Abwandlung 3: Nutzungsuntersagung bei rechtswidriger Wohnnutzung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastudentin S erachtet das WG-Leben nach bestandenem Grundstudium als nicht mehr standesgemäß. S mietet sich daher große Büroräume, die sie von nun an als Loftwohnung nutzt. Eine Wohnnutzung ist nicht genehmigt, aber genehmigungsfähig. B untersagt S die Wohnnutzung.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 3: Nutzungsuntersagung bei rechtswidriger Wohnnutzung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Tatbestand der Nutzungsuntersagung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NBauO) ist hier aufgrund der fehlenden Baugenehmigung erfüllt.

Ja, in der Tat!

Der Tatbestand der Nutzungsuntersagung erfordert einen Widerspruch von baulichen Anlagen, Grundstücken, Baumaßnahmen oder Bauprodukten mit dem öffentlichen Baurecht. Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht besteht dann, wenn das Vorhaben baurechtswidrig ist. Für den Erlass einer Nutzungsuntersagung genügt nach h.M. die formelle Illegalität.Die Nutzung der Räumlichkeiten als Wohnung ist ausweislich des Sachverhaltes nicht genehmigt, sodass formelle Illegalität gegeben ist. Damit ist der Tatbestand der Nutzungsuntersagung erfüllt.
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2. Bei der Untersagung einer rechtswidrigen Wohnnutzung ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die besondere Bedeutung der Wohnung zu berücksichtigen.

Ja!

Grundsätzlich ist eine Nutzungsuntersagung bei (nur) formeller Illegalität verhältnismäßig. Besonderheiten ergeben sich bei der Untersagung einer rechtswidrigen Wohnnutzung. Durch die Wohnraumnutzung werden elementare Lebensbedürfnisse befriedigt (persönliche Freiheit, Entfaltung der Persönlichkeit), sodass bei der Nutzungsuntersagung stets zu untersuchen ist, ob die verursachten Nachteile noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Erfolg der Maßnahme stehen.Eine erzwungene Wohnungsaufgabe gegenüber Bewohnern von Wohnraum, der für diese den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz bildet, hat weitreichende Folgen und ist in der Regel nur dann verhältnismäßig, wenn die Nutzung auch materiell illegal ist.

3. Ist die Wohnnutzungsuntersagung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NBauO) gegenüber S verhältnismäßig?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei der Wohnnutzungsuntersagung ist aufgrund der Bedeutung der Wohnung zu untersuchen, ob die verursachten Nachteile noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Erfolg der Maßnahme stehen.Die Mietwohnung der S bildet den Mittelpunkt ihrer privaten Existenz, sodass eine Nutzungsuntersagung weitreichende Folgen hätte. Da die Wohnnutzung nicht gegen materielles Baurecht verstößt, ist eine – auch vorübergehende – Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig.Für die Behörde heißt das, dass sie bei der Wohnnutzungsuntersagung das Für und Wider abwägen und die materielle Zulässigkeit der Wohnnutzung abschließend prüfen muss.
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