Zivilrecht
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Die Leistungskondiktion
Kondiktionsausschluss nach § 814: Anstandspflicht
Kondiktionsausschluss nach § 814: Anstandspflicht
24. Januar 2025
28 Kommentare
4,9 ★ (22.258 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G ist in einem Restaurant essen. Er denkt, er sei gesetzlich zu einer Zahlung eines Trinkgelds an die Kellnerin in Höhe von ca. 10 % verpflichtet. Er bezahlt daher insgesamt €20 bei der K, bei einer Rechnung von €18. K darf mit Erlaubnis Ihres Chefs Trinkgelder stets für sich behalten.
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Einordnung des Falls
Kondiktionsausschluss nach § 814: Anstandspflicht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G war zur Zahlung des Trinkgelds gesetzlich verpflichtet.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Genau, so ist das!
3. K hat das Eigentum am Geld „durch Leistung“ des G (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erlangt.
Ja, in der Tat!
4. G hat die Leistung an K "ohne rechtlichen Grund" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erbracht.
Ja!
5. Der Anspruch auf Rückforderung des G ist ausgeschlossen, da es sich bei der Leistung um eine Anstandspflicht handelt (§ 814 Alt. 2 BGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ErdbärIn
30.10.2020, 20:32:44
Ich bin ein bisschen verwundert über die Trink
geldhöhe und darüber, dass das noch unter die Anstandspflicht nach §
814Alt. 2 BGB fällt. Wahrscheinlich waren eigentlich 2 statt 20 Euro gemeint?
![Eigentum verpflichtet 🏔️](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_99723.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Eigentum verpflichtet 🏔️
30.10.2020, 21:45:11
Hallo ErdbärIn, danke für den Kommentar, es war ein bisschen einfach zu überlesen, aber G bezahlt insgesamt 20€ bei einer Rechnung von 18€. Also 2€ Trink
geld, haben das Wort "insgesamt" im Sachverhalt ergänzt, damit es klarer wird.
ErdbärIn
30.10.2020, 22:32:18
Ach alles klar, so war es gemeint. Vielen Dank!
![w.laura.l](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_106744.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
w.laura.l
20.1.2021, 16:10:47
Müssten hier dann nicht 1,80€ Trink
geldanfallen, wenn man von 10% ausgeht? Das Trink
gelderrechnet sich ja anhand der Rechnung - nicht anhand der Rechnung inkl. Trink
geld. Andernfalls könnte man auch die Rechnung auf 20€ setzen und den Gesamtbetrag auf 22€. Dann hätte man 10% Trink
geld. Wäre super, wenn man die Rechnung mal prüfen könne
![ri](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__kdf6betoz793d2rl998m1leb3.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
ri
21.7.2021, 05:29:42
Im SV steht „ca“
![antoniasophie](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__xukxuvprtifexptlkgkrk.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
antoniasophie
8.4.2022, 23:35:30
Juristen sind keine Mathematiker!
![Tigerwitsch](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_2840.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Tigerwitsch
11.3.2021, 22:37:24
Wie wäre es eigentlich, wenn G ein sehr hohes Trink
geldgibt, weil er denkt, er sei dazu verpflichtet? (mal ganz hypothetisch: G denkt, es seien 40% Trink
geld„Pflicht“) Würde dann trotzdem §
814Alt. 2 BGB greifen? Mit anderen Worten: Aus Kommentaren habe ich entnommen, dass es auf die objektive Sicht ankommt (und nicht subjektiv). Kommt es also darauf an, was ein „objektiv angemessenes“ Trink
geldwäre - oder ob es „objektiv“ angemessen ist, einmal gegebenes Trink
geldnicht zurückzufordern?
![Tigerwitsch](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_2840.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Tigerwitsch
11.3.2021, 22:46:13
(Meine Überlegung: Wenn schon Unterhaltsleistungen an Verwandte, denen gegenüber keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, nicht zurückgefordert werden dürfen, muss dies erst recht für Trink
gelder gelten. Vgl. Palandt/Sprau, 78. Auflage 2019, §
814Rn. 9 (dort ist jedoch - deshalb meine Frage - von der Gewährung „üblicher“ Trink
gelder die Rede).
hagenhubl
6.5.2024, 12:31:41
Wieso bist du der Ansicht, dass jemand der Trink
geldbekommt schutzwürdiger ist als jemand der Verwandtenunterhalt bekommt? Der Verwandte gehört immerhin zur Familie, während zum Beispiel ein Kellner in der Regel eine wildfremde Person ist.
Doli
5.9.2022, 13:53:29
Bzgl der Leistung: wenn die Zweckbestimmung nach dem obj.
Empfängerhorizontauszulegen ist, liegt doch viel mehr eine
donandi causastatt einer
solvendi causavor, weil es nicht darauf ankommt was G sich dabei dachte, wenn das für den Empfänger nicht erkennbar war (G dachte er erfüllt eine Verbindlichkeit, ein Empfänger würde denken er vollzieht eine Schenkung), oder nicht?
