+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bäuerin B erhält von der zuständigen Behörde eine Baugenehmigung für die Errichtung eines großen Legehennenstalls. Nachbar N ist stinksauer, weil er nicht am Genehmigungsverfahren beteiligt worden ist, und legt daher Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein.

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Einordnung des Falls

Genehmigungsverfahren 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Beteiligung der Nachbarn spielt im Baugenehmigungsverfahren keine besondere Rolle.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Beteiligung der Nachbarn spielt im Baugenehmigungsverfahren eine wichtige Rolle, da eine Baugenehmigung die Interessen der Nachbarn wesentlich beeinträchtigen kann. Die grundsätzliche Anerkennung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte macht eine Beteiligung des Nachbarn im Verwaltungsverfahren notwendig, damit er seine Interessen gegenüber der Baubehörde möglichst frühzeitig und vor Ausführung des Vorhabens vertreten kann. Gemäß § 68 Abs. 1 NBauO haben Nachbarn ein Recht auf Einsicht in die Bauvorlagen, soweit eine Baumaßnahme die Belange des Nachbarn berühren kann.
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2. Nachbar N hätte hier vor Erteilung der Baugenehmigung am Baugenehmigungsverfahren beteiligt werden müssen im Sinne des § 68 NBauO.

Ja, in der Tat!

Gemäß § 68 Abs. 1 NBauO haben Nachbarn ein Recht auf Einsicht in die Bauvorlagen, soweit eine Baumaßnahme die Belange des Nachbarn berühren kann. Nachbarn im Sinne der NBauO sind Eigentümer solcher Grundstücke, die in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Belangen beeinträchtigt werden können. Der Kreis der benachbarten Grundstücke ist also je nach der Reichweite der rechtlich relevanten Auswirkungen des Vorhabens unterschiedlich und geht häufig über die unmittelbar angrenzenden Grundstücke hinaus. Eine Baumaßnahme berührt dann die Belange der Nachbarn, wenn die Möglichkeit der Beeinträchtigung von Rechtspositionen besteht.Von einem großen Legehennenstall können unter anderem (erhebliche) Lärm- und Geruchsbelastungen ausgehen, sodass N hier möglicherweise beeinträchtigt ist und als Nachbar das Recht zur Einsicht der Bauvorlagen gehabt hätte.

3. Eine unterlassene Nachbarbeteiligung nach § 68 NBauO stellt einen Verfahrensfehler dar.

Ja!

Eine Nachbarbeteiligung aus § 68 NBauO gehört zu den formellen (Wirksamkeits-)Voraussetzungen der Baugenehmigung. Die unterlassene Beteilung stellt damit einen Verfahrensfehler im Sinne der §§ 45 ff. VwVfG dar. Das Unterbleiben der nach § 68 NBauO vorgeschriebenen Nachbarbeteiligung berührt die Wirksamkeit der Baugenehmigung jedoch nicht, wie sich aus einem Vergleich mit den in § 44 Abs. 2, 3 VwVfG aufgeführten Verfahrensfehlern ermitteln lässt. Die unterbliebene Beteiligung des Nachbarn kann entweder gemäß § 45 VwVfG mit heilender Wirkung nachgeholt werden oder gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

4. Die Baugenehmigung für den Legehennenstall ist formell rechtswidrig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Nachbarbeteiligung aus § 68 NBauO gehört zu den formellen (Wirksamkeits-)Voraussetzungen der Baugenehmigung. Eine unterbliebene Beteiligung des Nachbarn kann entweder gemäß § 45 VwVfG mit heilender Wirkung nachgeholt werden oder gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sein.Die (erforderliche) unterlassene Beteiligung des N stellt einen Verfahrensfehler dar. Dieser wird jedoch spätestens durch die Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt.Eine solche Heilung ist im Widerspruchsverfahren deshalb möglich, weil die Beteiligung aus § 68 NBauO dem Nachbarn ausschließlich die Möglichkeit geben soll, seinen geschützten Belangen Geltung zu verschaffen. Nicht von Belang ist daher, ob der Nachbar auch im Widerspruchsverfahren auf – von Amts wegen zu beachtende – Rechtverstöße hinweisen darf.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BR

brrrap

5.6.2024, 11:13:02

Die Nachbarbeteiligung nach § 68 I NBauO umfasst soweit ich das erkenne, ja nur ein Einsichtsrecht, also korrespondierend auch nur die behördliche Pflicht, auf Geltendmachung dieses Rechts, die Einsicht zu gewähren. Aktives Beteiligen wird ja erst im § 68 II NBauO geregelt, sodass im Umkehrschluss ein solches außerhalb des Abs. 2 ja nicht erforderlich sein müsste. Es wird dann gesagt, die Aussage, dass der Nachbar vor Erteilung der Baugenehmigung nach § 68 NBauO am Verfahren hätte beteiligt werden müssen korrekt wäre. In der Subsumtion wird auch explizit gesagt, dass der N ein Einsichtsrecht nach § 68 I NBauO hätte. Im weiteren Verlauf heißt es dann, die Beteiligung des N wäre unterlassen worden. Ich finde den Fall hier etwas irreführend, weil die Beteiligung nach Abs. 1 ja kein aktives Beteiligen des N durch die

Behörde

verlangt, sondern eben nur das Gewähren der Einsicht. Um also sagen zu können, dass die Beteiligung nach Abs. 1 unterlassen wurde, sollte mMn klargestellt werden, dass die

Behörde

die Einsicht verweigert hat o.ä. Die bloße Passivität der

Behörde

, die sich aus dem Sachverhalt ergibt, stellt ja eigentlich noch keinen Verstoß gegen das Beteiligungsrecht nach Abs. 1 dar. Korrigiert mich aber natürlich gerne, wenn ich das falsch verstanden habe.


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