(Un-)Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel, die Mindestlohn umfasst
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist seit Februar 2015 bei B angestellt und erhält vertraglich einen Stundenlohn von €15. Laut Arbeitsvertrag verfallen gegenseitige Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. B kündigt A. Vier Monate später macht A ausstehende Lohnansprüche geltend.
Einordnung des Falls
(Un-)Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel, die Mindestlohn umfasst
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat gegen B neben dem Anspruch aus dem Arbeitsvertrag (§ 611a Abs. 2 BGB) auch einen Anspruch auf Zahlung von Mindestlohn nach dem MiLoG.
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Genau, so ist das!
2. Die Ausschlussklausel des Arbeitsvertrages erfasst auch den Anspruch auf Mindestlohn.
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Ja, in der Tat!
3. Die Ausschlussklausel verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
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Ja!
4. Es wäre dem B zumutbar, die Ansprüche nach dem MiLoG von der Ausschlussklausel auszunehmen.
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Genau, so ist das!
5. § 3 S. 1 MiLoG ist lex specialis und verdrängt vorliegend das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2) und das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
6. Der Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) führt dazu, dass die gesamte Ausschluss-Klausel unwirksam ist und ersatzlos wegfällt.
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Ja!
7. Die im Arbeitsrecht gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 HS. 1 BGB gebotene angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts rechtfertigt die Aufrechterhaltung der Klausel.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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Yazzz
7.7.2021, 10:45:51
Hallo! Dies ist ein Examenstreffer! Eine solche Klausel war Thema in der aktuellen AW Klausur in Hessen (Juli 2021). Danke dafür! 😊
Marilena
8.7.2021, 14:02:46
Hi Yazzz, vielen Dank für den Hinweis!! Das freut uns sehr!
frausummer
26.7.2022, 19:53:43
Mir erschließt sich das Problem nicht wirklich. Mit 15€ liegt A doch über dem Mindestlohn, was genau macht er denn dann nach vier Monaten geltend? Selbst wenn die Klausel wegen § 307 II gegen das MiLoG verstößt, hat A doch keinen Vorteil dadurch
Lukas_Mengestu
27.7.2022, 11:54:05
Hallo frausummer, vielen Dank für Deinen Hinweis. Im Ausgangssachverhalt ging es um noch ausstehende Ansprüche auf Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Diese wollte der Arbeitgeber unter Verweis auf die Verfallklausel nicht zahlen. Wir haben den Sachverhalt hier noch etwas präzisiert, sodass deutlicher wird, dass A noch Lohnansprüche zustehen. Da die Ausschlussklausel aufgrund des fehlenden Ausschlusses von MiLo-Ansprüchen insgesamt unwirksam ist, unterliegen die ausstehenden Lohnansprüche dann nur der normalen Regelverjährung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team