Zivilrecht
Bereicherungsrecht
Die Leistungskondiktion
Treuwidrige Verhinderung des Erfolgseintritts, § 815 Alt. 2 BGB
Treuwidrige Verhinderung des Erfolgseintritts, § 815 Alt. 2 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V und K schließen beim Notar einen Grundstückskaufvertrag zu einem Kaufpreis von € 100.000, um Steuern zu sparen. Tatsächlich haben sie sich aber über einen Kaufpreis von €200.000 geeinigt, die K auch bezahlt. Noch vor Eintragung ins Grundbuch, baut K umfangreich um, wodurch Schäden entstehen. K veranlasst daraufhin den Notar, den Antrag auf Umschreibung beim Grundbuchamt zu unterlassen und verlangt von V die €200.000 zurück.
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Einordnung des Falls
Treuwidrige Verhinderung des Erfolgseintritts, § 815 Alt. 2 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es bestand ein wirksamer Kaufvertrag (§ 433 BGB) zwischen K und V.
Nein, das trifft nicht zu!
3. K hat mit der Leistung seinen Leistungszweck verfehlt (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB)
Ja!
4. Der Anspruch auf Rückforderung ist ausgeschlossen, weil K wusste, dass er zur Zahlung nicht verpflichtet war (§ 814 Alt. 1 BGB)
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Der Anspruch auf Rückforderung ist ausgeschlossen, weil K den Eintritt des Erfolgs wider Treu und Glauben verhindert hat (§ 815 Alt. 2 BGB)
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
chuck lawris
13.2.2022, 09:13:53
Ich schnalls nicht. V hat ein Haus und einigt sich mit K auf Übertragung. Und vor der Übertragung, also vor der Auflassung nimmt "K" Baumaßnahmen vor? Wie funktioniert das? Meint Ihr wirklich K? Also: K baut an Vs Haus herum, bevor es übertragen wird und verhindert so den Eintritt der Übertragung eines mamge Es ist auch schwierig den Fall ohne weitere Angaben zu handlen. Dass es hier darum geht, dass die beiden "bewusst" einen Vertrag über 100.000 schließen, um Notarkosten uä zu sparen, habe ich erst am Ende verstanden.
chuck lawris
13.2.2022, 09:14:53
*Übertragung eines mangelfreien Hause
Lukas_Mengestu
15.2.2022, 18:18:22
Hi Chuck lawris, in der Praxis ist es nicht unüblich, dass der Besitzwechsel schon stattfindet, bevor es zur Eigentumsübertragung kommt. In dem hier zugrundeliegenden Fall war der Vertrag am 9.November 1970 geschlossen worden und der Kaufpreis am 1. März 1971 gezahlt worden. Mit Zahlung des Kaufpreises erfolgte die Übergabe des Grundstückes - zu diesem Zeitpunkt war K aber noch nicht Eigentümerin des Grundstückes. Nichtsdestotrotz konnte sie hier bereits Baumaßnahmen vornehmen. Das Steuersparmodell haben wir im Sachverhalt ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
chuck lawris
15.2.2022, 18:34:21
Alles klar, jetzt läuft's 👍 danke
Lorbeerbekränzte🦩
15.12.2022, 17:26:45
Ich war ehrlich gesagt trotz der Ergänzung verwirrt 😅
Stella2244
7.7.2024, 18:00:38
Ich auch
🔥1312🔥
9.3.2023, 08:35:49
Ist § 817 S. 2 nur auf § 812 I 1 Alt. 1 anwendbar oder spielt der hier keine Rolle, weil es kein entsprechendes gesetzliches Verbot gibt?
ajboby90
25.8.2024, 22:58:23
Mich interessiert auch,ob zusätzlich zu 815 hier auch noch 817 in Betracht käme?
MaxCarl
19.5.2023, 21:29:09
Ich mag mich irren, aber ist der Kaufvertrag nicht nach dem Grundsatz
falsa demonstratio non nocetwirksam? Das wäre sehr fallentscheidend und ich bin über diesen Gedanken gestolpert
se.si.sc
20.5.2023, 09:58:39
Der Grundgedanke ist schon richtig, nur die Folgerung (jedenfalls nach der ganz hM) nicht. Du hast insoweit Recht, als auch hier eine Falschbezeichnung der Parteien vorliegt, sodass letztlich der wirkliche Wille zählt (nichts anderes sagt uns ja auch §
117 BGB). Auffälliger Unterschied zu den üblichen Fällen ist allerdings, dass es sich hier um eine BEWUSSTE
falsa demonstratiohandelt, nicht um eine unbewusste (wie im klassischen Walfisch-/Haifischfleischfall). Jedenfalls bei formbedürftigen Rechtsgeschäften (wie hier dem Verpflichtungsgeschäft über ein Grundstück, 311b I 1 BGB) lässt die (wirklich ganz) hM eine Gleichbehandlung deshalb nicht zu, weil sonst die Formvorgabe leicht umgangen werden könnte. Der beurkundete Vetrag ist damit als
Scheingeschäftnach § 117 I BGB nichtig, der gewollte mangels Einhaltung der Form nach §§ 311b I 1, 125 S 1 BGB ebenfalls (statt vieler Grüneberg, § 311b Rn 36). Bei einer unbewussten Falschbezeichnung wäre es anders (zB bei einer versehentlichen Falschbezeichnung der zu verkaufenden Parzelle oder des Flurstücks), dann würde die ganz hM die Formvorgabe als erüllt ansehen -
falsa demonstratio non nocet.
