Wiederbegründung der Kaufpreisforderung nach Inanspruchnahme der Amazon A-bis-Z-Garantie?


mittel

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Jurafuchs

K kauft von V über den Amazon Marketplace einen Kaminofen. Nach Lieferung und Installation beantragt K die Erstattung des Kaufpreises von Amazon.de aufgrund von Sachmängeln. Amazon bucht den Kaufpreis (der dem Amazon-Konto der V gutgeschrieben war) von V's Konto wieder ab und überweist ihn auf K's Amazon-Konto zurück (sog. A-bis-Z-Garantie). V verlangt von K erneut Kaufpreiszahlung.

Einordnung des Falls

Wiederbegründung der Kaufpreisforderung nach Inanspruchnahme der Amazon A-bis-Z-Garantie?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V und K haben über den Amazon Marketplace einen wirksamen Kaufvertrag (§ 433 BGB) geschlossen.

Ja, in der Tat!

Ein Kaufvertrag kommt durch gegenseitige, übereinstimmende Willenserklärungen zustande. K und V haben sich über den Kauf eines Kaminofens geeinigt. Amazon.de ist kein Vertragspartner, sondern ausschließlich Plattformanbieter und Zahlungsdienstleister (RdNr. 25). Dem Kaufpreiszahlungsanspruch der V gegen K dürften weiterhin weder Einwendungen noch Einreden entgegenstehen (§ 433 Abs. 2 BGB).

2. Der Kaufpreiszahlungsanspruch der V ist durch die vorbehaltlose Gutschrift auf V's Konto erloschen.

Ja!

Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung erlischt mit dem Bewirken der Leistung (§ 362 Abs. 1 BGB). Im Falle des Bezahlsystems über Amazon Marketplace tritt Erfüllung durch die Gutschrift des Zahlungsbetrags auf dem Amazon-Konto des Verkäufers ein (vergleichbar mit dem Bezahlsystem PayPal). Indem der Kaufpreis vom Konto des Käufers auf das Konto des Verkäufers gebucht wurde, hat K seine Zahlungspflicht erfüllt. BGH: Das Risiko der Rückbuchung infolge der Amazon A-bis-Z-Garantie stehe der Erfüllungswirkung nicht entgegen (RdNr. 11).

3. Die A-bis-Z-Garantie wird als selbstständige Dienstleistung von Amazon gegenüber dem Käufer mit diesem anlässlich dessen Vertragsabschluss mit dem Verkäufer über die Plattform Amazon Marketplace vereinbart.

Genau, so ist das!

Die Amazon-A-bis-Z-Garantie sieht vor, dass der Käufer von Amazon eine „Rückzahlung“ des Kaufpreises verlangen kann, wenn bestimmte Gründe vom Käufer vorgetragen werden, wie z.B. eine fehlende Lieferung oder Sachmängel. Macht (1) der Käufer einen Rückzahlungsanspruch aus der Amazon-A-bis-Z-Garantie geltend, wird dies (2) in einem begrenzten Umfang durch Amazon und nach vorheriger Informierung des Verkäufers überprüft. Anschließend wird (3) der Geldbetrag des Kaufpreises ggfs. an den Käufer „zurückbezahlt“. Der Verkäufer ist über die A-bis-Z-Garantie von Amazon zu Gunsten des Käufers durch Einbeziehung der Amazon-Pay-Richtlinie in dessen Geschäftsverhältnis mit Amazon informiert bzw. wird diese auch in das Vertragsverhältnis zwischen dem Verkäufer und Amazon zur Nutzung des Amazon Marketplace einbezogen.

