Neben dem gestreckten Verfahren ist der sofortige Vollzug – also die Vollstreckung ohne vorausgegangenen Grundverwaltungsakt – gemäß § 6 Abs. 2 VwVG extrem prüfungsrelevant. Wie könnte ein möglicher Prüfungsaufbau aussehen?

  1. Ermächtigungsgrundlage für den sofortigen Vollzug

    Spezielle Rechtsgrundlagen für den sofortigen Vollzug (auch: unmittelbare Ausführung, sofortiger Zwang) finden sich zum einen im landesrechtlichen Gefahrenabwehrrecht (z.B. § 15 ASOG, Art. 9 PAG, § 8 HSOG). Daneben gibt es die sehr relevante Vorschrift des § 6 Abs. 2 VwVG, welche dem folgenden Aufbau zugrundegelegt wird.

  2. Formelle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung

    1. Zuständigkeit

      Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 6 Abs. 2 VwVG („innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse”) in Verbindung mit den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften.

    2. Verfahren, Form

      Das Zwangsmittel muss nicht, wie im gestreckten Verfahren, angedroht werden (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG). Entsprechend entfällt auch die Festsetzung (§ 14 S. 2 VwVG). Genau diese Besonderheit macht den Sofortvollzug ja aus: Es kann sofort gehandelt werden, ohne das zeitaufwendige Verfahren, welches im Rahmen von § 6 Abs. 1 VwVG erforderlich ist.

      1. Notwendigkeit des Sofortvollzugs

        Die Eilbedürftigkeit setzt voraus, dass der sofortige Vollzug notwendig ist, um die Verwirklichung von rechtswidrigen Taten zu verhindern oder eine drohende Gefahr abzuwehren. Notwendigkeit bedeutet, dass der Zweck der Maßnahme durch den Erlass einer Grundverfügung mit nachfolgendem dreistufigen Vollstreckungsverfahren nicht erreicht werden kann oder die Zweckerreichung wesentlich erschwert würde. Hieran fehlt es zum Beispiel, wenn zwischen der Feststellung der Gefahr und der Anordnung von Maßnahmen zu ihrer Beseitigung eine Zeitspanne liegt, die ausreicht, um das (reguläre) Verwaltungszwangsverfahren mit Vollziehungsanordnung durchzuführen.

      2. zur Verhinderung einer Straf- oder Ordnungswidrigkeit bzw. Abwehr einer drohenden Gefahr

        Nach § 6 Abs. 2 VwVG kommt der Sofortvollzug nur zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr in Betracht. An dieser Stelle prüfst Du also entweder sämtliche Straf- oder Bußgeldvorschriften, die verwirklicht werden könnten, oder nimmst eine gefahrenabwehrrechtliche Prüfung vor. Droht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Eine drohende Gefahr ist „weniger“ als eine konkrete Gefahr und kann als Unterform des Gefahrenverdachts eingeordnet werden. In der Regel muss Du aber in der Klausur nicht so genau differenzieren, da meistens sowieso eine konkrete Gefahr vorliegt.

  3. Materielle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung

    Da im Rahmen des Sofortvollzugs die spezifischen rechtsstaatlichen Sicherungen der Verwaltungsvollstreckung (Grundverwaltungsakt als Vollstreckungstitel, Vollstreckungsverfahren) nur in reduziertem Umfang eingreifen, müssen die materiellrechtlichen Voraussetzungen und Grenzen des Sofortvollzugs besonders streng beachtet werden. Denn der Sofortvollzug ist aus Sicht des Pflichtigen besonders eingriffsintensiv: Die Behörde nimmt eine Maßnahme vor, ohne dass der Betroffene „vorgewarnt” wird oder die Chance bekommt, die Pflicht zunächst selbst zu erfüllen.

    1. Eilbedürftigkeit

      1. Notwendigkeit des Sofortvollzugs

        Die Eilbedürftigkeit setzt voraus, dass der sofortige Vollzug notwendig ist, um die Verwirklichung von rechtswidrigen Taten zu verhindern oder eine drohende Gefahr abzuwehren. Notwendigkeit bedeutet, dass der Zweck der Maßnahme durch den Erlass einer Grundverfügung mit nachfolgendem dreistufigen Vollstreckungsverfahren nicht erreicht werden kann oder die Zweckerreichung wesentlich erschwert würde. Hieran fehlt es zum Beispiel, wenn zwischen der Feststellung der Gefahr und der Anordnung von Maßnahmen zu ihrer Beseitigung eine Zeitspanne liegt, die ausreicht, um das (reguläre) Verwaltungszwangsverfahren mit Vollziehungsanordnung durchzuführen.

      2. zur Verhinderung einer Straf- oder Ordnungswidrigkeit bzw. Abwehr einer drohenden Gefahr

        Nach § 6 Abs. 2 VwVG kommt der Sofortvollzug nur zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr in Betracht. An dieser Stelle prüfst Du also entweder sämtliche Straf- oder Bußgeldvorschriften, die verwirklicht werden könnten, oder nimmst eine gefahrenabwehrrechtliche Prüfung vor. Droht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Eine drohende Gefahr ist „weniger“ als eine konkrete Gefahr und kann als Unterform des Gefahrenverdachts eingeordnet werden. In der Regel muss Du aber in der Klausur nicht so genau differenzieren, da meistens sowieso eine konkrete Gefahr vorliegt.

    2. Voraussetzungen der unterbliebenen Grundverfügung

      Auch, wenn die Behörde im Falle des § 6 Abs. 2 VwVG gerade keinen Grundverwaltungsakt erlassen muss, darf sie keine Maßnahmen ergreifen, wenn sie den Grundverwaltungsakt nicht erlassen dürfte. Aus diesen Gründen muss inzident geprüft werden, ob die Voraussetzungen zum Erlass des nicht erlassenen Grundverwaltungsakt vorliegen (sog hypothetischer / fiktiver Grundverwaltungsakt). Das Verfahren nach § 6 Abs. 2 VwVG soll nur der besonderen Eilbedürftigkeit in Gefahrensituation gerecht werden. Es soll und darf aber nicht zur Erweiterung der materiell-rechtlichen Befugnisse der Behörden führen. Dies stünde im Widerspruch zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), wonach diese immer eine gesetzliche Grundlage für ihr (Eingriffs-)Handeln benötigt.

    3. Voraussetzungen des angewandten Zwangsmittels

      Schließlich müssen die spezifischen Voraussetzungen des jeweils angewandte Zwangsmittels vorliegen. Als Zwangsmittel im Rahmen des sofortigen Vollzugs kommen nur die Ersatzvornahme (§ 10 VwVG) und der unmittelbare Zwang (§ 12 VwVG) in Betracht. Beachte und prüfe insbesondere auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 9 Abs. 1 VwVG), der für alle Zwangsmittel gilt und oftmals ein Prüfungsschwerpunkt ist. Die sofortige Vollziehung eines Zwangsgeldes (§ 11 VwVG) ist einerseits schon gar nicht umsetzbar und andererseits würde damit auch nicht der Zweck des Sofortvollzugs aus § 6 Abs. 2 VwVG erreicht.

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