Kontrollfall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
R betreibt ein Restaurant mit einem Biergarten. Die Gemeinde verpflichtet R, pro Sitzplatz im Freien eine „Lärmabgabe“ zu zahlen. Neben Rs Restaurant befindet sich Bäcker B, der drei Stehtische im Freien hat. B muss keine „Lärmabgabe“ zahlen. R findet das unfair.
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Einordnung des Falls
Kontrollfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verpflichtet den Staat, Menschen gleichzubehandeln, die miteinander in wesentlicher Hinsicht vergleichbar sind.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Sind Rs Restaurant mit Biergarten und Sitzplätzen im Freien auf der einen Seite und Bs Bäckerei mit Stehplätzen im Freien auf der anderen Seite in wesentlicher Hinsicht miteinander vergleichbar?
Nein!
3. Muss eine Ungleichbehandlung von Situationen, die in wesentlicher Hinsicht ungleich sind, verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Toralf
3.3.2022, 11:39:49
Geniale Zeichnung! :D
Marilena
4.3.2022, 14:57:43
Vielen Dank für das Lob Toralf, das gebe ich gerne an unseren Illustrator weiter. Beste Grüße Marilena für das Jurafuchs-Team
Foxxy
29.7.2024, 13:10:44
Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
25.3.2022, 00:45:18
Ab welcher Schwelle kann denn von einer wesentlichen Gleichheit gesprochen werden? Vorliegend habt ihr die Gleichheit im Bezugspunkt „Betrieb“ bejaht.
Lukas_Mengestu
25.3.2022, 19:43:32
Hallo QuiGonTIm, super Frage. Aufgrund der Unschärfe dieses Begriffes ist dies leider immer eine Einzelfallentscheidung. Eine abstrakte Bestimmung lässt sich hier nur schwer treffen. Grundsätzlich wird die Voraussetzung der Wesentlichkeit sehr großzügig angewendet, sodass im Zweifel eher von einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte ausgegangen wird (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, 16.A. 2020, Art. 3 RdNr. 11). Teilweise wird sogar dafür plädiert, die Vergleichbarkeit gar nicht mehr als Kriterium für die Eröffnung des Schutzbereiches zu verwenden, da ein Vergleich letztlich immer möglich sei (vgl. hier zB im Hinblick auf "Betrieb" oder "Äpfel und Birnen", die ja beides Obst sind...). Vielmehr solle diese Frage immer nur auf Ebene der Rechtfertigung relevant sein. Denn je verschiedener die Sachverhalte, desto leichter liesen sich unterschiedliche Behandlungen rechtfertigen (so Kischel, in: BeckOK-GG, 50.Ed. 15.02.2022, Art. 3 RdNr. 18). Solang es sich in der Klausur also keine deutlichen Unterschiede zeigen, kannst Du im Zweifel auch die Vergleichbarkeit bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
CanDMRCV
20.4.2022, 00:47:52
Die hier vertretene Lösung bereitet mir leider Bauchschmerzen: Die Vergleichbarkeit zu verneinen hat zur Folge, die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen zu müssen. Das hat das BVerfG in der Vergangenheit getan, um unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen. Am eindrücklichsten dürfte BVerfGE 6, 389 für diese Praxis sein. Dies vereitelt einen effektiven Grundrechtsschutz. Weiterhin verstößt es auch gegen die Regeln der Logik: Ob etwas vergleichbar ist oder nicht, kann nur das Ergebnis eines vorhergegangenen Vergleichs sein.
Lukas_Mengestu
22.4.2022, 13:04:59
Hallo CanDMRCV, in der Tat ließe sich hier auch sehr gut ein anderes Ergebnis vertreten. Teilweise wird in der Literatur auch dafür plädiert generell das Erfordernis der Vergleichbarkeit abzuschaffen und alles im Rahmen der Rechtfertigung zu prüfen (s. paralleler Thread). Denn mit ein wenig Kreativität lässt sich letztlich immer ein gemeinsamer Oberbegriff finden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Simon
9.7.2022, 22:37:11
Das "richtige" Prüfungsschema beim allg. Gleichheitssatz ist in der Literatur ziemlich umstritten. Hinzu kommt, dass auch das BVerfG hier nicht immer einheitlich prüft. Tatsächlich kann eine wesentliche Vergleichbarkeit immer nur im Bezug auf ein bestimmtes Unterscheidungskriterium festgestellt werden, sodass -wie CanDMRCV anmerkt- die wesentliche Vergleichbarkeit in gewisser Weise das Ergebnis der Prüfung ist. Dennoch finde ich, dass man das weit verbreitete Schema (Vergleichsgruppen, tertium comparationis, wesentliche Vergleichbarkeit, Rechtfertigung) -auch wegen der besseren Strukturierung der Prüfung- nicht völlig aufgeben sollte. Insoweit könnte man einen Mittelweg gehen. (1) Feststellen der Vergleichsgruppen: Hier Gastwirtschaft mit Außensitzplätzen und sonstiger Betrieb, der Speisen und Getränke anbietet, mit Stehplätzen im Freien. (2) Bezugspunkt der Ungleichbehandlung: Entrichtung einer Lärmabgabe bzw. eben keine Entrichtung. (3) Wesentliche Vergleichbarkeit der Gruppen im Hinblick auf Sinn und Zweck des Bezugspunktes: Telos der Lärmabgabe ist es, einen Ausgleich zu schaffen für den erhöhten Lärmpegel unter dem die Allgemeinheit leidet. Insofern wird man hier in der Tat keine wesentliche Vergleichbarkeit annehmen können, da von den wenigen Stehplätzen vor der Bäckerei so gut wie kein Lärmpegel ausgeht. Anders wohl, wenn die Bäckerei zumindest auch einige Sitzplätze hat, denn dann könnte man (je nach Sitzplatzanzahl) von einem gewissen Lärmpegel ausgehen, der wenigstens eine wesentliche Vergleichbarkeit herstellt. (4) Rechtfertigung: Hier wäre dann zu prüfen, ob (in meiner Abwandlung) die beiden Sachverhalte im Hinblick auf Sinn und Zweck der Lärmabgabe so verschieden sind, dass es gerechtfertigt erscheint, von der Bäckerei überhaupt keine Abgabe zu erheben, oder ob man zwecks Verhältnismäßigkeit eine verringerte Abgabe erheben müsste.