Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Entscheidungen von 2018

Abgrenzung: Versuchte oder vollendete Absatzhilfe

Abgrenzung: Versuchte oder vollendete Absatzhilfe

13. Juni 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: G läuft einen Hydraulikhammer, den T gestohlen hat, in einem LKW zur Lagerung.

T stiehlt einen Hydraulikhammer. Diesen will G für T an dessen Abnehmer in Kroatien gegen Belohnung verkaufen. Absprachegemäß lädt G den Hammer in seinen Lkw und lagert ihn dort einige Tage bis zum geplanten Transport. Kurz vor der Abfahrt wird der Hammer sichergestellt.

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Einordnung des Falls

In dieser Entscheidung grenzt der BGH Versuch und Vollendung der „Absatzhilfe“ im Rahmen der Hehlerei ab. Während die ältere Rspr. schon die Absatzbemühungen für die Vollendung ausreichen ließ, verlangt der BGH einen Absatzerfolg, also die Übertragung der Verfügungsgewalt auf den Erwerber. Schon der allgemeine Sprachgebrauch unterscheide zwischen dem erfolgreichen Absetzen und bloßen Absatzbemühungen. Im vorliegenden Fall wurde aber das Tatobjekt sichergestellt, bevor es zu einem Absatzerfolg kam. Die Absatzhilfe ist nicht vollendet.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat G sich wegen Hehlerei nach § 259 Abs. 1 Var. 1 StGB („Sichverschaffen") strafbar gemacht, indem er den Hydraulikhammer in seinem Lkw lagerte?

Nein, das trifft nicht zu!

Den Hammer hat ein anderer, nämlich der T, durch Diebstahl erlangt. Fraglich ist, ob die Tathandlung des Sichverschaffens erfüllt ist. Sichverschaffen ist die Herstellung eigener Herrschaftsgewalt über die Sache im Einverständnis mit dem Vortäter. Der Hehler muss die Sache zur eigenen Verfügungsgewalt erlangen und zwar in dem Sinn, dass er über diese als eigene oder zu eigenen Zwecken verfügen kann und dies auch will. G hat einvernehmlich mit dem Vortäter T Gewahrsam an dem Hammer erlangt. Er sollte aber den Hammer für T verkaufen. Damit wurde ihm - trotz faktischer Zugriffsmöglichkeit - keine Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken eingeräumt.
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2. Hat G sich wegen Hehlerei nach § 259 Abs. 1 Var. 4 StGB („Absatzhilfe") strafbar gemacht, indem er den Hydraulikhammer in seinem Lkw lagerte?

Nein!

Absatzhilfe ist die weisungsgebundene unselbstständige Unterstützung, die dem Vorbesitzer bei dessen Absatzbemühungen der Beute aus der Vortat gewährt wird. Während die ältere Rspr. schon die Absatzbemühungen für die Vollendung ausreichen ließ, verlangt der BGH nunmehr - in Übereinstimmung mit der h.Lit. - einen Absatzerfolg, mithin die Übertragung der Verfügungsgewalt auf den Erwerber. Dies wird vor allem damit begründet, dass schon der allgemeine Sprachgebrauch zwischen dem erfolgreichen Absetzen und bloßen Absatzbemühungen unterscheidet. Da der Hammer sichergestellt worden ist, fehlt es an einem Absatzerfolg. Die Absatzhilfe ist nicht vollendet.

3. Scheitert eine Strafbarkeit des G wegen versuchter Hehlerei bereits daran, dass der Versuch nicht strafbar ist?

Nein, das ist nicht der Fall!

Da die Tat mangels Absatzerfolgs nicht vollendet ist, kommt allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit des G in Betracht. Da § 259 Abs. 1 StGB im Mindestmaß mit einer Geldstrafe bedroht ist, handelt es sich um ein Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB). Der Versuch eines Vergehens ist nur strafbar, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Für § 259 Abs. 1 StGB findet sich eine entsprechende gesetzliche Bestimmung in § 259 Abs. 3 StGB. Daher kommt eine Strafbarkeit des G aus den §§ 259 Abs. 1 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB in Betracht.

4. Hatte G „Tatentschluss" zur Hehlerei in Form der Absatzhilfe nach § 259 Abs. 1 Var. 4 StGB?

Ja, in der Tat!

