Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Geltung kraft Gesetzes als Willenserklärung, normiertes Schweigen (§ 362 Abs. 1 S. HGB)

Geltung kraft Gesetzes als Willenserklärung, normiertes Schweigen (§ 362 Abs. 1 S. HGB)

22. November 2024

4,7(32.449 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Reiselustiger R erhält von Kaufmann K exklusiv einen Reiseprospekt. Daraufhin bittet R den K schriftlich um die Buchung einer Luxus-Kreuzfahrt zu den Malediven. Die Reise ist bereits ausgebucht. K versäumt es aber, R zeitnah abzusagen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Geltung kraft Gesetzes als Willenserklärung, normiertes Schweigen (§ 362 Abs. 1 S. HGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat durch Übersenden des Prospekts ein Angebot auf Abschluss eines Reisevertrags (§ 651a BGB) abgegeben.

Nein!

Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrags nur von dessen Einverständnis abhängt. Würde K sich durch das Versenden der Prospekte bereits rechtlich binden wollen, könnte eine unbegrenzte Zahl an Personen, durch Annahmen Vertragsschlüsse zustande bringen. K würde Gefahr laufen, Verträge zu schließen, die er nicht erfüllen kann, weil er nur begrenzt über Reiseplätze verfügt. Mangels Rechtsbindungswille liegt daher eine bloße Aufforderung zur Abgabe eines Angebots („invitatio ad offerendum“) vor.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. R hat mit seiner Bitte, die Kreuzfahrt zu buchen, ein Angebot auf Abschluss eines Reisevertrags (§ 651a BGB) abgegeben.

Genau, so ist das!

Ein Antrag (§ 145 BGB) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Vertragsschluss einem anderen so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrags nur von dessen Einverständnis abhängt. Er kann ausdrücklich erklärt werden oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen. In dem Schreiben des R an K, gerichtet auf Abschluss eines Reisevertrages, liegt ein solcher Antrag.

3. § 362 Abs. 1 HGB (Schweigen auf Vertragsangebote) enthält eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Schweigen kein Erklärungswert beizumessen ist.

Ja, in der Tat!

§ 362 Abs. 1 HGB normiert eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Schweigen kein Erklärungswert beizumessen ist. Voraussetzung ist, dass (1) der Empfänger des Angebots Kaufmann ist, (2) eine Geschäftsverbindung besteht (S. 1) oder der Empfänger sich zu einer Geschäftsbesorgung erboten hat (S. 2), (3) ein einschlägiger Antrag zugegangen ist und (4) nicht unverzüglich vom Empfänger abgelehnt wurde. Rechtsfolge ist die Fiktion der Annahme seitens des Empfängers und somit das Zustandekommen des Vertrags. § 362 Abs. 1 HGB dient insofern der Sicherstellung von Rechtssicherheit, Leichtigkeit und Schnelligkeit im Handels- und Geschäftsverkehr.

4. Das Schweigen des K ist kraft Handelsbrauch als Annahme zu werten (§ 362 Abs. 1 HGB).

Ja!

K ist Kaufmann (§ 1 HGB). Es besteht zwischen K und R zwar keine Geschäftsbeziehung. K hat sich aber durch die exklusive Übersendung des Prospekts zur Organisation und Durchführung einer Reise, d.h. einer "Geschäftsbesorgung", erboten. R übersendete daraufhin ein einschlägiges Angebot auf Abschluss eines Reisevertrages, welches K zuging (§ 130 Abs. 1 BGB). K antwortet nicht unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) auf dieses Angebot. Die Voraussetzungen von § 362 Abs. 1 HGB liegen somit vor, sodass das Schweigen des K als Annahme fingiert wird und zwischen ihm und R ein Reisevertrag zustande kam.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Gerald von Trivia

Gerald von Trivia

15.3.2021, 11:45:26

Müssten nicht beide Kaufleute iSd HGB sein, damit 362HGB hier wirkt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.3.2021, 10:05:59

Danke Dir für die Rückfrage, Gerald. Es ist in der Tat nicht notwendig, dass beide Beteiligte Kaufleute sind. Schau Dir hierzu am besten noch einmal den Gesetzestext des § 362 Abs. 1 HGB an. Aus diesem geht hervor, dass nur derjenige, der den Antrag erhält, Kaufmann sein muss (sog. einseitiges

Handelsgeschäft

). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Steinfan

Steinfan

16.4.2024, 15:53:32

Siehe § 345 HGB, welcher sich auch auf §

362 HGB

bezieht (vgl. MüKoHGB/Maultzsch, 5. Aufl. 2021, HGB § 345 Rn. 7).

Jura Craic

Jura Craic

3.12.2021, 22:47:51

R übersendet an K eine Anfrage. Eine Anfrage ist eine Bitte um Auskunft und somit eine unverbindliche Kontaktaufnahme und somit kein Angebot. Es ist vielmehr die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots an K.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.12.2021, 12:43:39

Hallo Jura Craic, in der Tat kann der Begriff "Anfrage" missverstanden werden. Wir haben den Sachverhalt insoweit etwas angepasst, um deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass es sich hier um ein rechtsverbindliches Angebot des R handelte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SI

siosin

5.8.2023, 19:26:55

Ich verstehe es so, dass wenn mir jemand exklusiv einen Prospekt zusendet, das nur mir gegenüber geschieht - eben exklusiv für mich. Damit ist aber das Argument, dass Rechtsbindungswillen fehle, weil man sich nicht einer unbestimmten Vielzahl von Personen gegenüber binden wollte, nicht anwendbar. Exklusiv mir, also nur mir, den Prospekt zuzusenden, ist dann als Angebot zu werten, nicht nur als

invitatio ad offerendum

. Das "exklusiv" im Sachverhalt spricht meiner Ansicht gegen diese Auslegung. Der Sachverhalt spricht dagegen nicht von einem reißerischen Werbeversprechen, einem "Exklusiven Angebot", das der objektive Empfänger nicht anders als eine invitatio verstehen wird. Sondern er spricht von einem Prospekt, der exklusiv zugesandt wird.

Marc-Randolph

Marc-Randolph

12.10.2023, 15:19:33

Exklusiv bedeutet nicht automatisch "nur einer Person". Exklusiv kann genauso bedeuten "nur einer ausgewählten Gruppe von Kunden", die auch nicht zwangsläufig kleiner sein muss, als Plätze zur Verfügung stehen. Ich kann deinen Gedanken nachvollziehen, ist aber m.E. zu eng gefasst.

AS

as.mzkw

23.8.2024, 10:57:13

Wäre das auch ein Anwendungsfach von § 663 BGB? Intuitiv würde ich sagen, dass das bloße Versenden eines Reiseprospekts noch kein “öffentliches Erbieten” ist.

AS

as.mzkw

23.8.2024, 10:57:29

*Anwendungsfall


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen