Vertiefung 1: Minusmaßmahme: Rückbauverfügung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Anwältin A lässt ohne Baugenehmigung eine Garage für ihren neuen Porsche errichten. Die Garage überschreitet die Grenze zum Nachbargrundstück. Eine Rückversetzung der Garage oder eine Verkleinerung ist möglich. Baubehörde B ordnet dennoch den Abriss der gesamten Garage an.

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Einordnung des Falls

Vertiefung 1: Minusmaßmahme: Rückbauverfügung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da eine Verkleinerung oder Rückversetzung der Garage möglich ist, liegt schon keine doppelte Baurechtswidrigkeit vor.

Nein, das trifft nicht zu!

Für den Erlass einer Beseitigungsverfügung ist tatbestandlich formelle und materielle Illegalität erforderlich (doppelte Baurechtswidrigkeit). Das Vorhaben darf also weder genehmigt noch in seiner derzeitigen Funktion genehmigungsfähig sein. Dabei kommt es bei der Feststellung der Illegalität auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung an.Die Garage ist ausweislich des Sachverhaltes nicht genehmigt und überschreitet die Grenze zum Nachbargrundstück. Damit steht sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Abrissverfügung im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht. Für den Tatbestand ist es zunächst einmal unerheblich, ob die Garage in veränderter Form in die Legalität geführt werden kann.
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2. Die Beseitigungsanordnung darf nur erlassen werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Ja!

Die Beseitigungsanordnung darf nur erlassen werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Dabei handelt es sich um eine Ausgestaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der die Behörde dazu veranlassen soll, auch minder schwere Eingriffe zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass eine formell und materiell rechtswidrige Anlage nachträglich nicht genehmigt werden kann, sodass ein milderes Mittel als die Beseitigung nur ausnahmsweise in Betracht kommt.

3. Die Beseitigungsverfügung ist unverhältnismäßig, da die Baubehörde die Verkleinerung oder Rückversetzung der Garage als minder schweren Eingriff hätte anordnen müssen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei einer Beseitigungsverfügung ist die Anordnung einer Teilbeseitigung nur ausnahmsweise geboten. Es ist nicht die Aufgabe der Baubehörde, eingehend zu prüfen, ob dem rechtswidrigen Zustand durch bauliche Änderungen anstelle eines Abbruchs abgeholfen werden kann. Damit soll vermieden werden, dass die Baubehörde dem Eigentümer verbindlich vorgibt, in welcher Weise er sein Bauwerk verändern soll. Die Prüfung, welche Veränderungen am Bauwerk umsetzbar sind, ist dem Eigentümer viel leichter möglich als der Baubehörde. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist daher schon dann gewahrt, wenn die Behörde bereit ist, Vorschläge des Eigentümers über die Art Veränderung als Austauschmittel entgegenzunehmen.Baubehörde B hätte hier keine Rückversetzung oder Verkleinerung anordnen dürfen, daher ist die Beseitigungsverfügung verhältnismäßig.Die Anordnung einer Teilbeseitigung ist nur dann geboten, wenn sich die materielle Rechtswidrigkeit auf ohne Weiteres abtrennbare Teile der baulichen Anlage beschränkt und sich deren alleinige Beseitigung daher anbietet oder gar aufdrängt

4. A bleibt nichts anderes übrig, als die Garage wieder vollständig zu beseitigen.

Nein, das trifft nicht zu!

Besteht die Möglichkeit, durch Umgestaltung oder Beseitigung einzelner Teile einen rechtmäßigen Zustand herzustellen, so obliegt die Initiative dazu dem Eigentümer. Die Behörde darf an ihrer Beseitigungsverfügung nicht festhalten, wenn der Betroffene ein zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes ebenfalls geeignetes Mittel (Austauschmittel) anbietetHier ist sowohl eine Verkleinerung der Garage, als auch eine Rückversetzung möglich, um rechtmäßige Zustände herzustellen. A könnte der Behörde also ein Austauschmittel ihrer Wahl vorschlagen, sodass die Beseitigungsverfügung nicht vollstreckt werden kann.In der Praxis weist die Behörde den Eigentümer im Rahmen der Erörterung (§ 79 Abs. 4 NBauO) darauf hin, dass er ein Austauschmittel anbieten kann. Wenn der Eigentümer ein geeignetes Austauschmittel anbietet, dann kann die Beseitigungsverfügung nicht vollstreckt werden (die Beseitigungsverfügung wird durch das Austauschmittel nicht rechtswidrig).
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