Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Der Verwaltungsakt

Verwaltungsakt § 35 Abs.1, 2 VwVfG: Abgrenzung Allgemeinverfügung

Verwaltungsakt § 35 Abs.1, 2 VwVfG: Abgrenzung Allgemeinverfügung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Gemeinde G hat ein Taubenproblem. Aus Sorgen vor ansteckenden Krankheiten verbietet die Ordnungsbehörde von G das Füttern von Tauben im öffentlichen Stadtpark.

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Einordnung des Falls

Verwaltungsakt § 35 Abs.1, 2 VwVfG: Abgrenzung Allgemeinverfügung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Taubenfütterungsverbot ist eine „hoheitliche Maßnahme“ „einer Behörde“ „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja, in der Tat!

Eine hoheitliche Maßnahme ist jedes einseitige öffentlich-rechtliche Handeln im Über-/ Unterordnungs-Verhältnis. Keine hoheitliche Maßnahme ist der öffentlich-rechtliche Vertrag oder privatrechtliches Verwaltungshandeln.Das Verbot des Taubenfütterns ist eine einseitige Maßnahme auf Grundlage des Ordnungs- und Gesundheitsrechts. Sofern eine hoheitliche Maßnahme vorliegt, ist auch die Voraussetzung „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ erfüllt. Laut Sachverhalt hat auch eine Behörde gehandelt.
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2. Das Taubenfütterungsverbot enthält eine "Regelung" (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja!

Eine Maßnahme besitzt Regelungscharakter, wenn sie darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. unmittelbar Rechte und Pflichten des Betroffenen zu begründen, zu ändern, aufzuheben, festzustellen oder zu verneinen. Maßnahmen mit Regelungscharakter sind abzugrenzen von Auskünften, Warnungen und anderem schlichten Verwaltungshandeln.Das Verbot des Taubenfütterns begründet die Pflicht aller Personen in der Gemeinde G, im Stadtpark das Füttern von Tauben zu unterlassen. Eine Regelung ist gegeben.

3. Das Merkmal "Einzelfall" (§ 35 S. 1 VwVfG) grenzt Verwaltungsakte von Rechtsnormen ab.

Genau, so ist das!

Unter einer Einzelfall-Maßnahme versteht man jedenfalls eine konkret-individuelle Regelung. Das Merkmal „Einzelfall“ grenzt Verwaltungsakte von Rechtsnormen ab, die abstrakt-generell sind. Die Kategorien konkret und abstrakt beschreiben den Sachverhalt, die Kategorien individuell und generell den Personenkreis.

4. Das Taubenfütterungsverbot regelt als Allgemeinverfügung einen "Einzelfall" (§ 35 S. 1, 2 VwVfG).

Ja, in der Tat!

Auch konkret-generelle Regelungen können Verwaltungsakte sein, und zwar in Gestalt von Allgemeinverfügungen (§ 35 S. 2 VwVfG). Allgemeinverfügungen betreffen einen konkreten Sachverhalt und einen unbestimmten, aber bestimmbaren, Personenkreis.So ist es hier: Die Maßnahme regelt das Verbot des Fütterns von Tauben im öffentlichen Stadtpark (= ein Sachverhalt, konkret). Sie richtet sich zugleich an sämtliche Personen, die sich im Stadtpark von G aufhalten (= Vielzahl von Personen, generell). Da es hier jedoch um die Benutzung einer Sache (der Stadtpark) durch die Allgemeinheit geht (siehe: § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG), stellt das Verbot keine abstrakt-generelle Regelung (Rechtsnorm), sondern eine konkret-generelle Regelung (Allgemeinverfügung) dar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CH

Christian

6.2.2020, 20:20:33

Dann muss die Antwort bei der letzten Frage stimmt nicht lauten, da eine

Allgemeinverfügung

nach § 35 S.2 VwVfG vorliegt.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

8.2.2020, 10:32:38

Hi Christian, Verwaltungsakte nach 35 S. 1 VwVfG und 35 S. 2 VwVfG (

Allgemeinverfügung

en) haben gemeinsam, dass sie einen „Einzelfall“ regeln. Darauf stellt die letzte Aussage ab. Wir haben die Aussage nunmehr positiv formuliert, dann müsste es eindeutiger sein. Besten Gruß

