Schema: Sofortvollzug
3. Juli 2025
15 Kommentare
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Neben dem gestreckten Verfahren ist der sofortige Vollzug – also die Vollstreckung ohne vorausgegangenen Grundverwaltungsakt – gemäß § 6 Abs. 2 VwVG extrem prüfungsrelevant. Wie könnte ein möglicher Prüfungsaufbau aussehen?
Ermächtigungsgrundlage für den sofortigen Vollzug
Spezielle Rechtsgrundlagen für den sofortigen Vollzug (auch: unmittelbare Ausführung, sofortiger Zwang) finden sich zum einen im landesrechtlichen Gefahrenabwehrrecht (z.B. § 15 ASOG, Art. 9 PAG, § 8 HSOG). Daneben gibt es die sehr relevante Vorschrift des § 6 Abs. 2 VwVG, welche dem folgenden Aufbau zugrunde gelegt wird.
Formelle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung
Zuständigkeit
Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 6 Abs. 2 VwVG („innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse“) in Verbindung mit den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften.
Verfahren, Form
Das Zwangsmittel muss nicht, wie im gestreckten Verfahren, angedroht werden (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG). Entsprechend entfällt auch die Festsetzung (§ 14 S. 2 VwVG). Genau diese Besonderheit macht den Sofortvollzug ja aus: Es kann sofort gehandelt werden, ohne das zeitaufwendige Verfahren, welches im Rahmen von § 6 Abs. 1 VwVG erforderlich ist.
Notwendigkeit des Sofortvollzugs
Die Eilbedürftigkeit setzt voraus, dass der sofortige Vollzug notwendig ist, um die Verwirklichung von rechtswidrigen Taten zu verhindern oder eine drohende Gefahr abzuwehren. Notwendigkeit bedeutet, dass der Zweck der Maßnahme durch den Erlass einer Grundverfügung mit nachfolgendem dreistufigen Vollstreckungsverfahren nicht erreicht werden kann oder die Zweckerreichung wesentlich erschwert würde. Hieran fehlt es zum Beispiel, wenn zwischen der Feststellung der Gefahr und der Anordnung von Maßnahmen zu ihrer Beseitigung eine Zeitspanne liegt, die ausreicht, um das (reguläre) Verwaltungszwangsverfahren mit Vollziehungsanordnung durchzuführen.
zur Verhinderung einer Straf- oder Ordnungswidrigkeit bzw. Abwehr einer drohenden Gefahr
Nach § 6 Abs. 2 VwVG kommt der Sofortvollzug nur zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr in Betracht. An dieser Stelle prüfst Du also entweder sämtliche Straf- oder Bußgeldvorschriften, die verwirklicht werden könnten, oder nimmst eine gefahrenabwehrrechtliche Prüfung vor. Droht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Eine drohende Gefahr ist „weniger“ als eine konkrete Gefahr und kann als Unterform des Gefahrenverdachts eingeordnet werden. In der Regel muss Du aber in der Klausur nicht so genau differenzieren, da meistens sowieso eine konkrete Gefahr vorliegt.
Materielle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung
Da im Rahmen des Sofortvollzugs die spezifischen rechtsstaatlichen Sicherungen der Verwaltungsvollstreckung (Grundverwaltungsakt als Vollstreckungstitel, Vollstreckungsverfahren) nur in reduziertem Umfang eingreifen, müssen die materiellrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen des Sofortvollzugs besonders streng beachtet werden. Denn der Sofortvollzug ist aus Sicht des Pflichtigen besonders eingriffsintensiv: Die Behörde nimmt eine Maßnahme vor, ohne dass der Betroffene „vorgewarnt“ wird oder die Chance bekommt, die Pflicht zunächst selbst zu erfüllen.
Eilbedürftigkeit
Notwendigkeit des Sofortvollzugs
Die Eilbedürftigkeit setzt voraus, dass der sofortige Vollzug notwendig ist, um die Verwirklichung von rechtswidrigen Taten zu verhindern oder eine drohende Gefahr abzuwehren. Notwendigkeit bedeutet, dass der Zweck der Maßnahme durch den Erlass einer Grundverfügung mit nachfolgendem dreistufigen Vollstreckungsverfahren nicht erreicht werden kann oder die Zweckerreichung wesentlich erschwert würde. Hieran fehlt es zum Beispiel, wenn zwischen der Feststellung der Gefahr und der Anordnung von Maßnahmen zu ihrer Beseitigung eine Zeitspanne liegt, die ausreicht, um das (reguläre) Verwaltungszwangsverfahren mit Vollziehungsanordnung durchzuführen.
zur Verhinderung einer Straf- oder Ordnungswidrigkeit bzw. Abwehr einer drohenden Gefahr
Nach § 6 Abs. 2 VwVG kommt der Sofortvollzug nur zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr in Betracht. An dieser Stelle prüfst Du also entweder sämtliche Straf- oder Bußgeldvorschriften, die verwirklicht werden könnten, oder nimmst eine gefahrenabwehrrechtliche Prüfung vor. Droht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Eine drohende Gefahr ist „weniger“ als eine konkrete Gefahr und kann als Unterform des Gefahrenverdachts eingeordnet werden. In der Regel muss Du aber in der Klausur nicht so genau differenzieren, da meistens sowieso eine konkrete Gefahr vorliegt.
Voraussetzungen der hypothetischen (unterbliebenen) Grundverfügung
Auch, wenn die Behörde im Falle des § 6 Abs. 2 VwVG gerade keinen Grundverwaltungsakt erlassen muss, darf sie keine Maßnahmen ergreifen, wenn sie den Grundverwaltungsakt nicht erlassen dürfte. Aus diesen Gründen muss inzident geprüft werden, ob die Voraussetzungen zum Erlass des nicht erlassenen Grundverwaltungsakts vorliegen (auch als hypothetischer oder fiktiver Grundverwaltungsakt bezeichnet).
Das Verfahren nach § 6 Abs. 2 VwVG soll nur der besonderen Eilbedürftigkeit in Gefahrensituation gerecht werden. Es soll und darf aber nicht zur Erweiterung der materiell-rechtlichen Befugnisse der Behörden führen. Dies stünde im Widerspruch zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), wonach diese immer eine gesetzliche Grundlage für ihr (Eingriffs-)Handeln benötigt. Voraussetzungen des angewandten Zwangsmittels
Schließlich müssen die spezifischen Voraussetzungen des jeweils angewandten Zwangsmittels vorliegen. Als Zwangsmittel im Rahmen des sofortigen Vollzugs kommen nur die Ersatzvornahme (§ 10 VwVG) und der unmittelbare Zwang (§ 12 VwVG) in Betracht. Beachte und prüfe insbesondere auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 9 Abs. 2 VwVG), der für alle Zwangsmittel gilt und oftmals ein Prüfungsschwerpunkt ist.
Die sofortige Vollziehung eines Zwangsgeldes (§ 11 VwVG) ist einerseits schon gar nicht umsetzbar und andererseits würde damit auch nicht der Zweck des Sofortvollzugs aus § 6 Abs. 2 VwVG erreicht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabelle.Sophie
28.12.2023, 09:48:55
Hallo, was genau muss dann alles im Rahmen der Voraussetzungen des unterbliebenen Grund-VA geprüft werden?
Timurso
28.12.2023, 18:32:16
Ich würde schätzen alles. Sobald der Grund-VA
rechtswidrigwäre, darf er nicht erlassen werden. Insofern ist eine vollumfängliche Prüfung erforderlich.
Isabelle.Sophie
28.12.2023, 18:36:04
Danke für die Antwort. Ich bin mir da aber immer noch unsicher, da es im gestreckten Verfahren doch auch nicht auf die Rechtmäßigkeit des VAs ankommt?
Timurso
29.12.2023, 10:50:16
@[Isabelle.Sophie](221527) Das stimmt. Dort reicht ein wirksamer VA aus. Allerdings hat im gestreckten Verfahren der Adressat ja auch die Möglichkeit, dagegen vorzugehen, wenn der VA
rechtswidrigist. Diese Möglichkeit wird beim sofortigen Vollzug abgeschnitten. Als Ausgleich dafür ist imo die Rechtmäßigkeit in der Rechtmäßigkeit der Vollstreckung voll zu prüfen. Ansonsten könnten im Ergebnis
rechtswidrige VAs vollstreckt werden, ohne dass der Betroffene sich dagegen wehren kann. Das kann nicht richtig sein.

