Beteiligten- und Prozessfähigkeit

14. Juni 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A will ein Zeichen gegen die steigenden Bierpreise setzen und plant deshalb eine Demonstration vor dem Münchner Rathaus, die er ordnungsgemäß bei der Stadt München (M) anmeldet. M verbietet die Durchführung der Demonstration. A will gegen das Verbot vorgehen.

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Einordnung des Falls

Beteiligten- und Prozessfähigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Enthält Art. 25 BayVersG eine Ausnahme von diesem Grundsatz?

Genau, so ist das!

Art. 25 BayVersG ist eine Ausnahmeregelung i.S.v. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, die anordnet, dass Klagen gegen Maßnahmen nach dem BayVersG keine aufschiebende Wirkung haben. M hat die geplante Versammlung des A nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG verboten. Nach Art. 25 BayVersG entfaltet eine Klage gegen diese Maßnahme keine aufschiebende Wirkung. Ähnliche Regelungen wie Art. 25 BayVersG finden sich auch in anderen Versammlungsgesetzen, z.B. in Hessen (§ 14 Abs. 6 S. 2 HVersFG), Sachsen (§ 28 SächsVersG) oder Schleswig-Holstein (§ 13 Abs. 6 S. 2 VersFG SH). Wenn ein Land kein eigenes Versammlungsrecht hat, gilt das Versammlungsrecht des Bundes.
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2. Ist A vorliegend antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)?

Ja, in der Tat!

Es kommt darauf an, ob der Antragsteller die tatsächliche Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts geltend machen kann (sog. Möglichkeitstheorie). Die Rechtsverletzung darf nicht offensichtlich von vornherein ausgeschlossen sein. Eine Verletzung des A in seiner Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG erscheint durch den Vollzug des Versammlungsverbots möglich. Zudem kann er sich als Adressat des belastenden Verwaltungsakts zumindest auf die Möglichkeit der Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen (sog. Adressatentheorie).

3. § 80 Abs. 5 VwGO enthält eine spezielle Regelung der Beteiligungs- und Prozessfähigkeit im einstweiligen Rechtsschutz.

Nein!

§§ 61, 62 VwGO regeln die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit im Verwaltungsprozess. Diese Normen gelten – mangels speziellerer Vorschriften – auch für das Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz. Die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit richtet sich nach dem Hauptsacheverfahren. Im Gegensatz zu § 42 Abs. 2 VwGO analog (Antragsbefugnis) oder zu § 78 VwGO analog (richtiger Antragsgegner) musst Du §§ 61, 62 VwGO im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht analog anwenden. Diese Normen stehen im 7. Abschnitt der VwGO („allgemeine Verfahrensvorschriften“) und gelten somit auch (direkt) im vorläufigen Rechtsschutz.

4. Ist A beteiligungs- und prozessfähig (§§ 61, 62 VwGO)?

Genau, so ist das!

Die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit richtet sich sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 61, 62 VwGO. Antragsteller A ist als natürliche Person gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligungsfähig. Seine Prozessfähigkeit ergibt sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. §§ 104 ff. BGB. Achte darauf, dass du im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes von Antragsteller und Antragsgegner sprichst, nicht von Kläger und Beklagtem!

5. Ist M beteiligungs- und prozessfähig (§§ 61, 62 VwGO)?

Ja, in der Tat!

Die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit richtet sich sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 61, 62 VwGO. M ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO i.V.m. Art. 1 S. 1 Hs. 1 GO beteiligungsfähig. Bezüglich der Prozessfähigkeit ist zu beachten, dass M als juristische Person nicht selbst handeln kann, sondern vertreten werden muss. Im vorliegenden Fall wird sie durch den Bürgermeister nach Art. 38 Abs. 1 S. 1, Art. 34 Abs. 1 S. 2 GO vertreten. Der Begriff der „Vereinigung“ in § 62 Abs. 3 Alt. 1 VwGO wird weiter ausgelegt als in § 61 Nr. 2 VwGO und umfasst auch juristische Personen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

OKA

okalinkk

27.5.2025, 11:33:48

ich habe gelernt, dass auch 61, 63 analog anzuwenden sind. Dies liege daran, dass 61, 63 direkt nur den Kläger und Beklagten regeln, während der vorlaeufige RS sich auf den Antragsteller und Antraagsgegner bezieht.

Linne Hempel

Linne Hempel

27.5.2025, 16:46:43

Hallo @[okalinkk](253888), danke für deine Anmerkung. Hast Du eine Quelle dazu? §§ 61, 62 VwGO beziehen sich gerade nicht auf eine „Klage“, sondern das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (siehe dazu jeweils den Wortlaut der Norm). Zum Begriff der

Beteiligte

nfähigkeit siehe z.B. Kopp/Schenke, VwGO, § 61 RdNr. 4: „

Beteiligte

nfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, als Subjekt eines Prozessverhältnisses, dh. als Kläger (...) oder sonstiger

Beteiligte

r (...) an einem Verfahren vor einem Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit teilnehmen zu können, insbesondere auch ein solches Prozessverhältnis (...) bei Antragsverfahren durch einen Antrag begründen zu können.“ Meiner Ansicht nach ist unsere Aufgabe damit richtig. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

28.5.2025, 13:06:01

@[Linne Hempel](243622) Danke für die Antwort :). Das wurde uns so im Rep beigebracht. Insofern ist das wohl leider keine taugliche Quelle. Abgestellt wurde auf 63 VwGO. Dort stehe lediglich „Kläger und Beklagter“.


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