Verdeckter Kalkulationsirrtum 1

14. Februar 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft in der Boutique der V ein Sommerkleid für €100. Als K gerade das Geschäft verlässt, fällt V auf, dass der Preis €150 hätte betragen sollen. V berechnet den Verkaufspreis nämlich, indem sie den Einkaufspreis verdoppelt, der hier €75 betrug.

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Einordnung des Falls

Verdeckter Kalkulationsirrtum 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V kann ihre Willenserklärung wegen eines „Kalkulationsirrtums“ anfechten (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Stützt sich eine Erklärung auf die Berechnung einer Menge oder eines Preises, dann können Fehler bei der Berechnung den Inhalt der Erklärung beeinflussen (sog. Kalkulationsirrtum). Der Kalkulationsirrtum ist nach Rspr. und hL jedenfalls unbeachtlicher Motivirrtum, wenn dem Geschäftspartner nur das Ergebnis der Berechnung mitgeteilt wurde, nicht aber die Kalkulation selbst (sog. verdeckter Kalkulationsirrtum). So lag es hier: V hat den Preis von €100 am Kleid angebracht. Erst später fiel ihr auf, dass sie sich verrechnet hatte. K kannte die Berechnung nicht. Es handelt sich um einen verdeckten Kalkulationsirrtum. Der Irrtum betrifft nicht die Willenserklärung, sondern allein die Willensbildung (unbeachtlicher Motivirrtum).
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2. Zwischen K und V ist ein Kaufvertrag über das Sommerkleid zu €100 zustande gekommen.

Ja!

Ein Vertrag kommt zustande durch zwei sich inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB), die hier vorlagen. Eine Auslegung der Erklärungen von V und K anhand des objektiven Empfängerhorizonts (§ 157 BGB) ergibt, dass der Kaufpreis hier €100 beträgt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FABY

Faby

2.4.2022, 20:20:12

Würde V stattdessen sagen, dass sie sich „verschrieben“ hat, wäre die Anfechtung möglich 🤔

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.4.2022, 18:12:05

So ist es, Faby :D Denn dann läge ein

Erklärungsirrtum

vor, der bekanntlich einen Anfechtungsgrund darstellt. Das wäre insofern die wesentlich bessere Argumentation. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PAUL1

paul1ne

19.7.2024, 07:02:06

Hat sie sich denn nicht auch verschrieben, wenn sie ja den falschen Preis aufgeschrieben hat? Ist es relevant, dass dieses Verschreiben auf ihrer Misskalkulation beruht?😅

BU✨

busy B 🐝 ✨

14.8.2024, 09:47:52

@[paul1ne](243719) Ich würde mir das so erklären, dass sie sich ja nur bei der Berechnung geirrt hat, dabei auf einen Preis von 100€ gekommen ist und dann aber eben die 100€ auch aufschreiben wollte. Sie hat sich ja dann gerade nicht verschrieben :)

EV

eviiimaria

20.10.2024, 12:02:53

@[Lukas_Mengestu](136780) Aber das Angebot gibt doch K an der Kasse ab? Das Aufschreiben des Preises ist doch nur eine

invitatio

oder? Wieso wäre das dann ein anfechtungsbegründender

Erklärungsirrtum

?

schwemmely

schwemmely

23.10.2024, 12:52:21

@[eviiimaria ](255301) dann könnte man nach dieser Logik aber nur Angebote anfechten? 🤔 Es ist ja nicht abhängig davon, ob das aufschreiben schon ein Angebot oder eine

Invitatio

n ist. Das Aufschreiben kann man doch in die Annahmeerklärung aufnehmen. Wenn er sich bei der Annahme verschreibt oder verspricht, dann muss derjenige ja auch den Vertrag anfechten können. man kann das dann also wie ein "versprechen" ansehen, in dem Moment des Abkassierens. Aber das ist nur in der oben abgewandelten Konstellation so. Bei dem Fall hier finde ich die Erklärung von @[busy B 🐝 ✨](247318) gut LG

HAN

hannabuma

21.11.2024, 17:12:06

@[eviiimaria ](255301) Das Aufschreiben des Preises ist zwar wie du sagst nur eine

invitatio

, allerdings bildet die

invitatio

die Grundlage für die im Anschluss abgegebene Willenserklärung. Wenn bei der

invitatio

ein

Erklärungsirrtum

vorliegt, wirkt dieser bis zur nachträglich erklärten Willenserklärung fort. Ein paar Fälle vor diesem hier wird das so erklärt: „Der insofern beim Einstellen des Laptops vorliegende

Erklärungsirrtum

wirkte bei der Annahmeerklärung fort, da diese unmittelbar und automatisch in der Erwartung richtiger Einpreisung erstellt wird. Damit unterlag V einem

Erklärungsirrtum

, der auch ursächlich für die Abgabe der Willenserklärung war.“

verLAWren

verLAWren

23.10.2024, 10:42:20

Hey:) Leider ist auf die Frage, ob hier ein

Kalkulationsirrtum

vorliegt, mit einem "stimmt nicht" zu antworten. Ein im Ergebnis "verdeckter"

Kalkulationsirrtum

ist aber trotzdem ein

Kalkulationsirrtum

. Ich fänds besser, wenn hier "stimmt" die richtige Antwort wäre oder die Frage zu: "Liegt hier ein beachtlicher

Kalkulationsirrtum

vor" oder "Liegt hier ein

Kalkulationsirrtum

vor, der zur Anfechtung berechtigt?" geändert wird. Danke!


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