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Sachmangel bei GmbH-Anteilen nach § 453 BGB

Sachmangel bei GmbH-Anteilen nach § 453 BGB

9. Juli 2025

8 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V und K halten jeweils 50 % an der E-GmbH. Ein Wirtschaftsprüfer schätzt den Wert der GmbH auf €10 Mio. V verkauft seine Anteile mit notariellem Vertrag an K für €5 Mio. Tatsächlich war die GmbH beim Verkauf nur €0 wert. K verlangt die €5 Mio. zurück.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Sachmangel bei GmbH-Anteilen nach § 453 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ob ein Recht nach § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder ein sonstiger Gegenstand nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB verkauft wird, macht für die Gewährleistungsrechte des Käufers keinen Unterschied.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 453 Abs. 1 BGB sind die Gewährleistungsrechte des § 437 BGB in beiden Fällen "entsprechend" anwendbar. Beim Rechtskauf (§ 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB) haftet der Verkäufer jedoch nicht für Sachmängel. Begrifflich kann ein Recht keinen Sachmangel haben. Auch aus § 453 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass der Verkäufer beim Rechtskauf grundsätzlich nicht für die Mangelfreiheit haftet. Der Verkäufer haftet beim Rechtskauf daher nur für das Bestehen des Rechts (Verität), nicht aber für die Werthaltigkeit des Rechts (Bonität). Beim Kauf sonstiger Gegenstände (§ 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB) kommen Sachmängel in Betracht, wenn der Mangel auf die Beschaffenheit bezogen werden kann. Dies ist beim Unternehmenskaufs der Fall, wenn sich der Anteilserwerb objektiv als Kauf des gesamten Unternehmens darstellt (BGH, RdNr. 32f; Weidenkaff, in: Palandt, 78. A., § 453 RdNr. 22).
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2. Unternehmensanteile sind "Sachen" im Sinne von § 433 Abs. 1 BGB, so dass Kaufrecht auf das Geschäft anwendbar ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Sachen sind alle körperlichen Gegenstände (§ 90 BGB). Davon zu unterscheiden sind Rechte, wie etwa Forderungen, Gesellschaftsanteile, Anwartschaftsrechte, Grundpfandrechte, gewerbliche Schutzrechte. Auf den Kauf von „Rechten“ und „sonstigen Gegenständen“ findet Kaufrecht entsprechende Anwendung (§ 453 BGB).

3. Ein Anspruch des K gegen V auf Mängelgewährleistung (etwa Rücktritt, Minderung, Schadensersatz) setzt voraus, dass K wirtschaftlich das gesamte Unternehmen („sonstiger Gegenstand“, § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB) gekauft hat.

Ja!

Dann wären hinsichtlich des Gesamtunternehmens die Mängelrechte gemäß § 437 BGB anwendbar. In Betracht kämen Rücktritt (§§ 453 Abs. 1, 434, 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 Abs. 5, 323 BGB), Minderung (§§ 453 Abs. 1, 434, 437 Nr. 2 Alt. 2, 441 Abs. 1, 326 Abs. 5, 323 BGB), Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 453 Abs. 1, 434, 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB) oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§§ 453 Abs. 1, 434, 437 Nr. 3, 284 BGB).

4. Auf den Verkauf der Geschäftsanteile ist Kaufrecht „entsprechend“ anwendbar, wenn es sich dabei um "Rechte“ (§ 453 Abs. 1 Alt. 1) oder „sonstige Gegenstände (§ 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB) handelt.

Genau, so ist das!

Bei Unternehmenskauf erwirbt der Käufer entweder die Gesamtheit der Sachen, Rechte und sonstigen Vermögenswerte des Unternehmens (Asset Deal), oder gesellschaftsrechtliche Anteile (Share Deal).Hier hat K gesellschaftsrechtliche Anteile gekauft (share deal). Werden nur einzelne Gesellschaftsanteile verkauft, handelt es sich um den Kauf eines Rechts (§ 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Werden alle oder nahezu alle Gesellschaftsanteile verkauft, handelt es sich um einen Verkauf eines „sonstigen Gegenstands“ (§ 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

5. V haftet nur für die Verität der verkauften Gesellschaftsanteile, nicht für die Bonität.

Ja, in der Tat!

BGH: Selbst, wenn die E-GmbH insolvent gewesen sein sollte, begründete dies keinen Mangel, der die Verität des nach § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB verkauften Rechts betrifft. Denn selbst bei Überschuldung oder Insolvenzreife bestehe das Recht (der Gesellschaftsanteil) eben noch, sodass dieser noch mangelfrei übertragen werden könne. Unerheblich ist insoweit, dass das Bestehen des Rechts durch die Insolvenzreife für die Zukunft gefährdet sein kann (BGH, RdNr. 41).

6. Mit dem Hinzuerwerb der zweiten Hälfte der Gesellschaftsanteile erwirbt K wirtschaftlich das gesamte Unternehmen (§ 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB).

Nein!

BGH: Nach der Parteivorstellung und der Verkehrsanschauung fehle es an einem auf den Erwerb des Unternehmens insgesamt gerichteten Ziel des Vertrages. Nicht ausschlaggebend sei, dass K nunmehr Inhaber sämtlicher Gesellschaftsanteile sei. Von vornherein könne es nicht darauf ankommen, welche Anteile der Gesellschafter an der Gesellschaft bereits halte. Maßgeblich sei hingegen, was Gegenstand des Kaufvertrages sei. Wenn der Erwerb als solcher nur die Hälfte der Mitgliedschaftsrechte erfasst, dann werde bei wirtschaftlicher Weise nicht das Unternehmen als solches übertragen (BGH, RdNr. 24ff.).
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