Richtiger Antragsgegner

22. Februar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A will ein Zeichen gegen die steigenden Bierpreise setzen und plant deshalb eine Demonstration vor dem Münchner Rathaus, die er ordnungsgemäß bei der Stadt München (M) anmeldet. M verbietet die Durchführung der Demonstration. A will gegen das Verbot vorgehen.

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Einordnung des Falls

Richtiger Antragsgegner

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Enthält Art. 25 BayVersG eine Ausnahme von diesem Grundsatz?

Ja, in der Tat!

Art. 25 BayVersG ist eine Ausnahmeregelung i.S.v. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, die anordnet, dass Klagen gegen Maßnahmen nach dem BayVersG keine aufschiebende Wirkung haben. M hat die geplante Versammlung des A nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG verboten. Nach Art. 25 BayVersG entfaltet eine Klage gegen diese Maßnahme keine aufschiebende Wirkung. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 fällt das Versammlungsrecht nach Art. 30 Abs. 1, 70 Abs. 1 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. In den Ländern, die kein eigenes Versammlungsgesetz erlassen haben, gilt nach wie vor das Versammlungsgesetz des Bundes (Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG). Ähnliche Regelungen wie Art. 25 BayVersG finden sich auch in anderen Versammlungsgesetzen, z.B. in Hessen (§ 14 Abs. 6 S. 2 HVersFG), Sachsen (§ 28 SächsVersG) oder Schleswig-Holstein (§ 13 Abs. 6 S. 2 VersFG SH).
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2. Statthaft ist vorliegend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO.

Ja!

In den Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO entfällt ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch. Hier hat M die Versammlung des A nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG verboten. Eine Klage gegen diese Maßnahme entfaltet nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 25 BayVersG keine aufschiebende Wirkung. Damit ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.

3. Die §§ 80 ff. VwGO enthalten keine eigene Regelung zur Bestimmung des richtigen Antragsgegners im vorläufigen Rechtsschutz. Kann § 78 VwGO hier direkt angewendet werden?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die §§ 80 ff. VwGO enthalten keine Regelung über den richtigen Antragsgegner im vorläufigen Rechtsschutz. § 78 VwGO regelt, wer der richtige Klagegegner ist. Die Norm kann nicht (direkt) auf Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO angewendet werden. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut der Norm („Die Klage ist zu richten…”) und der systematischen Stellung im 8. Abschnitt der VwGO („Besondere Vorschriften für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen”).

4. Es kommt eine Analogie zu § 78 VwGO für den einstweiligen Rechtsschutz in Betracht.

Ja, in der Tat!

§ 78 VwGO wird unstrittig analog auf den vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO angewendet. Das in der Vorschrift zum Ausdruck gebrachte Rechtsträgerprinzip ist auf den vorläufigen Rechtsschutz übertragbar. Richtiger Antragsgegner ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog der Rechtsträger der Behörde, die die sofortige Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat oder in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 3 VwGO diejenige Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat. In der Klausur sind keine Ausführungen zur Analogiefähigkeit des § 78 VwGO notwendig. Es reicht ein kurzer Hinweis auf die analoge Anwendung.

5. Die richtige Antragsgegnerin ist M (§ 78 Nr. 1 VwGO analog).

Ja!

Der richtige Antragsgegner ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog der Rechtsträger der handelnden Behörde. Hier hat eine Behörde der Stadt M das Versammlungsverbot erlassen. Der Rechtsträger dieser Behörde ist die Stadt M selbst (nicht der Freistaat Bayern!). Damit ist M die richtige Antragsgegnerin. Bayern hat keine Ermächtigungsregelung nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erlassen, andere Bundeslänger hingegen schon: z.B. Brandenburg (§ 8 BbgVwGG), das Saarland (§ 19 SaarlAGVwGO) oder Sachsen-Anhalt (§ 8 AGVwGO LSA). Die Voraussetzung „Richtiger Antragsgegner” wird überwiegend im Rahmen der Zulässigkeit geprüft. Vereinzelt wird dieser Punkt aber auch in der Begründetheit geprüft.
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