Mangelhafte Kaufsache – Anfängliche Unmöglichkeit
13. April 2025
24 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Adelige A kauft bei Händler H einen antiken Ring, der laut H 24 Karat Gold haben soll. A bezahlt den objektiven Wert von €10.000. Später stellt sich heraus, dass der Ring in Wahrheit nur 12 Karat Gold aufweist und €5.000 wert ist, was H hätte erkennen müssen.
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Einordnung des Falls
Mangelhafte Kaufsache – Anfängliche Unmöglichkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer unter weiteren Voraussetzungen Schadensersatz verlangen (§§ 437 Nr. 3 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. A kann den Minderwert des Ringes als Schadensersatz neben der Leistung geltend machen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Anspruch aus § 311a Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Leistung von Anfang an unmöglich ist.
Ja, in der Tat!
4. Die Leistung des H – Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) war hier von Anfang an unmöglich.
Ja!
5. H hat die anfängliche Unmöglichkeit nicht zu vertreten, weil er den Ring nicht selbst geschmiedet hat.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. A kann sich dafür entscheiden, den Ring zu behalten und gleichzeitig Ersatz des Minderwerts fordern (kleiner Schadensersatz).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
PlatschekJünger
22.8.2022, 08:37:01
Widerspricht es sich nicht erst bei der Abgrenzung zu sagen, dass eine gedachte Nacherfüllung möglich ist, in dem der Ring durch die 12 Karat „aufgepumpt“ wird und man dann später sagt, dass die Mangelbeseitigung von Anfang an unmöglich ist, weil der Ring nicht mit mehr Karat versehen werden kann?
Larissa3
25.8.2022, 15:29:13
Es geht dabei nur um die hypothetisch gedachte Nacherfüllung und nicht darum, ob sie wirklich so möglich ist.
Marius
8.1.2023, 16:11:18
Wie „PlatschekJünger“ tue ich mich mit dieser Erklärung sehr schwer: mit jedweder ausgedachten, hypothetischen Nacherfüllung kann ich ja alles reparieren, eben gerade wenn es nicht darauf ankommt ob das tatsächlich möglich ist: Zauberstäbe zum wegzaubern der Unfallwageneigenschaft eines Gebrauchtwagens, Zeitreisen um ein Produkt doch noch herzustellen, Goldschmuck mit Karat aufpumpen. Wenn es danach ginge, gäbe es doch nichts was sich nicht hypothetisch reparieren ließe.
Marius
10.1.2023, 17:03:08
Ich habe nochmal darüber nachgedacht und rudere zurück: die hypothetische Nacherfüllung ist ja eben gerade eine Testfrage. Mein vorheriger Beitrag ist damit für die Tonne. :)

Johannes Nebe
16.11.2023, 20:17:49
Schade, dass Marius seine Anmerkung zurückgezogen hat. Denn ich würde ihm doch recht geben. Man kann die hypothetische Nachholung der Leistung oder die Nacherfüllung nicht ins Endlose und über die Naturgesetze hinaus treiben. Der Gedanke bringt nur etwas, wenn die Möglichkeit der Nachholung oder der Nacherfüllung unterstellt werden kann (vgl. Looschelders SchuldR AT § 24 Rn. 17). Wo sollte sonst die Grenze zum endgültigen
Schadenseintritt gezogen werden? Die Auswüchse sehen wir hier in dem Fall: Eine Legierung, die 50 % Gold enthält, kann nicht auf einen Gehalt von 100 % gebracht werden. "Hypothetisch" heißt nicht phantastisch.
QuiGonTim
21.2.2024, 23:59:03
M.E. ist hier von Bedeutung, dass es sich von Anfang an um eine
Stückschuldhandelte. Die Parteien haben vereinbart, dass der Verkäufer genau den einen Ring im Zustand zum Zeit des Vertragsschlusses übergibt (+dass er 24 Karat hat). Zwar ließe sich - unabhängig von den technischen Möglichkeiten - hinzudenken, dass der Verkäufer den Ring aufpumpen lässt, aber dann würde es sich eben nicht mehr um den einen Ring (sie zu knechten, sie alle zur finden… 😋) im Zustand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses handeln. Der
Schadenkönnte also nicht durch Nacherfüllung behoben werden.

Paulah
16.8.2024, 10:32:41
Ich halte die Lösung auch für falsch. In der Erklärung steht ausdrücklich in roter und fetter Schrift: "Bei Unmöglichkeit der Leistung muss man sich fiktiv eine m ö g l i c h e Nacherfüllung vorstellen." Die Nacherfüllung ist aber fiktiv nicht möglich. "Hypothetisch m ö g l i c h" wäre für mich etwas, dass zwar theoretisch vorgenommen werden könnte, aber in dem speziellen Fall aus irgendwelchen Gründen nicht geht - wie der berühmte Ring im See, der herausgeholt werden müsste. Geht theoretisch, funktioniert praktisch aber nicht.
Johannes
9.11.2024, 08:00:26
Aus den von meinen Vorrednern genannten Gründen habe ich auch nie verstanden, weshalb nach der zeitlich dynamischen Abgrenzung nicht jeder auf einem anfänglich unbehebbaren Mangel beruhender
Schadenunter
Schadensersatz statt der Leistungfällt. Denn diese Schäden können bei einer Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt logischerweise nicht entfallen, weil die Nacherfüllung ja zu keinem Zeitpunkt möglich war.

prefi
27.1.2025, 16:16:22
@[Lukas_Mengestu](136780) Könntet ihr das eventuell klarstellen? :)
Tinki
2.2.2025, 18:38:46
würde mich auch interessieren!:) @[Sebastian Schmitt](263562) @[Lukas_Mengestu](136780) @[Linne_Karlotta_](243622)

