Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten

Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs: § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG (Widerruf wegen nicht erfüllter Auflage)

Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs: § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG (Widerruf wegen nicht erfüllter Auflage)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B erteilt Reiter R eine Baugenehmigung für einen Pferdestall, nach der R sofort mit dem Bau beginnen darf. Allerdings soll R innerhalb von zwei Wochen darlegen, wie er die Immissionen, die z.B. durch den Pferdedung entstehen können, möglichst gering halten wird. R lässt die Frist tatenlos verstreichen.

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Einordnung des Falls

Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs: § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG (Widerruf wegen nicht erfüllter Auflage)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach weiteren erfolglosen Aufforderungen an R, ein entsprechendes Konzept vorzulegen, hebt B die rechtmäßige Baugenehmigung auf. Handelt es sich hierbei um einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG?

Genau, so ist das!

Geht es um die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts (= Widerruf) musst du unterscheiden, ob der Verwaltungsalt begünstigend war oder nicht. Der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts ist nur in den Fällen des § 49 Abs. 2 VwVfG bzw. § 49 Abs. 3 VwVfG möglich. Ein Verwaltungsakt ist begünstigend, wenn er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (Legaldefinition, § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG) Die Baugenehmigung gewährt R das Recht, den genehmigten Stall zu errichten und ist damit ein begünstigender Verwaltungsakt.
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2. Die Maßgabe, dass R ein Konzept zum Immissionsschutz vorlegen muss, ist eine Bedingung.

Nein, das trifft nicht zu!

Verwaltungsakte können mit Nebenbestimmungen versehen werden (vgl. § 36 VwVfG). Eine Nebenbestimmung in Form von einer Bedingung liegt vor, wenn die Wirksamkeit des Verwaltungsakts vom Eintritt eines Ereignisses abhängig gemacht wird. Eine Auflage liegt dagegen vor, wenn vom Adressaten ein Handeln, Dulden oder Unterlassen verlangt wird, ohne dass sich dies direkt auf die Wirksamkeit der Hauptregelung des Verwaltungsakts auswirkt. Die Auflage zwingt, suspendiert aber nicht. Die Bedingung suspendiert, zwingt aber nicht. Nach der Baugenehmigung soll R sofort das Recht haben, mit dem Bau zu beginnen. Es handelt sich bei der Forderung nach dem Konzept nicht um eine Bedingung, sondern eine Auflage.

3. Wird eine Auflage nicht erfüllt, kann der begünstigende Verwaltungsakt widerrufen werden.

Ja!

Ist der begünstigende Verwaltungsakt mit einer Auflage versehen, so kann der Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn der Adressat die Auflage nicht (fristgemäß) erfüllt (§ 49 Abs. Nr. 2 VwVfG). Die Vorschrift ist analog auch auf die Nichterfüllung sonstiger mit einem Verwaltungsakt verbundener wesentlicher Pflichten anzuwenden. Bei der Ausübung des Ermessens auf Rechtsfolgenseite muss die Behörde im Rahmen der Verhältnismäßigkeit beachten, dass der Widerruf als ultima ratio nur dann verhältnismäßig ist, wenn andere Versuche, die Auflage durchzusetzen (Mahnung, Fristsetzung, etc.) erfolglos geblieben sind. B hat R mehrfach aufgefordert, das Konzept vorzulegen. Der Widerruf ist daher verhältnismäßig. In der Klausur ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung oftmals ein Schwerpunkt. Hier hättest Du im Sachverhalt noch weitere Angaben, die Du in eine ausführliche Abwägung einbeziehen würdest.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MIA

miamiu

4.4.2024, 09:49:38

Hii, wäre der § 21 BimSchG hier nicht spezieller?

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

12.4.2024, 10:27:26

Hallo miamiu, § 21 BImSchG gilt nur für den Widerruf immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen gem. §§ 4 ff. BImSchG (s. im Wortlaut: "nach diesem Gesetz erteilte [...] Genehmigung"). Für den Pferdestall bedurfte es aber bloß einer Baugenehmigung. Insoweit findet also nicht der spezielle § 21 BImSchG, sondern ganz allgemein § 49 VwVfG Anwendung. Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team

DAV

david1234

18.5.2024, 14:11:39

Ein Gedanke zur Bedingung, ihr geht von der Prämisse aus, dass er sofort anfangen darf zu bauen und deshalb die aufschiebende Bedingung nicht vorliegen kann. Wie würde es allerdings aussehen, wenn man eine auflösende Bedingung annehmen würde - er darf bauen, aber wenn er das Konzept nicht vorträgt, tritt die auflösende Bedingung ein?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

7.6.2024, 12:09:08

Hallo @[david1234](229145), danke für Deine Frage! Das wäre zwar grundsätzlich denkbar. Aber, wenn die Behörde hier gewollt hätte, dass die Baugenehmigung unwirksam wird, wenn das Konzept innerhalb der Frist nicht eingereicht wird, dann hätte dies zum einen wohl ausdrücklicher im Bescheid genannt werden müssen. Weiterhin sprechen auch Gründe der Verhältnis- und Zweckmäßigkeit dafür, hier eine Auflage zu erlassen. Denn wäre nach zwei Wochen die Unwirksamkeit der Baugenehmigung direkt eingetreten (= auflösende Bedingung), läge hierin eine stärkere Belastung des Bauherrn. Auflösende Bedingungen bieten sich vor allem für die Fälle an, in denen der Eintritt eines bestimmten zukünftigen Ereignisses ungewiss ist, aber die Wirksamkeit des Verwaltungsakt auf jeden Fall entfallen muss (z.B. wegen gesetzlicher Vorschriften), sofern das Ereignis eintritt (Beispielsfall: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen Ausländer wird nur für die Dauer der Beschäftigung bei einem Arbeitgeber erteilt, siehe hierzu Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17.A. 2019, RdNr. 648). Hier war das vorrangige Ziel ja eher, die Einreichung des Konzepts (erzwingbar) sicherzustellen. Es lag nicht vorrangig im Interesse der Behörde, dass die Baugenehmigung nach zwei Wochen auf jeden Fall keine Wirkung mehr entfalten sollte. Die Überlegungen sind generell sehr auf den Einzelfall bezogen. In der Klausur solltest Du in der Regel genügend Anhaltspunkte für eine Einordnung haben. Und falls nicht, stellst Du einfach alle möglichen Einordnungen mit den entsprechenden Argumenten dar. Wofür Du Dich entscheidest, ist bei einer guten Argumentation nicht von Bedeutung! Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


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