Geltung kraft Gesetzes als Willenserklärung, normiertes Schweigen (§ 362 Abs. 1 S. HGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Reiselustiger R erhält von Kaufmann K exklusiv einen Reiseprospekt. Daraufhin bittet R den K schriftlich um die Buchung einer Luxus-Kreuzfahrt zu den Malediven. Die Reise ist bereits ausgebucht. K versäumt es aber, R zeitnah abzusagen.
Einordnung des Falls
Geltung kraft Gesetzes als Willenserklärung, normiertes Schweigen (§ 362 Abs. 1 S. HGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat durch Übersenden des Prospekts ein Angebot auf Abschluss eines Reisevertrags (§ 651a BGB) abgegeben.
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Nein!
2. R hat mit seiner Bitte die Kreuzfahrt zu buchen ein Angebot auf Abschluss eines Reisevertrags (§ 651a BGB) abgegeben.
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Genau, so ist das!
3. § 362 Abs. 1 HGB (Schweigen auf Vertragsangebote) enthält eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Schweigen kein Erklärungswert beizumessen ist.
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Ja, in der Tat!
4. Das Schweigen des K ist kraft Handelsbrauch als Annahme zu werten (§ 362 Abs. 1 HGB).
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Ja!
Fundstellen
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Gerald von Trivia
15.3.2021, 11:45:26
Müssten nicht beide Kaufleute iSd HGB sein, damit 362HGB hier wirkt?

Lukas_Mengestu
16.3.2021, 10:05:59
Danke Dir für die Rückfrage, Gerald. Es ist in der Tat nicht notwendig, dass beide Beteiligte Kaufleute sind. Schau Dir hierzu am besten noch einmal den Gesetzestext des § 362 Abs. 1 HGB an. Aus diesem geht hervor, dass nur derjenige, der den Antrag erhält, Kaufmann sein muss (sog. einseitiges Handelsgeschäft). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jura Craic
3.12.2021, 22:47:51
R übersendet an K eine Anfrage. Eine Anfrage ist eine Bitte um Auskunft und somit eine unverbindliche Kontaktaufnahme und somit kein Angebot. Es ist vielmehr die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots an K.

Lukas_Mengestu
6.12.2021, 12:43:39
Hallo Jura Craic, in der Tat kann der Begriff "Anfrage" missverstanden werden. Wir haben den Sachverhalt insoweit etwas angepasst, um deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dass es sich hier um ein rechtsverbindliches Angebot des R handelte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
siosin
5.8.2023, 19:26:55
Ich verstehe es so, dass wenn mir jemand exklusiv einen Prospekt zusendet, das nur mir gegenüber geschieht - eben exklusiv für mich. Damit ist aber das Argument, dass Rechtsbindungswillen fehle, weil man sich nicht einer unbestimmten Vielzahl von Personen gegenüber binden wollte, nicht anwendbar. Exklusiv mir, also nur mir, den Prospekt zuzusenden, ist dann als Angebot zu werten, nicht nur als invitatio ad offerendum. Das "exklusiv" im Sachverhalt spricht meiner Ansicht gegen diese Auslegung. Der Sachverhalt spricht dagegen nicht von einem reißerischen Werbeversprechen, einem "Exklusiven Angebot", das der objektive Empfänger nicht anders als eine invitatio verstehen wird. Sondern er spricht von einem Prospekt, der exklusiv zugesandt wird.

Marc-Randolph
12.10.2023, 15:19:33
Exklusiv bedeutet nicht automatisch "nur einer Person". Exklusiv kann genauso bedeuten "nur einer ausgewählten Gruppe von Kunden", die auch nicht zwangsläufig kleiner sein muss, als Plätze zur Verfügung stehen. Ich kann deinen Gedanken nachvollziehen, ist aber m.E. zu eng gefasst.