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Nora Mommsen
5.9.2022, 17:34:41
Hallo Doli, das Vorliegen einer Leistung als solcher ist aus dem
objektiver Empfängerhorizontzu beurteilen. Dies ist insbesondere für Dreipersonenverhältnisse relevant. Die Zweckbestimmung ist aus Sicht des Leistenden zu beurteilen, denn nur so kann ermittelt werden, ob der mit der Leistung verfolgte Zweck auch tatsächlich vorliegt oder fehlt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
17.11.2022, 15:36:46
Könnte als rechtlicher Grund nicht ein normaler Schenkungsvertrag angenommen werden? Handlungswille und Erklärungswille sind gegeben (bzw selbst wenn nicht, es gibt ja das potentielle Erklärungsbewusstsein). Nur der
Geschäftswillefehlt. Zudem ist auch der obj.
Tatbestandeiner WE einschlägig, man kann ja grundsätzlich davon ausgehen, dass bei der Zahlung von Trink
geldeine auf Schließung eines Schenkungsvertrages gerichtete Willenserklärung vorliegt. Damit es also am rechtlichen Grund fehlt, müsste G noch anfechten oder nicht?
![MaxCarl](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__wjfhykrduejofpbjiktrp.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
MaxCarl
17.5.2023, 19:54:09
Daran habe ich tatsächlich auch gedacht, wäre mal spannend, darauf eine Antwort zu erhalten
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Nora Mommsen
23.5.2023, 17:48:43
Hallo ihr beiden, ein Schenkungsvertrag setzt voraus das eine Partei eine Leistung erbringen muss, ohne dafür irgendeine Art der Gegenleistung zu erhalten. Wenn wie vorliegend, G sich vorstellt gesetzlich zu Trink
geldverpflichtet zu sein, wenn er einen Service erhalten hat liegt dies gerade nicht vor. Daher ist ein Schenkungsvertrag in dieser Konstellation eher abzulehnen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
hagenhubl
6.5.2024, 12:23:03
Wieso ist Trink
geldkeine Schenkung? Der Gast bezahlt doch für den Service die Rechnung und die Kellnerin bekommt Lohn für ihre Arbeit.
Vanilla Latte
21.7.2024, 00:19:02
Es kann sich beim Trink
geldum eine Schenkung handeln. Hier gab es aber keine Vereinbarung, sondern derjenige ist davon ausgegangen, dass er bereits zur Leistung verpflichtet war. Denke ich...
![CR7](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__asxgqciisfdssowovcqmb.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
CR7
4.1.2024, 12:59:07
![Paulah](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__ihwwpdflqbaactumwyzyt.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Paulah
5.1.2024, 22:48:10
Ja, mache ich, aber nur beim Essen im Lokal. Ich runde meistens irgendwie von 1,80 auf 2 Euro oder von 13,60 auf 15 Euro. Etwas merkwürdig finde ich allerdings die neue Sitte, die ich schon mehrfach beobachtet habe: Da wird Trink
geldgegeben, wenn man das Essen selbst im Dönerladen oder der Pizzabude holt. Da würde es mir im Traum nicht einfallen, Trink
geldzu geben - ich leiste den Service ja selbst. :-)
![Steinfan](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__eoaayhncckemedcgfoyyw.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Steinfan
3.4.2024, 18:07:16
Für eine ikonische Argumentation zum Thema Trink
geldverweise ich nur auf die Anfangssequenz in „Reservoir Dogs“ von Tarantino.
![Martin](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__28e1vs941zjd2x4zme8nji7lu.jpeg%3Ftype%3Draw&w=64&q=75)
Martin
2.8.2024, 17:47:29
Hallo zusammen, Warum liegt beim Trink
geldnicht regelmäßig eine
Handschenkungvor? Indem er den 20€ gibt und sagt: „stimmt so“ liegt ein Angebot und in dem Bedanken eine Annahme. Dann wäre mit Rechtsgrund geleistet. Ich weiß der SV macht hier dazu keine Angaben. Aber generell liegen doch in 99% dieser Alltagsfälle zwei übereinstimmende Willenserklärungen dahingehen vor, dass die Bedienung unentgeltlich den Rest behalten soll. LG Martin
Quarklo
13.8.2024, 17:37:56
In der Regel wird das so sein. Hier wurde aber aus didaktischen Gründen ein Sachverhalt konstruiert, in welchem der Leistende von einer Verpflichtung ausgeht, um auf den §
814zu sprechen zu kommen.
Timurso
17.10.2024, 20:05:29
@[Quarklo](252534) Dass der Leistende von einer Verpflichtung ausgeht, dürfte aber nichts daran ändern, dass seine
Übereignungvon 20 € bei
Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizontals Angebot auf eine Schenkung in Höhe der 2 € auszulegen wäre. Oder anderer Vertragstyp, spielt hier ja keine Rolle. Dass der Leistende sich über seine Leistungspflicht irrt, ist als
fehlendes Erklärungsbewusstseinnur dann für die Qualifikation als Willenserklärung beachtlich, wenn er es nicht hätte erkennen können. Ich würde jedoch durchaus behaupten, dass er hätte wissen und erkennen können, dass eine solche Pflicht nicht besteht. Somit ist ein Vertrag zustande gekommen und ein Rechtsgrund besteht. Er könnte höchstens anfechten. Ich sehe durchaus ein, dass der Fall aus didaktischen Gründen so versucht wurde zu konstruieren, aber da lässt sich bestimmt ein besserer finden, wo man sich nicht verbiegen muss, um auch zu
§ 814 BGBzu kommen.