+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von B einen neuen Mercedes (99.900 €) und erhält ein sog. "Montagsauto" (hohe Fehleranfälligkeit wg. Herstellungsmängeln). K bringt es 7x zur Nachbesserung und mindert den Kaufpreis um 20 %. Nach 9x Nachbesserung verlangt K "großen Schadensersatz".
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Einordnung des Falls
Kein Nebeneinander von Minderung und großem Schadensersatz wegen desselben Sachmangels
Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Sachmangel ist erheblich (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB).
Ja, in der Tat!
Der Käufer kann den großen Schadensersatz nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (sog. Bagatellgrenze). Das Erfordernis soll einen Gleichklang mit den Rücktrittsvoraussetzungen bewirken: Der Käufer kann nach § 323 Abs. 5 BGB nur zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist. Dieses Kriterium soll der Käufer nicht umgehen können, indem er den großen Schadensersatz verlangt (der wirtschaftlich eine Kombination von Rücktritt und kleinem Schadensersatz ist). Vorliegend musste der Pkw bereits 9x nachgebessert werden, das ist nicht unerheblich.
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2. K hat durch sein Schadensersatzverlangen die Minderung widerrufen. Damit ist der Weg frei, den großen Schadensersatz zu verlangen.
Nein!
Gestaltungsrechte werden durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen ausgeübt. Mit Zugang werden sie unwiderruflich wirksam, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB (Weidenkaff, in: Palandt, 77. A., § 441 RdNr. 10). K kann die Minderung nicht mehr rückgängig machen.
Auch aus der Vorschrift des § 325 BGB, wonach durch den Rücktritt das Recht, Schadensersatz zu verlangen, nicht ausgeschlossen wird, ergebe sich nichts anderes. Wenn überhaupt müsste man § 325 BGB analog anwenden, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Dies lehnt der BGH jedoch ab. Es bestünde keine planwidrige Regelungslücke (RdNr. 60).
3. K kann neben der Minderung den großen Schadensersatz verlangen. Beide Rechte sind miteinander kombinierbar.
Nein, das ist nicht der Fall!
BGH: Der Käufer müsse sich für oder gegen die Vertragserhaltung entscheiden. Minderungdiene dem Zweck, das Äquivalenzinteresse zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherzustellen, wenn der Käufer die Sache behält. Beim großen Schadensersatz gebe der Käufer die Kaufsache zurück und erhalte dafür vollen Ausgleich (§ 281 Abs. 5 BGB). Wirtschaftlich stelle dies eine Rückabwicklung des Kaufvertrages dar. Zurückgeben und behalten ginge aber nicht beides. Dementsprechend sehe § 441 Abs. 1 S.1 BGB vor, dass der Käufer auch nur entweder zurücktreten oder mindern kann ("statt zurückzutreten") (RdNr. 32ff.).
4. Herstellungsbedingte Qualitätsmängel und eine daraus folgende generelle Fehleranfälligkeit eines Kfz ("Montagsauto") begründen automatisch einen Sachmangel (§ 434 Abs. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Der BGH hat zwar 2013 definiert, dass ein "Montagsauto" vorliege, wenn der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers bei wertender und prognostischer Betrachtung die Befürchtung rechtfertige, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und das auch zukünftig nicht über längere Zeit frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird (BGH, Urt. v. 23.01.2013 – Az. VIII ZR 140/12 RdNr. 26). Allerdings hat er in diesem Urteil ausdrücklich erwähnt, dass er nicht darüber befunden habe, dass ein solches Montagsauto schlechthin einen Mangel i.S.v. § 434 BGB begründet (davon ging jedoch die Vorinstanz aus). Vielmehr habe sich der Senat damals nur mit der Frage beschäftigt, inwiefern ein "Montagsauto" die Voraussetzungen des § 440 Abs. 1 Var. 3 BGB erfüllt (BGH, Urt. v. 09.05.2018 - VIII ZR 26/17, RdNr. 20). Die bloße Tatsache, dass K diese Befürchtung nach 9 Nachbesserungsversuchen hegt, rechtfertigt somit nicht die Begründung eines Mangels. Da allerdings ein herstellungsbedingter Qualitätsmangel besteht, ist das Auto mangelhaftWie ihr seht, machen auch mal die Oberlandesgerichte Fehler, indem nicht "gründlich genug" gelesen wird!
5. Bevor K den großen Schadensersatz verlangen kann, muss er dem B eine Frist setzen (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 u. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB).
Nein!
Es bedarf der Fristsetzung nicht, wenn eine weitere Nacherfüllung dem Käufer unzumutbar ist (§ 440 S. 1 Var. 3 BGB). Das kann z.B. der Fall sein, wenn eine Abhilfe mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Käufer verbunden ist. Paradebeispiel ist das sog. "Montagsauto" (Jacoby/von Hinden, Studienkommentar BGB, § 440 RdNr. 4).Da K Käufer eines Montagsautos ist, musste er hier keine weitere Frist setzen. 6. Wenn K zusätzlich zu dem mangelbedingten Minderwert der Sache weitere Schäden erlitten hat (z.B. entgangenen Gewinn), kann er diese als kleinen Schadensersatz statt der Leistung (§§ 437 Abs. 1 Nr. 3, 280 Abs. 1,2, 281 Abs. 1) neben der Minderung geltend machen.
Genau, so ist das!
Das ergibt sich aus § 437 BGB: "... kann der Käufer ... mindern ... und ... Schadensersatz verlangen." Davon erfasst sind jedoch nur Schäden, die durch die Minderung nicht abgegolten sind. Hinsichtlich derselben Vermögenseinbuße schließen sich Minderung und kleiner Schadensersatz statt der Leistung aus (RdNr. 33).
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