Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Bescheidungsurteil Ermessensfehlgebrauch

Bescheidungsurteil Ermessensfehlgebrauch

22. Mai 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B betreibt in Düsseldorf ein Café. Sie möchte auf dem Gehweg und dem Straßenrand einer öffentlichen Straße ein paar Tische und Stühle sowie Sonnenschirme aufstellen, um mehr Kunden bedienen zu können. Die zuständige Behörde lehnt Bs Antrag auf Erteilung der hierfür benötigten Genehmigung ab.

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Einordnung des Falls

Bescheidungsurteil Ermessensfehlgebrauch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B begehrt beim Verwaltungsgericht die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis. Ist dafür die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft?

Genau, so ist das!

Die statthafte Klageart bestimmt sich nach dem klägerischen Begehren (vgl. § 88 VwGO). Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt. B begehrt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis, um auf dem Gehweg und Straßenrand Tische und Stühle sowie Sonnenschirme aufstellen zu können. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG bzw. hier: § 35 S. 1 VwVfG NRW). Damit ist die Verpflichtungsklage statthaft.
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2. Für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis sind vorliegend die Vorschriften des Straßen- und Wegerechts einschlägig.

Ja, in der Tat!

Das Straßen- und Wegerecht regelt die Benutzung von öffentlichen Straßen und den ihnen zugehörigen Bestandteilen. Regelungen dazu finden sich z.B. im FStrG des Bundes oder in den landesrechtlichen Straßen- und Wegegesetzen. Der Sachverhalt spielt in Düsseldorf, sodass die Regelungen des StrWG NRW einschlägig sind. Je nachdem, wo der Sachverhalt spielt, wären die Straßen- und Wegegesetze anderer Bundesländer einschlägig.

3. Die Nutzung der Straße sowie des Gehwegs für Zwecke der Außengastronomie ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung (siehe § 14 StrWG NRW und § 18 StrWG NRW).

Ja!

Eine Straße erhält durch Widmung (§ 6 StrWG NRW) die Eigenschaft einer öffentlichen Straße (§ 2 StrWG NRW). Die Benutzung einer öffentlichen Straße unterteilt sich in Gemeingebrauch (§ 14 StrWG NRW) und Sondernutzung (§ 18 StrWG NRW). Der Gemeingebrauch erfolgt im Rahmen des Widmungszwecks, was in aller Regel die Nutzung zum Straßenverkehr ist. Alles, was über den Gemeingebrauch hinausgeht, ist Sondernutzung. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einer Widmung der Straße für den öffentlichen Verkehr auszugehen. Eine Nutzung für gastronomische Zwecke geht über den Gemeingebrauch hinaus und ist daher eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. Beachte, dass auch der Gehweg Teil der öffentlichen Straße ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 b) StrWG NRW). Die Benutzung des Gehwegs über den Gemeingebrauch hinaus ist ebenfalls erlaubnispflichtig.

4. Im Rahmen der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis (§ 18 StrWG NRW) hat die Behörde straßenbezogene Belange mit den entgegenstehenden Belangen des Antragstellers abzuwägen.

Genau, so ist das!

Eine Sondernutzung bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. § 18 Abs. 1 S. 2 StrWG NRW ist eine Ermessensentscheidung. Im Rahmen der Abwägung auf Rechtsfolgenseite muss die Behörde die straßenbezogenen Belange mit den entgegenstehenden Belangen des Antragstellers (insbesondere den Grundrechten) abwägen. Straßenbezogene Belange sind z.B. die Sicherung der widmungsgemäßen Nutzung der Straße, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder die Vermeidung unzumutbarer Immissionen für die Straßenanlieger.

5. In der Begründung des ablehnenden Bescheids ist die Behörde nicht auf die Grundrechte der B eingegangen. Hat die Behörde ermessensfehlerfrei gehandelt?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis ist eine Ermessensentscheidung, in deren Rahmen die Belange des Antragstellers zu berücksichtigen sind. Soweit Grundrechte betroffen sind, müssen diese in die Abwägung einbezogen werden. Hier ist die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, da B die Sondernutzung für gastronomische Zwecke für ihr Café beantragt. Die Behörde ist im Rahmen ihrer Abwägung nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG eingegangen und hat damit ermessensfehlerhaft gehandelt. Konkret liegt ein Ermessensfehlgebrauch in Form des Abwägungsdefizits vor.

6. Die Behörde hat ermessensfehlerhaft gehandelt. Kann das Gericht die Behörde zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis verpflichten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO)?

Nein!

Im Rahmen der Verpflichtungsklage ist zwischen Vornahmeurteil (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) und Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) zu differenzieren.  Ein Vornahmeurteil kann nur ergehen, wenn die Sache spruchreif ist, was insbesondere nicht der Fall ist, wenn das Gesetz der Behörde Ermessen einräumt. Hier kann das Gericht nicht die Behörde zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis verpflichten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO), da das Gesetz der Straßenbaubehörde Ermessen einräumt. Stattdessen kann es die Behörde nur verpflichten, unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (ermessensfehlerfrei) neu zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).
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Eine Besprechung von:
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