G müsste Tatentschluss besessen haben, also alle Umstände in seine Vorstellung aufgenommen haben, die im Falle ihrer Verwirklichung den Tatbestand der Hehlerei erfüllt hätten. G beabsichtigte, die Diebesbeute, nämlich den Hydraulikhammer, für T nach Kroatien zu transportieren, um ihn dort erfolgreich zu verkaufen. Mithin hatte G Tatentschluss zur Absatzhilfe bezüglich eines tauglichen Tatobjekts. Schließlich besaß er auch Bereicherungsabsicht, denn er hoffte, durch die Absatzhilfe eine Belohnung zu verdienen.

5. Hat G nach Ansicht der h.L. „unmittelbar zur Tat angesetzt" (§ 22 StGB)?

Nein!

Nach h.L. ist das Versuchsstadium erst erreicht, wenn sich die Unterstützungshandlung des Absatzhelfers als Versuchsbeginn des - straflosen - Absatzversuches des Vortäters darstellt. In der Sache handle es sich nämlich bei der Absatzhilfe um eine Beihilfe zum tatbestandslosen Absetzen des Vortäters. Es sei auch widersprüchlich, wenn das unmittelbare Ansetzen bei der Absatzhilfe als „leichtere Begehungsform“ vor dem Versuchsbeginn des täterschaftlichen Absetzens liege. Hieran gemessen, hat G noch nicht unmittelbar zur Tat angesetzt, da T keine konkreten Bemühungen vorgenommen hat, um das Diebesgut zu verwerten.

6. Hat G nach Ansicht des BGH „unmittelbar zur Tat angesetzt" (§ 22 StGB)?

Genau, so ist das!

Der BGH stellt auf das unmittelbare Ansetzen des Absatzhelfers selbst ab. Daher beginne die Strafbarkeit wegen der versuchten Absatzhilfe, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, mit der er nach seiner Vorstellung unmittelbar zu einer Förderung der - straflosen - Absatztat des Vortäters ansetzt. Danach soll ein unmittelbares Ansetzen jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn sich die Tathandlung in einen bereits festgelegten Absatzplan fördernd einfügt und aus Sicht des Vortäters den Beginn des Absatzvorgangs darstellt. Damit hat G unmittelbar zum Absetzen angesetzt, da sich das Beladen und Lagern der Beute in den Absatzvorgang einfügen sollte.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Hehlerei (§ 259 StGB)?

  1. Objektiver Tatbestand
    1. Rechtswidrige (gegen fremdes Vermögen gerichtete) Vortat eines anderen,
    2. durch die der Vortäter eine Sache erlangt hat.
    3. Tathandlungen bzgl. dieser Sache: Sich oder einem Dritten verschaffen bzw. Absetzen oder Absetzenhelfen
  2. Subjektiver Tatbestand
    1. Vorsatz
    2. Eigennützige oder fremdnützige Bereicherungsabsicht
  3. Schuld
  4. Rechtswidrigkeit
  5. Qualifikationen (§§ 260, 260a StGB)
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CL@

cl@ra

14.3.2022, 04:19:53

Laut Sachverhalt will G den Hammer doch verkaufen in Kroatien. Er hilft nicht nur bei den Absatzbemühungen von T mit, begeht also nach dem jetzigen Sachverhalt nicht nur unselbstständige Hilfeleistungen. Müsste es sich dann nicht eigentlich um einen Absatz und nicht nur um

Absatzhilfe

handeln? Vielleicht ist der Sachverhalt an der Stelle aber auch nur nicht ganz eindeutig.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2022, 10:31:01

Lieben Dank für den Hinweis, cl@ara! Die Ausführungen des BGH waren an dieser Stelle etwas dürftig, sofern es in der Entscheidung lediglich hieß: "Ein "Absetzen" im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB setzt die im Einvernehmen mit dem Vortäter, im Übrigen aber - hier nicht festgestellte - selbstständig vorgenommene wirtschaftliche Verwertung einer bemakelten Sache durch ihre rechtsgecshäftliche Weitergabe an gut- oder bösgläubige Dritte gegen Entgelt voraus" (RdNr. 22). Wir haben das in unserem Sachverhalt nun insoweit klargestellt, dass G lediglich als Transporteur für T an dessen Abnehmer in Kroatien fungiert. Damit fehlt es an einer selbstständigen Handlung, weswegen es lediglich bei der (versuchten)

Absatzhilfe

bleibt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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