Öffentliches Recht

Baurecht: Bauplanungsrecht

Unbeplanter Innenbereich (§ 34 BauGB)

Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse - Fall 2

Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse - Fall 2

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Olaf (O) möchte auf seinem Grundstück innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils der Gemeinde B ein Einfamilienhaus errichten. Das Grundstück liegt am Waldrand neben einem Steilhang. Auf dem darüber liegenden Flurstück ragt eine Felswand auf, aus der wiederholt Steinblöcke herausgebrochen und den Steilhang hinunter gerollt sind. Um Os Grundstück abzusichern, wäre ein Schutzzaun unterhalb der Felswand notwendig.

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Einordnung des Falls

Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse - Fall 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O meint, dass die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB neben § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB eigenständige Bedeutung hat. Zu Recht?

Ja, in der Tat!

Das Erfordernis der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnis gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB stellt die äußerste Grenze der Zulässigkeit einer Bebauung dar und spiegelt die planungsrechtlichen Grundsätze des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB wieder. Anhaltspunkte für die notwendigen Anforderungen ergeben sich aus § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen können vor allem schädliche Umwelteinwirkungen, aber auch kontaminierte Böden (Altlasten) entgegenstehen. § 34 Abs. 1 BauGB stellt an das geplante Vorhaben eine Reihe von Anforderungen. Dazu zählen, dass: - sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, - die Erschließung gesichert ist, - die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt sind, - das Ortsbild nicht beeinträchtigt ist sowie - keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sind gemäß § 34 Abs. 3 BauGB. Das Zulässigkeitserfordernis der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB bezweckt die Sicherstellung, dass unabhängig von den Anforderungen des Einfügensgebots in jedem Fall keine ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse entstehen beziehungsweise bereits vorhandene nicht fortgesetzt werden.
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2. Die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB hat im vorliegenden Fall keinen eigenen Anwendungsbereich.

Nein!

Das Erfordernis der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnis gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB stellt die äußerste Grenze der Zulässigkeit einer Bebauung dar und spiegelt die planungsrechtlichen Grundsätze des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB wieder. Anhaltspunkte für die notwendigen Anforderungen ergeben sich aus § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen können vor allem schädliche Umwelteinwirkungen, aber auch kontaminierte Böden (Altlasten) entgegenstehen. Die eigenständige Prüfung der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse könnte sich vollständig erübrigen, soweit ein Vorhaben, das gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse beeinträchtigt, sich schon nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse kommt in der Tat eine begrenzte Bedeutung im Sinne einer Auffangregelung zu. Denn die Wahrung der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse wird gerade auch in Bezug auf die Belange des Immissionsschutzes durch das Gebot der Rücksichtnahme gewährleistet. Hingegen decken die Erfordernisse des Einfügens nicht in allen Beziehungen die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse ab. Das Gebot der Rücksichtnahme greift beispielsweise nicht, wenn lediglich Nutzer des betreffenden Vorhabens und nicht auch Nachbarbelange berührt sind. Ferner erfassen die in § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB genannten Zulässigkeitskriterien nicht sämtliche städtebaulichen Sachverhalte, um städtebauliche Missstände abzuwehren. Dies gilt beispielsweise bei mit schädlichen Umwelteinwirkungen belasteten Böden, entsprechend starken Beeinträchtigungen von vorhandenen emittierenden Anlagen sowie von sonstigen Gefahren. Denn das Gebot des Einfügens in die nähere Umgebung erfasst in der Regel nur solche Fallgestaltungen, in denen das Vorhaben selbst durch seine Verwirklichung die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse beeinträchtigt. Nicht davon erfasst sind Fallgestaltungen, in denen das Vorhaben an einem Standort errichtet wird, an dem gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht gewahrt werden können. As Vorhaben bezieht sich auf die Verwirklichung eines Einfamilienhauses. Von diesem Einfamilienhaus selbst gehen keine Beeinträchtigungen für die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse aus. Dem Vorhaben könnte demnach nicht mit dem Gebot der Rücksichtnahme im Rahmen des Einfügenserfordernisses begegnet werden. Vielmehr geht die mögliche Gefahr der Beeinträchtigung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse von dem Felsvorsprung und damit von dem Standort in dem das Vorhaben verwirklicht werden soll aus.

3. Führt eine Baumwurfgefahr des angrenzenden Waldgrundstücks automatisch zu einer Beeinträchtigung der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist grundsätzlich denkbar, dass die Gefahr umstürzender Bäume gem. § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB einer Bebauung aus Gründen der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnissen entgegengehalten werden kann. Eine generelle Unzulässigkeit der Waldrandbebauung kann sich jedoch aus § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB bei einer lediglich abstrakten Baumwurfgefahr nicht ergeben. Erforderlich sind konkrete, auf eine Baumwurfgefahr hindeutende Anhaltspunkte. Es ergeben sich aus dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass sich aus der Waldrandbebauung mehr als eine bloß abstrakte Baumwurfgefahr ergibt.

4. Sind bei einer Verwirklichung von Os Vorhaben die Anforderungen an die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB gewahrt?

Nein, das trifft nicht zu!

Das Erfordernis der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnis gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB stellt die äußerste Grenze der Zulässigkeit einer Bebauung dar und spiegelt die planungsrechtlichen Grundsätze des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB wieder. Anhaltspunkte für die notwendigen Anforderungen ergeben sich aus § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen können vor allem schädliche Umwelteinwirkungen, aber auch kontaminierte Böden (Altlasten) entgegenstehen. Die Bestimmbarkeit der zulässigen Nutzung auf dem Grundstück richtet sich unter anderem danach, ob die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gem. § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB gewahrt werden können. Kann die Nutzung des Grundstücks ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit künftiger Bewohner nicht gewährleistet werden, so spricht dies gegen die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BauGB. Neben dem Schutz der Allgemeinheit bezweckt das Gebot der Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse gerade auch den Schutz der Personen, die in dem von dem Vorhaben betroffenen Gebiet wohnen. Die Bewohner müssen darauf vertrauen dürfen, dass Ihnen aus der Beschaffenheit des Grund und Bodens keine Gefahren für Leben und Gesundheit drohen. Es soll gerade verhindert werden, dass Gebäude errichtet werden, die wegen der ihnen drohenden Gesundheitsgefahren nicht bewohnbar sind. Der wiederkehrende Steinschlag des Steilhangs stellt eine Gefahr für das geplante Einfamilienhaus sowie für die Gesundheit und das Leben der Bewohner dar. Infolge der von dem angrenzenden Flurstück ausgehenden Gefahren für Leib und Leben der künftigen Bewohner ist das Grundstück für eine Bebauung mit einem Wohngebäude ungeeignet. Eine Schutzvorrichtung besteht nicht und ist auch nicht geplant.
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