4. Mit der einverständlichen Vertragsabwicklung über Amazon Marketplace haben V und K zugleich stillschweigend vereinbart, dass im Fall der Rückbuchung durch Amazon die Erfüllungswirkung der Kaufpreiszahlung rückwirkend entfällt (auflösende Bedingung, §§ 158 Abs. 2, 159 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Eine vertraglich vereinbarte auflösende Bedingung für den Fall der Rückbuchung sei ebensowenig anzunehmen wie ein vereinbarter Vorbehalt der Rückforderung. Die Entscheidung über die Rückbuchung des Kaufpreises bei einem erfolgreichen A-bis-Z-Garantieantrag erfolge auch hier (wie bei dem Pay-Pal-Käuferschutz) nicht im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, sondern beruhe auf einer besonderen Dienstleistungsabrede zwischen Amazon und dem Käufer, wobei allein Amazon die Befugnis eingeräumt ist, eigenständig zu entscheiden, ob der Kaufpreis erstattet wird (RdNr. 12).

5. Mit der Annahme des Garantiefalls entscheidet der Plattformbetreiber Amazon nach Ansicht des BGH für beide Parteien des Kaufvertrags verbindlich, dass gegenseitige Ansprüche zur Erfüllung des Kaufvertrags nicht mehr bestehen.

Nein!

Dies hatte das Berufungsgericht angenommen mit der Begründung, im Unterschied zu PayPal erbringe Amazon neben der bloßen Abwicklung des Zahlungsverkehrs zugleich eigene weitere Leistungen, die dem Unternehmen eine gesonderte Stellung innerhalb des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien des Kaufvertrags zuweise. Der BGH teilt diese Ansicht nicht (RdNr. 7ff.).

6. Die berechtigten Interessen und Erwartungen der Kaufvertragsparteien (§§ 133, 157 BGB) sprechen laut BGH dagegen, dass die Garantieentscheidung von Amazon auch den Verkäufer im Verhältnis zum Käufer binden sollte und die Parteien dies zum Inhalt des Kaufvertrags gemacht haben.

Genau, so ist das!

BGH: (1) Der Käufer könne nach erfolglosem Garantieantrag staatliche Gerichte in Anspruch nehmen (eine Garantie lässt kaufrechtliche Gewährleistungsrechte unberührt und eine abweichende Parteivereinbarung fehlt). Umgekehrt müsse auch der Verkäufer nach erfolgreichem Garantieantrag des Käufers wieder berechtigt sein, auf die Kaufpreisforderung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung staatliche Gerichte anzurufen. Anderenfalls würde über verschiedene Ansprüche aus dem einheitlichen Vertragsverhältnis nach unterschiedlichen Regelungen entschieden. (2) Es sei sachgerecht, Streitigkeiten über Leistungsstörungen abschließend im Verhältnis der Kaufvertragsparteien zu klären und nicht eine Partei, hier den Verkäufer, auf einen Rechtsstreit gegen den Plattformbetreiber zu verweisen (RdNr. 14ff.).

7. V und K haben sich über die einverständliche Vertragsabwicklung über Amazon Marketplace geeinigt. Darin liegt zugleich die stillschweigende Vereinbarung, dass die Kaufpreisforderung als ein neuer Anspruch wiederbegründet wird (§ 311 Abs. 1 BGB), wenn das Amazon-Konto der V aufgrund eines erfolgreichen A-bis-Z-Garantieantrags rückbelastet wird.

Ja, in der Tat!

Dies folge aus der interessengerechten Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB), wonach die Entscheidung von Amazon über die A-bis-Z-Garantie keine Bindungswirkung für eine der Vertragsparteien des Kaufs entfalte. Voraussetzung sei, dass die Garantie beidseitig in das Vertragsverhältnis einbezogen worden ist (für den Käufer über die Einbeziehung der A-bis-Z-Garantie von Amazon anlässlich des Bestellvorgangs und für den Verkäufer als Händler über die Einbeziehung der Amazon-Richtlinien anlässlich der Errichtung eines Verkäuferkontos auf der Amazon-Plattform). Ob ein Garantiefall überhaupt vorlag, sei unerheblich. Entscheidend sei die Kaufpreisrückbuchung nach Stattgabe des Antrags, die dazu führe, dass der Verkäufer den Betrag wieder geltend machen müsse. Die Berechtigung seines Anspruchs richte sich nach den für das Vertragsverhältnis fortgeltenden gesetzlichen und vertraglichen Rechten, was die Wiederbegründung der Forderung bedinge (RdNr. 13, 26).