DER

Der_Sonntag

19.5.2020, 13:47:21

Ich habe ein Störgefühl bei diesem Fall hinsichtlich seiner Konkretheit. Er regelt doch abtrakt in der Hinsicht, dass diese Verbot für m

ehre

re Tage, also verschiedene Situationen gilt. Meines Erachtens haben wir es mit einer Norm einer Satzung zu tun. Berichtigt mich gerne, wenn ich falsch liege.

JO

Johnny

22.5.2020, 11:38:47

Generelles Fütterungsverbot an einem Teich ist regelmäßig auch Bestandteil von Grünanlagensatzungen und hier wohl eindeutig eine Rechtsnorm. Wenn das Fütterungsverbot nur vorübergehend verfügt würde, weil damit zu rechnen wäre, dass sich die Tauben binnen kurzer Zeit verflüchtigen und dann wieder gefüttert werden dürfte, wäre nach meinem Empfinden von einer

Allgemeinverfügung

auszugehen. Hier ist das Beispiel vielleicht suboptimal gewählt. Besser vielleicht: Benutzung eines Spielplatzes wird wegen Sicherheitsmängeln untersagt, o.ä.

Fahrradfischlein

Fahrradfischlein

20.10.2020, 11:33:14

ich finde die Zitierte Norm (§ 35 S.1 VwVfG) genau wie Christian auch irreführend. Natürlich regelt die Allgmeinverfügung in Satz 2 auch einen Einzelfall, sollte an dieser Stelle dann aber mitzitiert werden. Denn ein Fall des Satz 1 liegt ja gerade nicht vor.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

20.10.2020, 16:37:21

Hallo alle zusammen, wir haben uns den Fall nochmal genauer angeschaut. Auf eure Anregung Fahrradfischlein und Christian haben wir die letzte Frage präzisiert, sodass nun klar ist, dass das Taubenfütterungsverbot natürlich nur ein VA in der Form einer

Allgemeinverfügung

sein kann. Zu der Frage von Der_Sonntag und Johnny bzgl. der Rechtsnatur des hier verfügten Taubenfütterungsverbots: Anders als in den meisten Beispielen in der Praxis, wo das Taubenfütterungsverbot Regelungsmaterie von Gefahrenabwehrverordnungen ist (bspw. VGH Mannheim NVwZ-RR 2006, 398), wird HIER das Taubenfüttern IM STADTPARK verboten.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

20.10.2020, 16:45:01

Nach § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG können sogenannte "

benutzungsregelnde Allgemeinverfügung

en" erlassen werden (vgl. BeckOK VwVfG, 48. Ed., § 35 Rn. 266-268). Beispiel hierfür sind insbesondere die Benutzungsordnungen öffentlicher Einrichtungen, wie zB einer Stadthalle, eines Kinderspielplatzes oder eben (wie hier) eines Stadtparks. Diese regeln die Benetzung einer Sache durch die Allgemeinheit, und sind nach § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG explizit als

Allgemeinverfügung

möglich. Durch den Sachbezug entsteht die nötige Konkretheit dieser konkret-generellen Regelung. In der Praxis wird für das gesamte Stadtgebiet (oder alle dort befindlichen Grünanlagen) ein Taubenfütterungsverbot verfügt. In solchen Fällen liegt kein konkreter Sachbezug vor, sodass eine abstrakt-generelle Regelung vorliegt.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

20.10.2020, 16:45:38

Diese erfolgt dann durch eine Gefahrenabwehrverordnung (auch Polizeiverordnung in manchen Bundesländern) der entsprechenden Gemeinde.

JCF

JCF

24.1.2024, 17:07:04

Im letzten Subsumtionskasten fehlt im letzten Satz ein Komma. 😉

Nora Mommsen

Nora Mommsen

28.1.2024, 17:23:23

Hallo JCF, danke für deinen Hinweis! Das haben wir ergänzt :) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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