Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2017
Licht-aus-bei-Dügida-Fall
Licht-aus-bei-Dügida-Fall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Oberbürgermeister OB lässt während einer Versammlung der islamfeindlichen „Dügida“-Bewegung die Beleuchtung städtischer Gebäude ausschalten. Auf seiner amtlichen Website ruft OB zur Nachahmung auf sowie dazu, sich der Gegendemonstration „Demokratie und Vielfalt“ anzuschließen.
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Einordnung des Falls
Als Reaktion auf eine Demonstration der Initiative „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Dügida) rief der Düsseldorfer Oberbürgermeister auf der offiziellen Homepage der Stadt dazu auf, die Außenbeleuchtung an Gebäuden auszuschalten, um ein „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zu setzen. Zusätzlich bat er darum, an einer Gegendemonstration teilzunehmen. Der Oberbürgermeister schaltete tatsächlich das Licht an städtischen Gebäuden aus. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich 2017 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Verhalten des Oberbürgermeisters rechtmäßig war. Im Mittelpunkt stehen Probleme des Staatsorganisationsrechts. Im Kern geht es um die Frage, in welchem Umfang Amtsträger in Ausübung ihres Amtes in öffentlichen politischen Auseinandersetzungen Stellung beziehen dürfen. Nehmen staatliche Amtsträger Einfluss auf die freie Bildung der öffentlichen Meinung, steht dies in Konflikt mit dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Denn die Willensbildung des Volkes soll sich frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich „staatsfrei“ vollziehen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts enthält wichtige Weichenstellungen zu den Grenzen zulässiger politischer Kommunikation von kommunalen Amtsträgern, insbesondere zum Sachlichkeitsgebot.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Verletzt mit seinen Maßnahmen OB das strikte Neutralitätsgebot bei amtlichen Äußerungen gegenüber V?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hält OB‘s Aufruf zur Teilnahme an der Gegendemonstration die Grenzen des Sachlichkeitsgebot bei amtlichen Äußerungen ein?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Sind das Löschen der Beleuchtung und die Aufrufe des OB rechtswidrig, weil es keine gesetzliche Befugnis dafür gibt?
Nein!
4. Verstößt mit dem Löschen der Beleuchtung städtischer Gebäude und dem Aufruf zur Nachahmung OB gegen das Sachlichkeitsgebot bei amtlichen Äußerungen?
Genau, so ist das!
5. Kann „Dügida“s Versammlungsleiterin V nach der Versammlung per Fortsetzungsfeststellungsklage rügen, dass die Maßnahmen des OB rechtswidrig waren?
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Leon
30.8.2021, 12:20:33
Examenstreffer Berlin-Brandenburg Oktober 2019
Lukas_Mengestu
31.10.2021, 20:19:42
Super Leon, danke Dir!
Philipp Paasch
21.7.2022, 00:03:36
Aufgrund welcher Grundlage kann der OB eigentlich die Lichter ausschalten lassen? Wäre das nicht etwas für die Stadtwerke?
Nora Mommsen
11.8.2022, 10:23:35
Hallo Philipp Paasch, nach umstrittener Rechtsprechung des BVerfG folgt die Befugnis zu staatlichem Informationshandeln und amtlichen Äußerungen unmittelbar aus der Aufgabe der Staatsleitung (vgl. Art. 65 GG). Im Fall des Oberbürgermeisters leitet diese sich aus dem Grundsatz der Aufgabenzuweisung der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) her. Sie ist begrenzt durch den Zuständigkeitsbereich des Amtsträgers, hier also auf alle Themen der örtlichen Gemeinschaft. Außerdem sind das Gebot politischer Neutralität sowie das Sachlichkeitsgebot einzuhalten. Gegen letzteres hat der Oberbürgermeister im vorliegenden Fall nach Ansicht des OVG Münster verstoßen. Praktisch kann der Oberbürgermeister natürlich nicht alle Schalter umlegen oder den Strom eigenhändig abschalten. Die konkrete Ausgestaltung der unterschiedlichen Stadtwerke ist sehr unterschiedlich. In der Regel lässt das Kommunalrecht kein direktes Weisungsrecht zu. Vielmehr werden Vertreter in die unterschiedlichen Gremien der Gesellschaft entsandt. In NRW ist es beispielsweise folgendermaßen ausgestaltet: "Die Vertreter der Gemeinde in ... Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsräten oder entsprechenden Organen von juristischen Personen oder Personenvereinigungen, an denen die Gemeinde beteiligt ist, ... sind an die Beschlüsse des Rates und seiner Ausschüsse gebunden." (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 GO NRW). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
roadrunnert
4.12.2023, 21:22:31
Ein VA liegt ja weiterhin nicht vor. Also bliebe nur, dass V die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt. Aber was für ein Rechtsverhältnis soll das sein?