Charliefux
4.9.2024, 13:50:30
@[Isabelle.Sophie](221527) im "hypothetischen" (wurde ja nicht erlassen) Grund-VA prüfst du: 1. "hypothetische" EGL, 2. Verfahren für diese "hypotghetsiche" EGL, 3.Form der "hypothetischen" EGL. Das prüfst du im Konjunktiv. Du fragst dich also, was ein wirksamer
Grundverwaltungsaktgewesen wäre, und ob dieser rechtmäßig wäre. Die handelnde
Behördedarf im Eilverfahren ja nicht alles. Als Beispiel: Die Polizei tritt im einaktigen Verfahren deine Türe ein. Wenn sie nicht in rechtmäßiger Weise hätte sagen dürfen "mach die Türe auf", dann darf sie ja erst-recht nicht ohne Aufforderung eingetreten werden. Hier kommt es auf die Rechtmäßigkeit des VA an, da dem Adressaten keine Rechtsschutzmöglichkeit durch bswp. eine
Anfechtungsklage(§ 42 I S.1 VwGO) oder in Form des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 80 V, § 123 I VwGO) zur Verfügung steht. Du überlegst also, was der Grund-VA gewesen WÄRE, den man hätte erlassen müssen, damit es eine Maßnahme im gestreckten Verfahren gewesen WÄRE und pürfst dann dessen Rechtmäßigkeit.

Charliefux
4.9.2024, 13:51:39
(und natürlich auch die materielle RMK) sorry!

dario.b
10.9.2024, 20:29:43
An sich finde ich diese Aufbauübungen super wichtig, allerdings wäre es gut, wenn man verschiedene ebenso richtige Aufbauschemata auswählen könnte und trotzdem die Aufgabe richtig gelöst hat. (Bsp: hier kann die materielle RMK der Zwangsvollstreckung ja auch anders aufgebaut werden)

Linne Hempel
7.11.2024, 18:19:58
Hey @[dario.b](252754), danke für deinen Hinweis. Ich habe das Schema jetzt so eingestellt, dass teilweise mehrere Reihenfolgen als richtig gewertet werden. Wir sind zudem aktuell dabei, die Abfrage der Schemata noch individueller und besser zu gestalten, hier bitte ich dich noch um etwas Geduld. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

dario.b
7.11.2024, 19:20:50
Hi @[Linne_Karlotta_](243622) vielen Dank für die Rückmeldung und die Anpassungen! 😇 Mit flexibler Reihenfolge werden die Schemata ein extrem nützliches Feature! Liebe Grüße
QueerSocialistLawyer
29.1.2025, 12:43:02
Es wäre toll, wenn man sich ein eigenes Schema mit den NRW Normen erstellen und abfragen könnte, weil es ja hier keine gibt.
okalinkk
3.6.2025, 21:49:49
erst in der Rechtsfolge oder bereits in den materiellen VS?