Öffentliches Recht

VwGO

Allgemeine Leistungs- und Unterlassungklage

Statthaftigkeit Leistungsklage: Standardfall 2 (Klage auf Herausgabe)

Statthaftigkeit Leistungsklage: Standardfall 2 (Klage auf Herausgabe)

14. Februar 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die rechtsradikale R schwingt auf einer Kundgebung ihrer Partei eine Fahne mit Hakenkreuz (verbotenes Symbol, § 86a Abs. 1 StGB). Polizistin P konfisziert die Fahne. Nach der Veranstaltung will R ihre Fahne zurück.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit Leistungsklage: Standardfall 2 (Klage auf Herausgabe)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Antrag bei der zuständigen Polizeibehörde klagt R. Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft, wenn R schlichtes Verwaltungshandeln oder ein Unterlassen der Behörde begehrt.

Genau, so ist das!

Die allgemeine Leistungsklage (vorausgesetzt in §§ 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 4, 169 Abs. 2, 170 VwGO) ist statthaft, wenn der Kläger schlichtes Verwaltungshandeln (= Leistungsvornahmeklage) oder Unterlassen (= allgemeine Unterlassungsklage) der Behörde begehrt. Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft, wenn R ein schlichtes Handeln oder Unterlassen der Behörde begehrt.
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2. Die Leistungsvornahmeklage (allgemeine Leistungsklage) muss von der Verpflichtungsklage abgegrenzt werden.

Ja, in der Tat!

Die allgemeine Leistungsklage kann zum einen auf ein Handeln, zum anderen auf ein Unterlassen der Behörde gerichtet sein. In den Fällen, wo der Kläger die Vornahme einer Handlung begehrt, muss die allgemeine Leistungsklage von der spezielleren Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) abgegrenzt werden. Die allgemeine Leistungsklage kommt in diesen Fällen als statthafte Klageart nur dann in Betracht, wenn der Kläger eine Leistung der Behörde begehrt, die nicht im Erlass eines Verwaltungsakts besteht.

3. R begehrt den Erlass eines Verwaltungsakts. Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).

Nein!

Ob die Verpflichtungsklage oder die allgemeine Leistungsklage statthaft ist, richtet sich nach der Qualität des vom Kläger begehrten Handelns. Besteht die begehrte Handlung nicht im Erlass eines Verwaltungsakts, ist die allgemeine Leistungsklage statthaft. R begehrt die Herausgabe der konfiszierten Fahne. Die Herausgabe einer Sache ist kein Verwaltungsakt. Vielmehr handelt es sich um schlichtes Verwaltungshandeln der Behörde. Statthaft ist daher die allgemeine Leistungsklage.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

1.5.2022, 01:00:20

Unter Zugrundelegung bayerischen (Polizei-)Rechts: Könnte man auch annehmen, dass R sowohl Anfechtungs- bzw. Verpflichtungs- als auch allg.

Leistungsklage

(iRd obj. Klagehäufung nach § 44 VwGO) erheben muss? Die

Sicherstellung

nach Art. 25 BayPAG ist mE als DauerVA einzuordnen, der die Verwahrung der Sache rechtfertigt, vgl. Lisken/Denninger, HdB des PolizeiR, 7. Aufl. 2021, Rn. 608. Damit müsste dieser VA doch erst durch

Anfechtungsklage

oder (bei Bestandskraft) durch

Verpflichtungsklage

gerichtet auf Rücknahme gem. Art. 48 BayVwVfG (die

Sicherstellung

wird durch Wegfall ihrer VSS ex nunc

rechtswidrig

) "beseitigt" werden. Erst dann könnte allg.

Leistungsklage

auf Herausgabe der Sache gem. Art. 28 II BayPAG erhoben werden. Oder erledigt sich der VA iSd Art. 43 II BayVwVfG automatisch mit Wegfall seiner VSS (wohl entgegen des Wortlauts von Art. 28 I BayPAG, der davon spricht, dass die

Sicherstellung

beendet werden müsse), sodass R nur allg.

Leistungsklage

zu erheben braucht? Hoffe, meine Überlegungen sind nicht zu abwegig :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.5.2022, 14:54:45

Hallo Simon, sehr guter Punkt. Wenn die

Sicherstellung

sanordnung weiterhin wirksam ist, so wäre in der Tat diese mit der

Anfechtungsklage

anzugreifen und mit einem Antrag auf Folgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 S. 2 VwGO) zu verbinden (vgl. Senftl, in: BeckOK-PolR Bayern, 18.Ed. 1.3.2922, PAG Art. 28 RdNr. 25 f.). Anders ist dies dagegen, wenn nachträglich die - anfänglich noch vorliegenden - Voraussetzungen für eine

Sicherstellung

wegfallen. Zwar könnte man hier durchaus auch darüber nachdenken, dass zunächst die noch bestehende Anordnung mit der

Anfechtungsklage

angefochten werden müsste. Dann würde der Anspruch aus Art. 28 Abs. 2 PAG letztlich leerlaufen, da dann stets die Herausgabe über den

Annexantrag

bewirkt werden könnte. Auch der BayVGH vertritt insoweit, dass man nicht zunächst die

Sicherstellung

sanordnung angreifen muss, sondern direkt die

Leistungsklage

statthaft ist (vgl. VGH München, 15.11.2016 - 10 BV 15.1049 ) BeckRS 2016, 110049 RdNr. 35). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

UN

Unterfertigter

17.1.2024, 14:01:03

Ist hier nicht gemäß actus-contrarius-Theorie auch die

Statthaftigkeit

einer

Verpflichtungsklage

gut vertretbar?

Natze

Natze

19.2.2024, 19:39:09

Habe ich mir auch gedacht. Die Beschlagnahmung stellt doch einen VA dar? Oder ist das die ältere Mindermeinung?

Busches Bester

Busches Bester

22.2.2024, 11:50:46

Das ist richtig, aber dafür wäre es erforderlich, dass der Verwaltungsakt erst zurückgenommen müsste. Diese Rücknahme wäre ein Verwaltungsakt nach der Actus-Contrarius-Theorie. Daran kann man denken, wenn der VA sich hier nicht erledigt hat, weil z.B. noch kein

Kostenbescheid

erlassen wurde. Wenn aber Kosten nicht entstanden sind, ist auch kein Aufhebungs-VA erforderlich, sodass sich der ursprüngliche VA erledigt hat und eine

allgemeine Leistungsklage

auf Herausgabe statthaft ist.

Natze

Natze

22.2.2024, 11:59:00

Super, danke dir :)


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