+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bauherrin B bekommt die Baugenehmigung für ihr Traumhaus. Ihr Rivale R, der in einer anderen Stadt wohnt, bekommt zufällig davon mit. Da er der B ihr Eigenheim nicht gönnt, möchte er gerichtlich gegen die Baugenehmigung vorgehen und verhindern, dass B ihr Haus baut.
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Einordnung des Falls
Antragsbefugnis im Dreipersonenverhältnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R erhebt Anfechtungsklage gegen Bs Baugenehmigung. Entfaltet diese aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO (siehe § 212a BauGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt ausnahmsweise in den Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO. § 212a Abs. 1 BauGB ist eine Ausnahmeregelung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. R möchte als Dritter gegen Bs Baugenehmigung (= bauaufsichtliche Zulassung) vorgehen. Seine Anfechtungsklage entfaltet keine aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB. § 212a BauGB ist eine besonders klausurrelevante Norm, die Du kennen solltest. Denke bei Konstellationen, in denen ein Dritter (meist: der Nachbar) gegen eine Baugenehmigung Widerspruch einlegt oder Anfechtungsklage erhebt, immer an § 212a BauGB.
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2. Um zu verhindern, dass B mit dem Bau anfängt, muss R zusätzlich zu seiner Anfechtungsklage einen Antrag im vorläufigen Rechtsschutz stellen. Richtet sich dieser nach §§ 80, 80a VwGO?
Ja, in der Tat!
§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ermöglicht es dem Antragsteller, beim Gericht einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Dieser erfasst allerdings nur die Konstellation, dass sich der Adressat des Verwaltungsakts gegen dessen Vollzug wehrt (Zweipersonenverhältnis). § 80a VwGO regelt hingegen die Fälle, in denen ein Dritter die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts verlangt oder gegen die Vollziehung vorgehen will (Dreipersonenverhältnis). § 80 Abs. 5 VwGO (allein) ist hier nicht einschlägig, da nicht B als Adressatin der Baugenehmigung, sondern R als Dritter, gegen diese vorgehen will. Stattdessen kann das Gericht nach §§ 80a Abs. 3 S. 2, 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anordnen.
3. R müsste nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt sein.
Ja!
Der Antragsteller ist antragsbefugt, wenn er geltend machen kann, durch die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Die Rechtsverletzung darf nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen sein (sog. Möglichkeitstheorie). In Dreipersonenverhältnissen kann der Antragsteller sich nur auf drittschützende Normen berufen. Zudem findet die Adressatentheorie keine Anwendung, da der Antragsteller nicht Adressat des Verwaltungsakts ist. Hier gilt also nichts anderes als bei der Klagebefugnis in Drittanfechtungskonstellationen im Hauptsacherechtsschutz.
4. In Rs Fall besteht die Möglichkeit, dass drittschützende Normen verletzt sind.
Nein, das ist nicht der Fall!
R muss die Möglichkeit der Verletzung einer drittschützenden Norm geltend machen. Es dürfte nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass Bs Baugenehmigung den R schützende (drittschützende) Normen verletzt. Sämtliche drittschützende Normen im Baurecht sind hier aber offensichtlich nicht einschlägig, weil R nicht einmal in derselben Stadt wie B wohnt und sich Bs Bau damit in keiner Weise auf Rs Rechtskreis auswirken kann. In der Klausur würdest Du in Betracht kommende drittschützende Normen etwas genauer darlegen. Dazu später mehr! Dieser Fall veranschaulicht den Sinn von § 42 Abs. 2 VwGO (analog): Wenn von vornherein keine Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht, sollen Dritte nicht aufgrund von sachfremden Erwägungen den Schutz der Gerichte in Anspruch nehmen dürfen.