Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

Statthaftigkeit FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Wegfall des Regelungsobjekts)

Statthaftigkeit FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Wegfall des Regelungsobjekts)

21. Mai 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die kleine Hexe (H) bekommt einen Bescheid, nach dem sie ihr Hexenhaus renovieren soll. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren ficht H den Bescheid an. Noch bevor das Gericht über die Klage entscheidet, brennt das Haus ab.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Wegfall des Regelungsobjekts)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthaft ist die allgemeine Feststellungsklage, wenn der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts begehrt.

Nein!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Begehrt der Kläger die Feststellung, dass ein ursprünglich wirksamer Verwaltungsakt rechtswidrig war, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Ob ein verwaltungsrechtliches Handeln rechtswidrig war, ist gerade kein Fall der (allgemeinen) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO). Denn hierbei handelt es sich nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.
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2. Ein Verwaltungsakt hat sich erledigt, wenn er sich inhaltlich erschöpft hat.

Genau, so ist das!

Erledigung i.S.d. § 43 Abs. 2 VwVfG, § 113 Abs. 1 S. 4 VwVfG bedeutet, dass sich der Verwaltungsakt inhaltlich erschöpft hat und alle seine in die Zukunft weisenden Rechtswirkungen weggefallen sind. D.h., dass der vollzugsfähige Inhalt des Verwaltungsakts gegenstandslos geworden ist und eine Anfechtung daher sinnlos ist.

3. Die Anfechtung eines Verwaltungsakts ist sinnlos, wenn das Objekt, auf den sich die Regelung des Verwaltungsakts bezieht, weggefallen ist.

Ja, in der Tat!

Ein Merkmal der Erledigung eines Verwaltungsakts ist es, dass die Anfechtung des Verwaltungsakts sinnlos wäre. Dass ist der Fall, wenn der vollzugsfähige Inhalt des Verwaltungsakts gegenstandslos geworden ist. Dies kann insbesondere dadurch passieren, dass das Regelungsobjekt, auf das sich der Verwaltungsakt bezieht, wegfällt. Der Verwaltungsakt kann dann nicht mehr vollzogen werden. Aus Sicht des Klägers gibt es deswegen keinen Grund, noch weiter gegen den Verwaltungsakt vorzugehen. Denn die Regelung des Verwaltungsakts läuft ins Leere. Ferner erledigt sich ein Verwaltungsakt auch, wenn das Regelungssubjekt wegfällt, also z.B. bei Tod des Adressaten höchstpersönlicher Rechte.

4. Dadurch, dass Hs Haus abgebrannt ist, hat sich der Bescheid über die Renovierung erledigt. Statthaft ist die Fortsetzungsfeststellungsklage.

Ja!

Ein Verwaltungsakt kann sich dadurch erledigen, dass das Regelungsobjekt wegfällt. Der Verwaltungsakt kann dann nicht mehr vollzogen werden. Aus Sicht des Klägers gibt es deswegen keinen Grund, noch weiter gegen den Verwaltungsakt vorzugehen. Der Bescheid hat von H verlangt, dass sie ihr Haus renoviert. Nun ist ihr Haus abgebrannt, d.h. weder H kann renovieren, noch kann die Renovierung zwangsweise vollzogen werden. Der Bescheid entfaltet daher keine Beschwer mehr für H. Eine Anfechtung ist sinnlos. In Betracht kommt nur ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BBE

bibu knows best

17.7.2022, 13:16:13

Wo läge denn hier das

Feststellungsinteresse

?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

2.8.2022, 13:58:29

Hallo bibu knows best, unsere Fälle sind aus didaktischen Gründen manchmal nur zum Teil in der Lösung durchgelöst. Die Fallgruppen des

Fortsetzungsfeststellungsinteresse

s bei der

Fortsetzungsfeststellungsklage

sind: Wiederholungsgefahr,

Rehabilitationsinteresse

, tiefgreifender Grundrechtsreingriff und Vorbrereitungs einer

Amtshaftungsklage

. Der Sachverhalt ist vorliegend zu kurz um eine davon identifizieren zu können. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Johannes Nebe

Johannes Nebe

9.3.2023, 08:02:46

Ich weiß nicht, ob es ein so gutes Argument gegen die

allgemeine Feststellungsklage

ist, dass der rechtswidrige Verwaltungsakt kein

feststellungsfähiges Rechtsverhältnis

ist. § 43 I Var. 3 VwGO bezieht sich doch gar nicht mehr auf ein "

Rechtsverhältnis

", sondern nennt davon unabhängig den nichtigen Verwaltungsakt (der natürlich etwas anderes ist als der rechtswidrige).

LRS

LRS

1.4.2023, 13:29:29

Ich habe mich auch gefragt, wie das Verhältnis zur

Nichtigkeitsfeststellungsklage

hier ist, denn der Verwaltungsakt wird doch - durch den Wegfall des Regelungsobjekts - auch gem. 44 II Nr. 4 VwVfG nichtig. Besteht da ein Unterschied? Weiß das jemand? :)

Steen

Steen

22.7.2023, 03:04:51

Soweit ich mich erinnern kann ist die

Feststellung

der Nichtigkeit eines VA und der

Rechtswidrigkeit

eines VA nicht das gleiche. Im vorliegenden Fall wird die

Rechtswidrigkeit

des erledigten VA gerichtlich festgestellt. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist wirksam, bis er sich durch Aufhebung erledigt hat. Ich denke, dass der Verwaltungsakt weiterhin Wirkung entfaltet, auch wenn er gegenstandslos geworden ist. Also wird die

Rechtswidrigkeit

festgestellt muss ihn die

Behörde

aufheben oder ändern. Ein nichtiger VA ist von Anfang an unwirksam. Die

Nichtigkeitsfeststellungsklage

ist einschlägig wenn der Kläger die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts feststellen möchte. Diese Klageart ist sinnvoll, wenn der Kläger die Nichtigkeit eines VA im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung feststellen möchte. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet. Korrigiert mich gerne, wenn ich da falsch liege.

Carlium

Carlium

2.3.2025, 22:07:59

Warum ist hier keine

Nichtigkeitsfeststellungsklage

statthaft? Den VA kann ja aus tatsächlichen Gründen auch niemand mehr ausführen ( 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG)

AN

annsophie.mzkw

14.3.2025, 12:54:12

Im Moment der Klageerhebung war er (noch) tatsächlich ausführbar. Da man zur Bestimmung der statthaften Rechtsschutzform auf das Begehren des Klägers abstellt (§§ 88, 86 III VwGO) ist nicht davon auszugehen, dass es der H im Moment der Klageerhebung auf die

Feststellung

der Nichtigkeit des VAs nach § 44 II Nr. 4 VwVfG ankam. Denn in dem Moment existierte das Haus noch.

Mephisto

Mephisto

14.4.2025, 14:11:24

M. E. wäre es hier - auch in Anbetracht der Parallelen Threads und der Tatsache, dass ihr einen fast gleichbelagerten Fall im Kapitel zur

Feststellungsklage

mit der

Nichtigkeitsfeststellungsklage

löst- sinnvoll, wenn die

FFK

von der

Nichtigkeitsfeststellungsklage

abgegrenzt werden würde, da hier nach § 44 II Nr. 4 VwVfG eine nachträgliche Nichtigkeit des VA eingetreten ist.

JUDI

judith

22.4.2025, 12:48:02

Ich stimme Dir zu, dass man bei diesem SV auch eine

Nichtigkeitsfeststellungsklage

einschlägig sein könnte und die Abgrenzung zur

FFK

bei der statthaften Klageart auf jeden Fall angesprochen werden sollte. Dies wird in der ersten Frage auch etwas knapp dargestellt. M.E. nach ist die Wahl der

FFK

als

statthafte Klageart

hier jedoch aufgrund der

Subsidiarität der Feststellungsklage

richtig. Zudem richtet sich der klägerische Begehr lt. Frage 1 auf die

Feststellung

der

Rechtswidrigkeit

eines erledigten VAs und nicht auf die

Feststellung

der Nichtigkeit. Die Nichtigkeit des VAs ist durch Erledigung in sonstiger Weise nach § 43 II Var.5, III VwVfG schon eingetreten (das Haus ist abgebrannt). Über die

Feststellung

der Nichtigkeit sind sich hier glaube ich alle einig, aber der Schwerpunkt des Falls liegt auf der Frage, ob der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war.


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