Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Entscheidungen von 2019

Eingeschränkte Aufrechenbarkeit gegen eine durch Urteil titulierte Forderung

Eingeschränkte Aufrechenbarkeit gegen eine durch Urteil titulierte Forderung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A und B schulden seit 2017 einander die Freigabe hinterlegten Geldes nebst Verzugszinsen. 2020 wird (nur) A rechtskräftig zur Zahlung von Verzugszinsen verurteilt. 2021 rechnet A mit seinem Zinsanspruch gegen den Zinsanspruch des B auf. Danach rechnet B mit ebendiesem Anspruch gegen den Freigabeanspruch des A auf.

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Einordnung des Falls

Eingeschränkte Aufrechenbarkeit gegen eine durch Urteil titulierte Forderung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A verlangt weiter die Freigabe des vollen Betrags von B. Sein Anspruch ist aber (teilweise) untergegangen, wenn B wirksam aufgerechnet hat.

Genau, so ist das!

Die Aufrechnung ist eine rechtsvernichtende Einwendung. Gemäß § 389 BGB gelten die gegenseitigen Forderungen als in dem Zeitpunkt erloschen, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Die Aufrechnung setzt gemäß § 387 BGB voraus: (1) Gegenseitige Forderungen; (2) Gleichartigkeit der Forderungen; (3) Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Gegenforderung; und (4) Erfüllbarkeit der Hauptforderung. Weiter ist (5) eine Aufrechnungserklärung gegenüber dem anderen Teil erforderlich (§ 388 S. 1 BGB) und die Aufrechnung darf nicht ausgeschlossen sein.
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2. Der titulierte Zahlungsanspruch des B und der Freigabeanspruch des A sind grundsätzlich gleichartige Forderungen im Sinne des § 387 BGB.

Ja, in der Tat!

Forderungen sind gleichartig im Sinne des § 387 BGB, wenn sie nach der Verkehrsanschauung in tatsächlicher Hinsicht austausch- und verrechnungsfähig sind (Dennhardt, in: BeckOK BGB, 58.E. 2021, § 87 RdNr. 27). Der Anspruch auf Abgabe einer Freigabeerklärung (dieser folgte hier aus §§ 749 Abs. 1, 752 S. 1 BGB) hat nach ständiger Rechtsprechung und allgemeiner Auffassung letztlich auch eine Geldzahlung zum Gegenstand, die nur in eine andere äußere Form „gegossen“ ist (vgl. BGH NJW-RR 1989, 173). Freigabe- und Zahlungsansprüche sind deshalb austauschfähig und somit gleichartig im Sinne des § 387 BGB.

3. B konnte aber nicht mit seinem titulierten Anspruch aufrechnen, wenn dieser Anspruch seinerseits infolge der vorherigen Aufrechnungserklärung des A erloschen war.

Ja!

Gemäß § 389 BGB gelten die gegenseitigen Forderungen als in dem Zeitpunkt erloschen, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. A hat bereits vor der Aufrechnungserklärung des B gegen dessen titulierte Forderung aufgerechnet. Wenn diese Aufrechnung wirksam war, hatte B zum Zeitpunkt seiner eigenen Aufrechnungserklärung keine Gegenforderung mehr.

4. Die von A „zuerst“ erklärte Aufrechnung ist vollständig wirksam.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem BGH kann der Schuldner analog § 767 Abs. 2 ZPO gegen rechtskräftig festgestellte Ansprüche nur aufrechnen, wenn er auch Vollstreckungsgegenklage erheben könnte (RdNr. 11). Der BGH stellt insoweit auf den Zeitpunkt der erstmaligen Aufrechenbarkeit und nicht der Aufrechnungserklärung ab. Die Aufrechnung ist also präkludiert, soweit sie schon vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses hätte erklärt werden können. A und B hatten schon 2017 gegenseitige, durchsetzbare Ansprüche auf Verzugszinsen. Folglich konnte A nur noch gegen Ansprüche aufrechnen, die nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses im Jahr 2020 entstanden sind.

5. Die Aufrechnung des B ist zumindest teilweise wirksam. A kann deshalb auch nur einen Teil seines Freigabeanspruchs gegen B geltend machen.

Ja, in der Tat!

Die „erste“ Aufrechnung durch A richtete sich größtenteils gegen einen bereits rechtskräftig festgestellten Anspruch des B und war insoweit analog § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Somit konnte B mit seinem Zinsanspruch weiterhin gegen den Freigabeanspruch des A aufrechnen. Die wohl h.M. kritisiert den BGH dafür, dass er im Rahmen des § 767 Abs. 2 ZPO auf den Zeitpunkt der Aufrechenbarkeit und nicht der Aufrechnungserklärung abstellt. Genau genommen entsteht die „Einwendung“ nämlich erst mit der Aufrechnungserklärung. Diese hat A erst nach dem Vorprozess abgegeben. Nach dieser Auffassung hätte B nicht mehr aufrechnen können, weil die vorherige Aufrechnung durch A vollständig wirksam gewesen wäre.
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