Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die ZVR-Klausur

Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO

Besondere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung/Vollstreckungshindernis – Sicherheitsleistung durch Vollstreckungsschuldner (§ 775 Nr. 3 ZPO)

Besondere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung/Vollstreckungshindernis – Sicherheitsleistung durch Vollstreckungsschuldner (§ 775 Nr. 3 ZPO)

20. Mai 2025

4 Kommentare

4,8(4.826 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S wird zur Zahlung von €1.000 an G verurteilt. Obwohl S eine Sicherheitsleistung erbringt und nachweist und G nicht, wird auf Gs Antrag hin das Rennrad des S gepfändet. Daher legt S Vollstreckungserinnerung ein. ‌

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Besondere Voraussetzung der Zwangsvollstreckung/Vollstreckungshindernis – Sicherheitsleistung durch Vollstreckungsschuldner (§ 775 Nr. 3 ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft.

Genau, so ist das!

Eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist statthaft, wenn der Erinnerungsführer gegen eine Vollstreckungsmaßnahme mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. S stützt seine Vollstreckungserinnerung darauf, dass er eine Sicherheitsleistung erbracht und nachgewiesen hat und G nicht. In bestimmten Fällen darf nur vollstreckt werden, wenn der Vollstreckungsgläubiger eine Sicherheitsleistung erbracht hat (§ 751 Abs. 2 ZPO) bzw. der Vollstreckungsschuldner keine Sicherheitsleistung erbracht hat (§ 775 Nr. 3 ZPO). Bei § 751 Abs. 2 ZPO und bei § 775 Nr. 3 ZPO handelt es sich um besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung und damit formelles Recht, dessen Verletzung mit der Vollstreckungserinnerung verfolgt werden kann.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Ist ein Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, so darf mit der Zwangsvollstreckung erst begonnen werden, wenn die Sicherheitsleistung erbracht und nachgewiesen worden ist.

Ja, in der Tat!

Nach § 751 Abs. 2 ZPO darf mit der Zwangsvollstreckung von nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteilen (§ 709 ZPO) erst begonnen werden, wenn die Sicherheitsleistung erbracht und nachgewiesen worden ist. ‌

3. Das gegen S ergangene Urteil ist nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (vgl. § 708 Nr. 11 ZPO).

Nein!

Ob ein Urteil ohne Sicherheitsleistung oder nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, ergibt sich aus den §§ 708, 709 ZPO. Sofern keiner der Fälle von § 708 Nr. 1-10 ZPO vorliegt, sind die Wertgrenzen des § 708 Nr. 11 ZPO entscheidend. Nach § 711 Nr. 11 ZPO sind Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, wenn die Verurteilung in der Hauptsache €1.250 übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als €1.500 ermöglicht (§§ 708 Nr. 11, 709 S. 1 ZPO). G kann nicht nur die Kosten, sondern auch die Hauptsache vollstrecken, sodass die Wertgrenze in Höhe von €1.250 gilt. Der Gegenstand der Verurteilung (€1.000) überschreitet diese jedoch nicht. Das Urteil ist daher nach § 708 Nr. 11 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Vollstreckungserinnerung ist wegen einer Verletzung von §§ 751 Abs. 2, 775 Nr. 3 ZPO begründet.

Genau, so ist das!

§ 775 Nr. 3 ZPO erfasst die Sicherheitsleistung des Schuldners, § 751 Abs. 2 ZPO die des Gläubigers. Nach § 775 Nr. 3 ZPO ist die Zwangsvollstreckung einzustellen oder zu beschränken, wenn nachgewiesen wird, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist. § 775 Nr. 3 ZPO greift also insbesondere, wenn dem Vollstreckungsschuldner eine Abwendungsbefugnis nach § 711 S. 1 ZPO zusteht. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung von Urteilen, die nach § 708 Nr. 4-11 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind, durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Ein Verstoß gegen § 751 Abs. 2 ZPO liegt nicht nur vor, wenn das gegen den Schuldner ergangene Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist (§ 709 ZPO). § 751 Abs. 2 ZPO erfasst auch diejenige Sicherheitsleistung des Gläubigers, die er zu leisten hätte, nachdem der Schuldner von seiner Abwendungsbefugnis Gebrauch gemacht hat (§ 711 S. 1 ZPO). Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. S hat Sicherheit geleistet und damit von seiner Abwendungsbefugnis Gebrauch gemacht (§ 711 S. 1 ZPO). G hat keine (Gegen-)Sicherheitsleistung und dementsprechend auch keinen Nachweis hierüber erbracht. Ein Verstoß gegen § 751 Abs. 2 ZPO liegt also vor. Auf den Nachweis von S' Sicherheitsleistung hin hätte der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung zudem nach § 775 Nr. 3 ZPO einstellen müssen.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MARCE

