Vertiefung 3: Gleichbehandlungsgrundsatz

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

TikToker T und Youtuberin Y sind mittlerweile Nachbarn und Erzrivalen um die prachtvollste Villa. Beide Villen sind weder genehmigt, noch genehmigungsfähig. T ist empört, als Baubehörde B ihn zum Abriss seiner Villa verpflichtet, aber bisher nicht gegen Y vorgeht.

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Einordnung des Falls

Vertiefung 3: Gleichbehandlungsgrundsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) spielt im öffentlichen Baurecht keine Rolle.

Nein!

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Beachtung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Ermessensentscheidung. Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich die Forderung ableiten, das eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Jegliches willkürliches und nicht sachgerechtes Behandeln vergleichbarer Sachverhalte führt zu einer ermessensfehlerhaften und damit rechtswidrigen Entscheidung der Behörde. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren.
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2. Die Villen von T und Y müssten zunächst vergleichbare Vorhaben sein.

Genau, so ist das!

Grundlage und Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegt, ist die Vergleichbarkeit der Fälle. Erst wenn sich die Vergleichbarkeit aus rechtlichen Gesichtspunkten ergibt, ist die Behörde zur Gleichbehandlung verpflichtet. T und Y sind Nachbarn, ihre Villen unterliegen also den gleichen baurechtlichen Anforderungen in dem betreffenden Gebiet. Darüber hinaus sind beide Villen weder genehmigt, noch genehmigungsfähig, also in vergleichbarer Weise baurechtswidrig. Damit liegt eine Vergleichbarkeit der Fälle vor.

3. Eine Ungleichbehandlung in vergleichbaren Fällen verstößt immer gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Ungleichbehandlung in vergleichbaren Fällen verstößt dann nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn es einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung gibt. Dies ist bereits dann der Fall, wenn dem behördlichen Eingriff ein generelles Konzept oder eine Systematik zugrunde liegt (sog. Eingriffskonzept). Gegen den Gleichheitssatz verstößt eine Beseitigungsanordnung nur dann, wenn sie willkürlich und systemlos ergangen ist und die Bauaufsichtsbehörde nicht zu rechtfertigen vermag, weshalb sie bei einem verbreiteten ordnungswidrigen Zustand nur gegen einen der Störer eingeschritten ist.Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht: der Adressat einer Beseitigungsverfügung kann diese nicht allein mit dem Argument abwehren, die Behörde schreite gegen Baurechtsverstöße in vergleichbaren anderen Fällen nicht ein.

4. Baubehörde B beruft sich darauf, wegen eingeschränkter personeller und sachlicher Kapazitäten noch nicht gegen Y vorgegangen zu sein. Liegt damit ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor?

Ja!

Die Baubehörde verstößt nicht schon dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie nicht auf einen Schlag gegen alle baurechtswidrigen Vorhaben vorgeht. Insbesondere ist es der Behörde erlaubt, wegen personeller und sachlicher Kapazitäten Schritt für Schritt gegen baurechtswidrige Zustände einzuschreiten.B ist aufgrund personeller Kapazitäten nicht gleichzeitig gegen Y vorgegangen. Damit ist die Beseitigungsverfügung nicht willkürlich erlassen worden. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung des T liegt vor.Wenn ein Einschreiten im konkreten Fall besonders dringlich ist, liegt ebenfalls ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vor. Gleiches gilt, wenn gegen Bauwerke in der zeitlichen Reihenfolge ihrer Errichtung vorgegangen werden soll oder wenn das Einschreiten vom Ausgang eines Musterfalls abhängig gemacht werden soll.

5. Ist die Beseitigungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO) der B damit unverhältnismäßig?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist nicht gegeben. Auch andere Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, sodass die Beseitigungsverfügung der B verhältnismäßig ist.Die Baubehörde muss nicht schon bei Erlass der Bauordnungsmaßnahme darlegen, warum sie nicht gleichzeitig auch gegen andere Vorhaben vorgeht. Ausreichend ist, wenn sie im Laufe des Verfahrens darauf hinweist, auch in anderen Fällen systemgerecht einzuschreiten.In Bezug auf den Gleichheitssatz solltest Du dir folgende Faustformel einprägen: die Behörde darf beim Erlass von Bauordnungsmaßnahmen nicht ohne einleuchtenden sachlichen Grund unterschiedlich, systemwidrig, oder planlos vorgehen.
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