8. Die Wiederbegründung der Kaufpreisforderung beeinträchtigt die berechtigte Erwartung der K in die Wirkung der A-bis-Z-Garantie.

Nein!

BGH: Der verständige, redliche Käufer könne trotz des Wortlauts „A-bis-Z-Garantie“, der eine abschließende Regelung zu Gunsten des Käufers suggeriere, nicht erwarten, dass der Verkäufer durch die Entscheidung des am Kaufvertrag nicht beteiligten Plattformbetreibers seine Rechte ihm gegenüber verlöre. Diesem käme im Falle einer Bindungswirkung die Rolle eines Schiedsrichters zu, der allerdings in einem weitgehend ungeregelten Verfahren ohne hinreichende Beteiligung beider Parteien nach eigenem Ermessen und ohne Bindung an die bestehende Rechtslage entscheiden könnte. K habe durch die A-bis-Z-Garantie vielmehr „beträchtliche Vorteile“, da er den Kaufpreis zurückerhalte, ohne diesen Anspruch einklagen zu müssen. Die Prozessführungslast liege durch die Rückbuchung auf Seiten des Verkäufers (RdNr. 22f.)

9. Aus den AGB von Amazon folgt unmittelbar, dass die Garantieentscheidung von Amazon auch den Verkäufer binden soll.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Der Erklärungsgehalt der bei Vertragsabschluss über den Marketplace abgegebenen WE richte sich auch nach den (den Kauf von Marketplace-Artikel betreffenden) AGB von Amazon, soweit beide Parteien deren Geltung bei Vertragsschluss zugestimmt haben (Ausstrahlungswirkung). Diesen sei nicht zu entnehmen, dass die Garantiegewährung Auswirkungen auf den Kaufvertrag und die Kaufpreisforderung haben soll.

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Saendrou

Saendrou

11.6.2021, 22:55:58

Der Fall an sich ist ja sehr interessant, die Fragen von Jurafuchs und auch die antworten sind diesmal aber etwas misslungen finde ich. Typisch juristisch wurden hier viele lange und verschachtelte Sätze mit vielen Klammern und Kommas gewählt - anstatt mit einfachen Worten auf den Punkt zu kommen. Auch die Struktur und Markierung sind überfrachtet. Ich würde mir nochmals eine Überarbeitung wünschen die sich auf die Kernaussagen und Schlagworte konzentriert. Viel hilft nicht immer viel. LG

Tigerwitsch

Tigerwitsch

11.6.2021, 23:40:24

Schau Dir vlt. die PayPal-Entscheidung des BGH an, die hier in der App mE auch aufgearbeitet ist. Dort wendet das Gericht eine sehr ähnliche Argumentation an, was uU das Verständnis erleichtert. Der Fall ist ja recht komplex, sodass ich finde, dass dieser ziemlich komprimiert hier dargestellt wird. Insbesondere werden die wichtigsten Argumente aufgezählt, die in PayPal/A-Z-Garantie-Konstellationen etc. anzusprechen sind. Vielleicht einfach nochmal den Fall durchlösen - das hilft zumindest mir bei komplexen SV 😊

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.6.2021, 17:50:46

Vielen Dank euch beiden. Es ist leider immer eine schwierige Gradwanderung, einerseits die tragenden Gründe der Entscheidung möglichst vollständig darzustellen und andererseits den Fall verständlich zu halten. Wir haben ihn nun aber noch einmal überarbeitet und hoffen, er wird dadurch nun noch etwas verständlicher. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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