Marcel13

4.12.2024, 17:47:02

Mir ist die Abgrenzung zwischen § 751 II und § 775 Nr. 3 ZPO nicht klar. Warum haben wir hier keinen Fall des § 751 II ZPO? Im Kommentar steht bei § 751 Rn. 5 in Klammern der § 711. Daraus schließt sich für mich, dass der § 711 auch bei § 751 II Anwendung findet und nicht nur bei § 775 Nr. 3 ZPO.

PK

P K

4.12.2024, 22:43:30

§ 751 II ZPO betrifft Sicherheitsleistungen des Gläubigers und § 775 Nr. 3 ZPO Sicherheitsleistungen des

Schuld

ners. Nur der

Schuld

ner kann ja eine

Abwendungsbefugnis

haben, um eine Einstellung der ZV erreichen, während der Gläubiger diese - in der Regel - leisten muss, um überhaupt vollstrecken zu können. Insoweit ist es vielleicht missverständlich, § 775 Nr. 3 ZPO als Vollstreckungsvoraussetzung zu behandeln; es ist ein Vollstreckungshindernis. Um dem

Schuld

ner zuvorzukommen kann der Gläubiger seinerseits Sicherheit leisten (§

711 ZPO

). Das ist aber keine Vollstreckungsvoraussetzung, sondern führt nur dazu, dass der

Schuld

ner kein Vollstreckungshindernis mehr geltend machen kann.

Ius Nix Verstaeum

Ius Nix Verstaeum

6.12.2024, 18:05:57

Ich kann §

751 ZPO

auch nirgends die Beschränkung auf Urteile iSd

§ 709 ZPO

entnehmen. Vielmehr, dass die Vollstreckung von einer SL des Gläubigers abhängen muss. In Fällen von §

711 ZPO

ist dies doch aber spiegelbildlich zum Vollstreckungshindernis aus § 775 Nr. 3 ZPO der Fall, da dieses durch SL aufgehoben werden und die Vollstreckung sodann iSd § 751 II ZPO betrieben werden kann.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

25.4.2025, 21:28:09

Hallo @[Marcel13](8452), keine ganz leichte Frage, vielen Dank Dir zunächst mal für den Hinweis. Ich musste hier schon etwas tiefer in der Kommentarliteratur graben, würde mich aber jetzt Dir und @[Ius Nix Verstaeum](36346) inhaltlich anschließen. @[P K](196201) hat die grundsätzliche Unterscheidung zwischen § 751 II ZPO und § 775 Nr 3 ZPO schon genau richtig dargestellt: § 751 II ZPO gilt für Sicherheitsleistungen des Gläubigers, § 775 Nr 3 ZPO für solche des

Schuld

ners. Für den Fall des §

711 ZPO

trifft es aber der Begriff "spiegelbildlich" von Ius Nix Verstaeum mE sehr gut. Haben wir ein vorläufig ohne Sicherheitsleistung vollstreckbares Urteil nach § 708 Nr 4-11 ZPO, tenoriert das Gericht nach § 711 S 1 ZPO eine

Abwendungsbefugnis

des

Schuld

ners ("hat das Gericht auszusprechen"). Leistet der

Schuld

ner nun Sicherheit, der Gläubiger aber nicht, können spiegelbildlich sowohl § 751 II ZPO als auch § 775 Nr 3 ZPO einschlägig sein. Über § 775 Nr 3 ZPO scheinen wir uns für unseren Fall hier alle einig zu sein. Und "Abs. 2 [des §

751 ZPO

] gilt auch für die Gegensicherheitsleistung des Gläubigers, wenn der

Schuld

ner von seiner

Abwendungsbefugnis

nach § 711 Gebrauch gemacht hat." (so explizit Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 22. Aufl 2025, § 751 Rn 5). Ich hätte dazu gerne zur Sicherheit nochmal in die zur Aufgabe genannten Quellen geschaut, habe aber darauf aber leider gerade keinen Zugriff. Falls jemand von Euch dort zufällig reinschaut, lasst mich gerne wissen, ob dort noch Näheres steht. Diese Aufgabe hier haben wir jetzt jedenfalls angepasst und gehen am Ende sowohl auf den Verstoß gegen § 751 II ZPO als auch gegen § 775 Nr 3 ZPO ein. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community