InDubioProsecco
10.6.2023, 17:16:33
Ich verstehe nicht, warum hier kann Fall von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB vorliegt. V hat hier doch ohne Rechtsgrund geleistet, oder nicht? Oder handelt es sich um einen Fall der "Zweckstaffelung", bei dem § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB vorrangig anzuwenden ist?
CR7
4.1.2024, 19:15:14
Das habe ich mich zunächst auch gefragt @[InDubioProsecco](90290). § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB greift ein, wenn zum Zwecke der
Erfüllung einer Verbindlichkeitgeleistet wird. Hier lag objektiv aber wegen der Unwirksamkeit des ScheinV als auch des tatsächlichen Vertrags (§ 117 I BGB für den ScheinV, §§ 117 II, 125 S. 1, 311b I BGB für den tatsächlichen Vertrag) keine Verbindlichkeit vor. Demnach war K nicht dazu verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen, aber er wollte den Kaufpreis zahlen, damit er über die ex-nunc Heilung nach § 311b I S. 2 BGB Eigentum am Grundstück erlangt. Das hat V gewusst und somit liegt eine
konkludente Zweckabrede vor. Das heißt, dass der Zweck der 200.000 EUR darin lag, eine nicht geschuldete Leistung zu erbringen, um eine nicht geschuldete Gegenleistung (Erfolg) zu erlangen. Das ist vorliegend nicht geschehen, daher § 812 I S. 2 Alt. 2 BGB. Ich bitte um Korrektur, falls ich falsch liege.
CR7
4.1.2024, 19:16:15
Das habe ich mich zunächst auch gefragt @[InDubioProsecco](90290). § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB greift ein, wenn zum Zwecke der
Erfüllung einer Verbindlichkeitgeleistet wird. Hier lag objektiv aber wegen der Unwirksamkeit des ScheinV als auch des tatsächlichen Vertrags (§ 117 I BGB für den ScheinV, §§ 117 II, 125 S. 1, 311b I BGB für den tatsächlichen Vertrag) keine Verbindlichkeit vor. Demnach war K nicht dazu verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen, aber er wollte den Kaufpreis zahlen, damit er über die ex-nunc Heilung nach § 311b I S. 2 BGB Eigentum am Grundstück erlangt, wenn V ihn dann ins GB eintragen lässt. Das hat V gewusst und somit liegt eine
konkludente Zweckabrede vor. Das heißt, dass der Zweck der 200.000 EUR darin lag, eine nicht geschuldete Leistung zu erbringen, um eine nicht geschuldete Gegenleistung (Erfolg) zu erlangen. Das ist vorliegend nicht geschehen, daher § 812 I S. 2 Alt. 2 BGB. Ich bitte um Korrektur, falls ich falsch liege.
Stella2244
7.7.2024, 18:02:12
Danke! @[CR7](145419) das hat sehr geholfen!
Phil
16.6.2024, 10:52:38
Könnte mir nochmal jemand erläutern, wieso
814hier bzw. generell bei einer
condictio ob remgesperrt sein soll? danke
Leo Lee
17.6.2024, 15:09:41
Hallo Phil, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat kann es etwas tricky sein, den Grund hinter der Nichterfassung von
condictio ob remi.R.d.
814nachzuvollziehen. Dafür müssen wir uns zunächst den Wortlaut des
814angucken. Dieser besagt, dass das „zum ZWECKE DER ERFÜLLUNG DER VERBINDLICHKEIT GELEISTETE“ nicht zurückgefordert werden kann…D.h. also, dass
814schon im Tatbestand voraussetzt, dass ZWECKS ERFÜLLUNG geleistet wurde. Zwecks Erfüllung bedeutet also, dass eine VERPFLICHTUNG des Bereicherungsgläubigers bestand, was den klassisches Fall des 812 I 1 Fall 2 darstellt (deshalb wird auch dieser Tabtestand „condcio indebiti“ genannt und das zweite TBM auch als „durch Leistung“ bezeichnet). Und weil
condictio ob rem(was „Zweckverfehlungskondiktion“ bedeutet) voraussetzt, dass nicht zwecks Erfüllung, sondern in bloßer Hoffnung auf Eintreten eines Erfolgs geleistet wird, wird ob rem nicht von
814erfasst, sondern eben nur
condictio indebiti. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Schwab §
814Rn. 4 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Mimi2455
30.8.2024, 14:17:57
Warum geht vorliegend nicht § 812 I 1 Alt. 1 BGB? Durch die Nichtigkeit des Vertrages besteht ja von Anfang an kein Rechtsgrund....
Leo Lee
1.9.2024, 13:26:33
Hallo Mimi2455, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat wird es nicht ganz klar, allerdings scheitert die Leistungskondiktion daran, dass
814auf die LK sehr wohl Anwendung findet. D.h. also, dass die LK nicht durchgeht, weil sie spätestens bei
814rausfliegt. Deshalb stellt sich nur noch die Frage, ob die Kenntnis der Parteien bzgl. des fehlenden Rechtsgrunds einen Bereicherungsanspruch begründet. Weil jedoch bei ob rem die Basis für den Anspruch die Kenntnis fehlenden Rechtsgrunds ist, kann
814bereits logisch nicht hierauf Anwendung finden. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Schwab §
814Rn. 4 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo