Abwandlung 1: Beseitigung ohne Eingriff in die Substanz

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist niedergeschmettert von den jüngsten Ereignissen. Er stellt sich daher einen (genehmigungsfähigen) luxuriösen Wohnwagen als dauerhaften Rückzugsort in den Garten. Eine Genehmigung holt T – wie gewohnt – nicht ein. Baubehörde B ordnet die Entfernung des Wohnwagens aus dem Garten an.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 1: Beseitigung ohne Eingriff in die Substanz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Aufstellen des Wohnwagens als Rückzugsort im Garten stellt keine Baumaßnahme dar und ist damit nicht genehmigungsbedürftig (§ 59 Abs. 1 NBauO).

Nein, das trifft nicht zu!

Gemäß § 59 Abs. 1 NBauO bedürfen Baumaßnahmen der Genehmigung durch die Behörde. Gemäß § 2 Abs. 13 NBauO ist die Errichtung einer baulichen Anlage (§ 2 Abs. 1 S. 1 NBauO) eine Baumaßnahme im Sinne der NBauO. Unter die Errichtung fällt das Aufstellen einer Anlage auf einem Baugrundstück. Ein Wohnwagen ist dann eine bauliche Anlage im Sinne der NBauO, wenn er gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 dazu bestimmt ist, vorwiegend ortsfest benutzt zu werden.T hat in seinem Garten einen Wohnwagen aufgestellt, um diesen dauerhaft als Rückzugsort zu nutzen. Der Wohnwagen ist also dazu bestimmt, vorwiegend ortsfest benutzt zu werden und damit eine genehmigungsbedürftige bauliche Anlage im Sinne der NBauO.Nach der Rechtsprechung ist bei ortsfest benutzten Fahrzeugen eine wertende Betrachtung notwendig. Entscheidend ist, ob eine erkennbar verfestigte Beziehung zwischen Fahrzeug und Grundstück entstanden ist.
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2. Für den Erlass einer Beseitigungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO) ist nach h.M. tatbestandlich formelle und materielle Illegalität erforderlich.

Ja!

Für den Erlass einer Beseitigungsverfügung ist tatbestandlich formelle und materielle Illegalität erforderlich (doppelte Baurechtswidrigkeit). Das Vorhaben darf also weder genehmigt noch in seiner derzeitigen Funktion genehmigungsfähig sein.

3. Von dem Erfordernis doppelter Baurechtswidrigkeit gibt es keine Ausnahmen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ausnahmsweise ist formelle Illegalität für den Erlass einer Baubeseitigungsverfügung ausreichend, wenn die Beseitigung ohne Eingriff in die Substanz möglich ist. Grund dafür ist die, in solchen Fällen, niedrigere Eingriffsintensität. Das Beseitigungsverlangen ist dann einer Nutzungsuntersagung vergleichbar und rechtfertigt die Anordnung der Beseitigung allein wegen formeller Illegalität.Weitere Beispiele sind Werbetafeln, sowie Geld- und Spielautomaten, die sich ohne Substanzverlust wieder entfernen lassen.

4. Der Tatbestand der Beseitigungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO) ist hier mangels materieller Illegalität nicht erfüllt.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich ist für den Erlass einer Beseitigungsverfügung doppelte Baurechtswidrigkeit erforderlich. Ausnahmsweise kann jedoch formelle Illegalität ausreichend sein, wenn die Beseitigung ohne Eingriff in die Substanz möglich ist.Der Tatbestand der Beseitigungsverfügung ist hier erfüllt, obwohl das Aufstellen des Wohnwagens nicht gegen materielles Baurecht verstößt. Er kann ohne Substanzverlust von dem Garten des T entfernt werden, sodass ausnahmsweise tatbestandlich formelle Illegalität ausreichend ist.
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