standort zu verstehen. Auch die Wiederherstellung einer zerstörten Anlage ist eine Errichtung im Rechtssinne. Unter Änderung ist die Änderung der Substanz einer baulichen Anlage in städtebaulich relevanter Weise zu verstehen, d. h. der Umbau, der Ausbau, die Erweiterung, Verkleinerung oder auch die Veränderung des Nutzungsmaßes [...]. Nicht darunter fällt der vollständige oder teilweise Abriss, sofern letzterer nicht zugleich mit Änderungen an dem Restbestand der baulichen Anlage verbunden ist. (Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB § 29 Rn. 17). Dies deutet schon der Wortlaut des §
29 BauGBan. Auch Jeromin im Nachbarrechtskommentar deutet den Wortlaut entsprechend, und widerspricht einer den Abriss umfassenden Auslegung. Dafür führt er unter anderem historische Gründe an: [... dem] steht historisch entgegen, dass Abbruch und Beseitigung baulicher Anlagen bis 1976 bundesrechtlich geregelt waren, aber in den neuen §
29 BauGBnicht mehr aufgenommen wurden. Im Zuge der Novellierung im Jahr 1976 wurde nur der Begriff der baulichen Anlage in §
29 BauGBneu gefasst und teils erweitert, der Rückbau aber nicht in die Definition des Vorhabenbegriffs aufgenommen. Dies rechtfertigt allein den Schluss, dass die Anwendung der §§ 30 ff. BauGB auf Rückbau und Beseitigung baulicher Anlagen ausgeschlossen sein soll. (Jeromin et al., StichwortKommentar Nachbarrecht, Abriss Rn. 11, beck-online). Ich frage mich zudem welche Belange davon betroffen werden sollen, denn es bleibt ja grundsätzlich bebaubare Grundstücksfläche. Weniger Bebauung führt aber jedenfalls zu weniger versiegelten Böden, besserer Luft durch Pflanzen, mehr Biodiversität, weniger Immissionen für die umliegenden Grundstücke, es wird kein Licht oder ähnliches abgehalten. Das einzige Belang das auffällt, ist der Denkmalschutz. Dieses wird jedoch gewahrt durch entsprechende Vorschriften des Denkmalschutzes, die bestimmte Gebäude unter Schutz stellen. Außerhalb dessen ist aber kein Belang im Sinne des § 1 Abs. 5, 6 BauGB betroffen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Peter
12.7.2023, 18:48:56
Anmerkung: Zumindest in Hessen ist gemäß § 62 I 1 Alt. 6 HBO auch der Abbruch von baulichen Anlagen grundsätzlich genehmigungsbedürftig :)
Diaa
25.7.2023, 13:43:14
Hey @Peter in § 63 HBO ist die Befreiung geregelt.
Peter
25.7.2023, 13:49:45
Das ist korrekt. :) Allerdings ist der Abbruch nur Genehmigungsfrei unter den zusätzlichen Voraussetzungen der Anlage zur HBO IV Nrn. 1 bzw 2 iVm V Nr. 6. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Genehmigungspflicht eines Abbruches. :)

rlaw
3.3.2024, 15:27:38
Kein Wunder dass ich das eben falsch gemacht habe :((

FalkTG
13.12.2024, 20:33:14
Wie sieht es aus wegen Denkmalschutz?

Nils
31.1.2025, 20:35:40
Ein Bungalow aus den 70ern ist nichts Besonderes. In meiner näheren Umgebung stehen davon reichlich. Anhaltspunkte, die hier auf einen solchen Schutzwert schließen lassen, gibt der Sachverhalt m.M.n. nicht her.

Nils
31.1.2025, 20:47:17
Bzgl. des Vertiefungshinweises: In Hamburg wird auch für die Beseitigung im Grundsatz eine Baugenehmigung benötigt, § 59 Abs. 1 HBauO.