Tim Gottschalk
3.2.2025, 18:35:42
Hallo @[PlatschekJünger](173233), @[Johannes Nebe](174311), @[Marius](82187), @[Paulah](135148), @[QuiGonTim](133054), @[Johannes](160619), @[prefi](287187) und @[Tinki](200906), ich muss @[Larissa3](185700) hier zustimmen. Die Frage stellt sich vorliegend im Rahmen der Abgrenzung zwischen
Schadensersatz statt der Leistungund
Schadensersatz neben der Leistung. Dabei kommt es nach herrschender Meinung darauf an, ob die Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt den
Schadenbeheben würde (dann liegt
Schadensersatz statt der Leistungvor) oder nicht (dann liegt
Schadensersatz neben der Leistungvor). Ob die Nacherfüllung möglich ist, ist dafür irrelevant. Machen wir es doch mal am Beispiel vom Gebrauchtwagen, der als Mangel ein Unfallwagen ist. Wie @[Marius](82187) bereits sagte, kann diese Eigenschaft logischerweise nicht geändert werden, eine Nacherfüllung ist hier unmöglich. Gehen wir auch mal davon aus, dass es keinen anderen Gebrauchtwagen gibt, der ähnlich genug wäre, um für eine
Nachlieferung bei Stückschuldin Betracht zu kommen. Dennoch muss auch in diesem Fall zwischen
Schadensersatz statt der Leistungund
Schadensersatz neben der Leistungunterschieden werden. Wenn der Wagen aufgrund seines Vor
schadens spontan in der Garage des Käufers explodiert und diese zum Einsturz bringt, dann würde eine hypothetische Nacherfüllung zum letztmöglichen Zeitpunkt diesen
Schadennicht beseitigen. Denn die Nacherfüllung würde nur das Auto heil machen und nicht die Garage. Dass die Nacherfüllung nicht möglich ist, ist dafür irrelevant. Auch mit dem genannten Zauberstab würde das nichts daran ändern, dass die Nacherfüllung die Garage nicht repariert. Denn der Verkäufer ist im Wege der Nacherfüllung nur zur "Reparatur" des Autos verpflichtet. Der Minderwert, den das Auto selbst dadurch hat, dass es ein Unfallwagen ist, würde durch die Nacherfüllung, also bspw. die Benutzung des Zauberstabs dagegen entfallen. Dabei handelt es sich also um einen
Schadensersatz statt der Leistung. Insofern ist im vorliegenden Fall auch die Abgrenzung mittels eines fiktiven, nicht tatsächlich möglichen Verfahrens richtig. So ist auch der von @[Paulah](135148) zitierte Teil der Lösung gemeint: Wenn keine Nacherfüllung möglich ist, muss man die Abgrenzung unter der fiktiven Annahme, dass eine Nacherfüllung möglich wäre, machen. Ob man sich dabei nun übernatürliche Methoden vorstellt oder nicht, ändert am Ergebnis nichts. Ich hoffe, ich konnte das verständlicher machen. Viele Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)

Paulah
6.2.2025, 11:03:32
Dankeschön! Der letzte Absatz hat den Knoten gelöst!
Diaa
3.10.2023, 07:44:52
Aber bevor man überhaupt einen Anspruch aus § 280 ablehnt, sollte man zuerst die Problematik der
Nacherfüllung bei Stückschulddarstellen und dann nach Bejahung mit § 281 beginnen oder?
Leo Lee
7.10.2023, 16:10:25
Hallo Diaa, es stimmt natürlich, dass auch in diesem Fall eigentlich der Streit angesprochen werden sollte. Wir haben jedoch darauf verzichtet, um den Rahmen dieses Falles – der sich zunächst nur auf den allgemeinen Teil fokussieren soll – nicht zu sprengen und bitten diesbzgl. Um Nachsicht. I.Ü. wäre auch hier nach der wohl h.M. die Unmöglichkeit der Nachlieferung gegeben, da auch nach dem Parteiwillen gem. §§ 135, 157, 242 BGB der spezifische Ring nicht vertretbar/ersetzbar sein dürfte. Eine Aufgabe zu dieser Problemstellung findest du im Kapitel zur Nacherfüllung unter diesem Link: https://applink.jurafuchs.de/3PtocLAtHDb. Außerdem kann ich zu dem Streitstand die Lektüre von MüKo-BGB 8. Auflage, Westermann § 439 Rn. 15 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
JonG
14.10.2024, 11:43:49
Ich würde vorschlagen, den Sachverhalt von "antiker Ring" zu "einzigartiger Ring" oder etwas in die Richtung zu ändern. Der Aufgabensteller wollte ja anscheinend bewusst dafür sorgen, dass man eine Mischung aus Un
erfüllbarkeitder Nachbesserung (objektiver Wert des Ringes) und Unmöglichkeit einer Ersatzlieferung (antiker Ring) schaffen. Zumindest würde ich das so aus den verschiedenen Erklärungsversuchen für diesen schließen.

Tim Gottschalk
3.2.2025, 18:42:40
Hallo @[JonG](256553), Danke für deinen Vorschlag. In der Tat soll in dem Fall jegliche Form der Nacherfüllung unmöglich sein. Eine Änderung braucht es dafür meines Erachtens nach allerdings nicht. Insbesondere hat die Unmöglichkeit der Nachbesserung hier nichts damit zu tun, dass der Ring einen bestimmten Wert hat, sondern vielmehr damit, dass man den Goldgehalt eines bestimmten Ringes schlicht nicht verändern kann, jedenfalls nicht auf 100% (24 Karat), ohne dass man einen völlig neuen Ring herstellt und er nicht mehr dem geschuldeten, antiken Stück entspricht. Insofern passt die Bezeichnung "antiker Ring" dafür mindestens genauso gut. Viele Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)