Hey in die Runde, völlig richtig: Eine
Allgemeinverfügung
kann nach § 35 S. 2 VwVfG sowohl dann vorliegen, wenn die Adressaten nach allgemeinen Merkmalen bestimmt oder bestimmbar sind (so der ausdrückliche Wortlaut der Norm).
Die Einordnung einer Maßnahme als
Allgemeinverfügung
kann also nicht allein davon abhängen, ob der betroffene Personenkreis bestimmt oder bestimmbar ist. Gerade die Abgrenzung eines Einzel-VAs nach § 35 S. 1 VwVfG zu einer personenbezogenen
Allgemeinverfügung
nach § 35 S. 2 Var. 1 VwVfG kann, wie euer Beispiel zeigt, schwierig sein.
Entscheidend ist, wie die Behörde adressiert: Wird die Regelung an eine Gruppe als solche gerichtet, also an „alle, die zu dieser Gruppe gehören“, handelt es sich regelmäßig um eine adressatenbezogene
Allgemeinverfügung
nach § 35 S. 2 Alt. 1 VwVfG. Das gilt gerade bei versammlungsrechtlichen Maßnahmen wie einer Versammlungsauflösung. Auch wenn die einzelnen Teilnehmer objektiv bestimmbar sind, richtet sich die Verfügung nicht an individuell herausgegriffene Personen, sondern an den kollektiven Adressatenkreis derjenigen, die gerade an der Versammlung teilnehmen. Darum hat sich in Rechtsprechung und Literatur völlig zutreffend die Qualifikation der Versammlungsauflösung als
Allgemeinverfügung
etabliert (Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, 10.A. 2022, VwVfG § 35 RdNr. 279a, beck-online).
Missverständlich sein kann an dieser Stelle, dass einige Autoren die adressatenbezogene
Allgemeinverfügung
als „konkret-individuelle“ Regelung bezeichnen (z.B. Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 22.A. 2024, RdNr. 468, 478). Der Begriff bezieht sich dort lediglich darauf, dass der betroffene Personenkreis tatsächlich „individuell“ bestimmt oder bestimmbar ist; er soll nicht ausdrücken, dass es sich um einen individuellen
Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG handelt.
Wir ordnen
Allgemeinverfügung
en in unseren Aufgaben einheitlich als konkret-generelle Regelungen ein. Wichtiger, als diese dogmatische Unterscheidung ist aber, dass ihr mit dem Wortlaut von § 35 S. 1 VwVfG arbeitet und mit dem konkreten Sachverhalt eine Abgrenzung vornehmt. Dabei kann die Frage helfen: Kommt es für den Erfolg der Regel darauf an, dass eine ganz bestimmte individuelle Person verpflichtet wird oder kommt es eher darauf an, dass alle, die einen Bezug zu einem bestimmten Sachverhalt haben, verpflichtet werden?
Anhand des Beispiels kann man das so verdeutlichen: Angenommen, die Polizei löst die Versammlung gegenüber einer Gruppe von Teilnehmenden auf, dann kommt es der Polizei darauf an, dass niemand mehr an dieser Versammlung teilnimmt, weil die Versammlung beendet wird. Der Schwerpunkt der Maßnahme liegt auf dem konkreten Sachverhalt. Es kommt ihr gerade nicht darauf an, die Versammlung individuell für bestimmte Personen zu beenden. Die Auflösung der Versammlung soll sich als
Allgemeinverfügung
nicht in der Einzelfallregelung i.S.e. Einzel-VAs nach § 35 S. 1 VwVfG erschöpfen, sondern z.B. auch Personen betreffen, die später zu der – nun mehr nur noch – Ansammlung hinzutreten.
Ich hoffe, ich konnte euch damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team