Geringwertige Sache erst ab €50?

26. Juli 2023

4,6(28.340 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: A stiehlt ein Fahrrades, welches mit einem Schloss gesichert war.

A durchtrennt das Schloss eines fremden Fahrrads (Wert: ca. 40 €) und fährt damit davon. Er hat vor, es zu behalten.

Diesen Fall lösen 84,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt die Grenze der Geringwertigkeit bei €25. In der vorliegenden Entscheidung bestätigt das OLG Frankfurt aber seine abweichende Meinung und setzt die Grenze bei €50 an.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Liegt ein besonders schwerer Fall i.S.v. § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch dann vor, wenn es sich um eine geringwertige Sache handelt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nein, das schließt § 243 Abs. 2 StGB eindeutig aus: "In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht."
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. War das Fahrrad durch eine "andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert" (Regelbeispiel in § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB)?

Ja, in der Tat!

Unter solchen "anderen Schutzvorrichtungen" versteht die Rechtsprechung z.B. Lenkradschlösser oder Wegfahrsperren in Autos, und auch Fahrradschlösser. Nicht darunter fällt die Umzäunung eines Grundstücks, die speziell in § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB geregelt ist (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 243 RdNr. 15).

3. handelt es sich bei dem Fahrrad nach Auffassung des BGH um eine "geringwertige Sache" (§ 243 Abs. 2 StGB und § 248a StGB)?

Nein!

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt die Grenze der Geringwertigkeit bei 25 € (zuletzt BGH, Beschl. v. 03.05.2016 - 3 StR 114/16). Das Fahrrad hier ist 40 € wert. Nach dem BGH hat A hier einen Diebstahl in besonders schwerem Fall begangen. Das OLG Frankfurt a.M. sieht demgegenüber Geringwertigkeit ab einer Grenze von 50 € für gegeben an und hält in der vorliegenden Entscheidung daran fest.

4. Hat A den Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) erfüllt?

Genau, so ist das!

A hat mit dem Fahrrad eine für ihn fremde, bewegliche Sache weggenommen. Er hatte Vorsatz und die Absicht rechtswidriger Zueignung (man wird bei dem Sachverhalt unterstellen dürfen, dass A auch die Absicht hatte, das Fahrrad zu behalten). Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen

Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz
      2. Absicht rechtswidriger Zueignung
    2. Objektiver Tatbestand
      1. Fremde bewegliche Sache
      2. Wegnahme
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DEGE

Der Gerechte

20.2.2020, 22:51:57

Also war es im vorliegenden Fall kein bes. schw. Fall, wenn ich das richtig verstanden habe? Dann ist die letzte Frage etwas fies gestellt. Ich dachte, hatte nicht mehr auf dem Schirm, ob das Urteil vom BGH war oder nicht.

GI

GingerCharme

3.5.2020, 09:18:44

Es liegt ein besonders schwerer Fall vor, wenn man der ständigen Rechtsprechung des BGH folgt, und keiner wenn man 50 Euro als Geringwertigkeits-Schwelle voraussetzt wie es das OLG FFM tut. Die Frage ist im jetzigen Zeitpunkt jedenfalls (nicht mehr?) nicht fies gestellt, denn es wird unabhängig von dem zitierten Urteil ausdrücklich nach der Ansicht des BGH gefragt.

JV796

JV796

3.5.2020, 23:27:07

Ich stimme zu. Ist fies gestellt.

APhM

APhM

15.6.2022, 15:27:01

Irre ich mich bzw. habe unaufmerksam gearbeitet oder habt ihr in diesem Unterkapitel zweimal den selben Fall mit den selben Fragen? LG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.6.2022, 17:11:09

Hallo APhM, dieser Fall kommt einmal in unserer aktuellen Rechtsprechung (2016) und einmal im Kurs Vermögensdelikte/Besonders Schwerer Fall des Diebstahls vor. In dem letztgenannten Fall sollte er aber eigentlich nur einmal auftauchen. Magst Du Dir das noch einmal anschauen? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

APhM

APhM

15.6.2022, 17:19:44

Hallo Lukas, ich war zufällig gerade am Handy und habe es mir nochmal angeschaut. In der Tat, JETZT ist der Fall bei den Vermögensdelikten unter dem §

243 StGB

tatsächlich nur noch einmal angeführt. Die komplette Untersektion dieses Abschnittes der Vermögensdelikte hat nun auch nur noch zwei und nicht wie zum Zeitpunkt meines ersten Kommentares drei Gliederungspunkte. Also entweder habt ihr da etwas angepasst oder ich hatte mal wieder mit einem kurzen Glitch in der App zu tun. Diesen hatte ich dann allerdings wirklich noch nicht :D Dank Dir für die schnelle Antwort! Dir nen schönen Abend, Tag usw. LG


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen