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BVerfG zur Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung (BVerfG, Urt. v. 30.07.2024 – 2 BvF 1/23 (u.a.))
BVerfG zur Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung (BVerfG, Urt. v. 30.07.2024 – 2 BvF 1/23 (u.a.))
14. April 2025
16 Kommentare
4,6 ★ (30.864 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Um der zunehmenden Vergrößerung des Bundestags entgegenzuwirken, beschließt dieser eine Änderung des Bundeswahlgesetzes (BWahlG): Ein Wahlkreissieger (Erststimme) erhält nur dann ein Mandat, wenn die Landesliste seiner Partei genug Zweitstimmen hat, um alle Wahlkreisbewerber mit gleichem oder besserem Erststimmenanteil zu berücksichtigen.
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Einordnung des Falls
BVerfG zur Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung (BVerfG, Urt. v. 30.07.2024 – 2 BvF 1/23 (u.a.))
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 20 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. 195 Abgeordnete der CSU/CDU-Fraktion sowie eine bayerische Landesregierung halten die Gesetzesänderung für verfassungswidrig und ziehen vor das BVerfG. Ist die abstrakte Normenkontrolle statthaft?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Zulässigkeit der abstrakten Normenkontrolle scheitert an der fehlenden Antragsberechtigung der Landesregierung von Bayern (Art. 94 Abs. 1 Nr. 2 GG).
Nein!
3. Die abstrakte Normenkontrolle ist begründet, wenn die angegriffenen Bestimmungen formell oder materiell mit dem Grundgesetz unvereinbar sind.
Genau, so ist das!
4. Die angegriffenen Bestimmungen sind bereits formell verfassungswidrig, weil dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das BWahlG fehlt.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Ist die abstrakte Normenkontrolle schon deswegen unbegründet, weil das Grundgesetz keinerlei Regelungen zu Wahlen enthält?
Nein!
6. Das BWahlG muss den Anforderungen aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG genügen. Ist es mit Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG unvereinbar, wenn der Gesetzgeber ein einmal festgelegtes Wahlsystem später ändert?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Das Gesetz könnte gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) verstoßen. Gebietet dieser, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können?
Ja, in der Tat!
8. Die im Sachverhalt beschriebene „Zweitstimmendeckungsverfahren“ greift nicht bei parteilosen Wahlkreissiegern. Behandelt das neue Gesetz die Wahlstimmen für Wahlkreisbewerber einer Partei im Vergleich dazu anders?
Ja!
9. Das Gesetz beeinträchtigt den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Gilt dieser Grundsatz absolut, sodass eine Rechtfertigung von Anfang an ausscheidet?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Die Ungleichbehandlung von parteilosen und parteiangehörigen Wahlbewerbern durch § 6 BWahlG ist gerechtfertigt, wenn sie irgendeinem sachlichen Grund dient.
Nein, das trifft nicht zu!
11. Durch das Verfahren der Zweitstimmendeckung kann es dazu kommen, dass Wahlkreissieger (Erststimme) keinen Bundestagssitz erhalten. Beeinträchtigt dies die Zählwertgleichheit (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) der Stimmen, die für solche Bewerber abgegeben werden?
Nein!
12. Sind die Regelungen des Verfahrens zur Zweitstimmendeckung (§ 1 Abs. 3, § 6 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 und 2 BWahlG) verfassungsgemäß?
Genau, so ist das!
13. Das BVerfG hat das Verfahren der Zweitstimmendeckung als verfassungsgemäß beurteilt. Könnte es verfassungswidrig sein, dass (weiterhin) Parteien bei der Sitzverteilung unberücksichtigt bleiben, die die „5%-Hürde“ (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BWahlG) nicht erreichen?
Ja, in der Tat!
14. Beeinträchtigt die Sperrklausel des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BWahlG die Erfolgswertgleichheit der Stimmen?
Ja!
15. Könnte die Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments die durch die Sperrklausel bewirkte Ungleichheit grundsätzlich rechtfertigen?
Genau, so ist das!
16. Ist eine Sperrklausel zunächst geeignet, um die Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu sichern?
Ja, in der Tat!
17. Zunächst könnte die konkrete Höhe der Sperrklausel nicht erforderlich und damit verfassungswidrig sein. Hat der Gesetzgeber bei der Höhe der Sperrklausel grundsätzlich einen Einschätzungsspielraum?
Ja!
18. Könnte es ein milderes Mittel sein, wenn von der Sperrklausel Parteien ausgenommen würden, die in einem Zusammenschluss mit einer anderen Partei 5 % der gültigen Stimmen erreichen?
Genau, so ist das!
19. Ist § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BWahlG verfassungsgemäß?
Nein, das trifft nicht zu!
20. Hat der Normenkontrollantrag Erfolg?
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jonas0108
15.2.2025, 18:09:27
Hey, vielen Dank für die Aufarbeitung der Entscheidung. Ich glaube, seit der Gesetzesänderung zum Schutz des BVerfG sind die Normangaben nicht mehr ganz korrekt: Art. 93 GG, der die Verfahrensarten auflistet ist jetzt Art. 94 GG. Wäre cool, wenn ihr das noch anpassen könntet! :) Und ich habe eine Verständnisfrage zum Einziehen parteiloser Kandidaten: In § 1 I 1 BWahlG steht ja nunmehr eine feste Größe für den Bundestag (630 Abgeordnete) drin. Normalerweise ergibt sich die Anzahl der gewonnen Sitze ja nur noch aus der Zweitstimme. Also wenn Partei X 10% der Stimmen bekommt (abzüglich der Parteien, die die 5% Hürde nicht geschafft haben etc.), erhält sie 630/10=63 Sitze im Parlament. Wenn jetzt ein parteiloser Kandidat direkt einzeiht, wird dann ein Platz Nummer 631 in den Bundestag hinzugefügt, oder erhält die X-Partei dann nur 629/10=62,9 Sitze, weil einer bereits vorab durch den Parteilosen besetzt wird. Und wie funktioniert das eigentlich, wenn keine runde Zahl bei der Berechnung rauskommt? Wenn man anfänge aufzurunden dann würden ja wieder mehr Sitze dazukommen. Ich hoffe meine Frage ist halbwegs verständlich. Vielen Dank im Voraus für Eure Antwort! :)

Cosmonaut
20.2.2025, 09:00:02
Hi @[jonas0108](145364) Die Bundeswahlrechtsreform 2024 legt eine feste Anzahl von 630 Sitzen im Bundestag fest, was bedeutet, dass diese Zahl nicht (!) überschritten werden kann – also wird kein zusätzlicher Platz für einen parteilosen Direktkandidaten geschaffen. Wie wirkt sich das auf die Sitzverteilung aus? Ein parteiloser Kandidat kann nach wie vor direkt in den Bundestag einziehen, wenn er in einem Wahlkreis die relative Mehrheit erhält. Da die Gesamtzahl der Abgeordneten auf 630 begrenzt ist, muss dieser Sitz aus der Gesamtverteilung herausgerechnet werden. Das bedeutet: Ein parteiloser Direktkandidat nimmt einen Sitz innerhalb der festen 630 Plätze ein. Die verbleibenden Sitze (also 629, falls es nur einen Parteilosen gibt) werden dann entsprechend der Zweitstimmendeckung auf die Parteien verteilt. Die Partei X würde daher nicht 63 Sitze erhalten, sondern anteilig von den verbleibenden 629 Sitzen profitieren (also 629/10 = 62,9 ≈ 63 Sitze, je nach Rundung und endgültigem Zuteilungsverfahren). Die Grundlogik bleibt also bestehen: Ein parteiloser Direktkandidat mindert nicht direkt die Sitzzahl einer bestimmten Partei, sondern reduziert einfach die für die Sitzverteilung nach Zweitstimmen verfügbare Menge um genau einen Platz. LG

Cosmonaut
20.2.2025, 09:07:18
Zum Rundungsverfahren / Sitzzuteilungsverfahren: Die Sitzverteilung nach der Wahlrechtsreform 2024 erfolgt nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren, einem mathematischen Verfahren zur Verhältniswahl, das eine möglichst faire Rundung sicherstellt. Hier ist der Ablauf: 1. Verteilung der 630 Sitze - Die Parteien, die die Sperrklausel (5%-Hürde oder drei Direktmandate) überwinden, nehmen an der Sitzverteilung teil. - Die Zweitstimmen dieser Parteien werden ins Verhältnis gesetzt. - Die Sitzvergabe erfolgt nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë). 2. Wie funktioniert die Rundung? - Jede Partei erhält einen ersten Sitz, wenn sie mindestens eine Mindeststimmenanzahl erreicht. - Danach wird jeder Partei ein Quotient berechnet: Zweitstimmen [GETEILT DURCH] Divisor. - Das Ergebnis wird nach den üblichen Rundungsregeln auf- oder abgerundet ≥ 0,5 → Aufrunden < 0,5 → Abrunden - Der Divisor wird iterativ angepasst, bis genau 630 Sitze verteilt sind. Die iterative Anpassung des Divisors ist das zentrale Element des Sainte-Laguë/Schepers-Verfahrens und sorgt dafür, dass am Ende genau 630 Sitze vergeben werden – nicht mehr und nicht weniger. 3. Gefahr einer Überschreitung der 630 Sitze? Nein, denn der Divisor wird so kalibriert, dass nach der letzten Zuteilung exakt 630 Sitze vergeben sind. Sollte durch Rundung eine Überschreitung drohen, wird der Divisor neu berechnet und die Zuteilung wiederholt, bis es exakt aufgeht. - Beispiel mit erreichten 62,5 Sitzen Wenn Partei X auf 62,5 Sitze kommt, wird nach Sainte-Laguë aufgerundet auf 63 Sitze, sofern das innerhalb der 630 bleibt. Falls durch mehrere Aufrundungen 631 oder mehr Sitze entstehen würden, wird der Divisor angepasst, sodass es wieder exakt 630 werden. Das Verfahren stellt also sicher, dass es keine zusätzlichen Mandate über die feste Zahl von 630 hinaus gibt.

Cosmonaut
20.2.2025, 09:14:53
Der iterative Divisor (jetzt mache ich den Exkurs - auch aus eigenem Interesse - einfach mal vollständig): Wie läuft die iterative Anpassung also genau ab? Zunächst zum Wort: "Iterativ" = Der Divisor wird solange nach oben oder unten korrigiert, bis sich genau 630 Sitze ergeben. Vlt. kennst du das Stichwort aus der „iterativen Tatbegehung" = Fälle, in denen der Täter denselben Tatbestand wiederholt mittels einer im Wesentlichen gleichartigen Begehungsweise innerhalb einer engen zeitlichen Aufeinanderfolge verwirklicht (zB 26 mal Zustechen). 1) Startwert bestimmen: - Zunächst wird ein geschätzter Divisor gewählt, meist auf Basis der Gesamtstimmenzahl und der verfügbaren Sitze. 2) Erste Berechnung: - Die Sitzanzahlen jeder Partei werden mit diesem Divisor berechnet und gemäß Sainte-Laguë gerundet. 3) Anpassung des Divisors: - Falls die Summe der Sitze nicht genau 630 ergibt, wird der Divisor schrittweise nach oben oder unten angepasst. Das Verfahren probiert immer wieder neue Werte aus, bis genau 630 Sitze zugewiesen sind. 4) Finale Sitzvergabe: - Sobald genau 630 Mandate erreicht sind, wird diese Verteilung festgelegt. Beispiel zur iterativen Anpassung Angenommen, es gibt 3 Parteien mit folgenden Zweitstimmen: - Partei A: 10 Mio. Stimmen - Partei B: 5 Mio. Stimmen - Partei C: 3 Mio. Stimmen = Gesamt: 18 Mio. Stimmen Und wir haben 630 Sitze zu vergeben. 1. Versuch: Divisor = 28.500 - Partei A: 10.000.000 ÷ 28.500 = 350,9 10.000.000÷28.500=350,9 → 351 Sitze - Partei B: 5.000.000 ÷ 28.500 = 175,4 5.000.000÷28.500=175,4 → 175 Sitze - Partei C: 3.000.000 ÷ 28.500 = 105,3 3.000.000÷28.500=105,3 → 105 Sitze = Gesamt: 631 Sitze (1 zu viel!) :-( 2. Versuch: Divisor leicht erhöht auf 28.600 - Partei A: 10.000.000 ÷ 28.600 = 349,7 10.000.000÷28.600=349,7 → 350 Sitze - Partei B: 5.000.000 ÷ 28.600 = 174,8 5.000.000÷28.600=174,8 → 175 Sitze - Partei C: 3.000.000 ÷ 28.600 = 104,9 3.000.000÷28.600=104,9 → 105 Sitze = Gesamt: 630 Sitze ✅ Perfekt! :-)
jonas0108
20.2.2025, 10:22:34
Vielen Dank, dass du Dir die Mühe gemacht hast, das hier alles so genau zu erklären. Das hat Spaß gemacht zu lesen und es ist toll hinter dem Begriff Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren tatsächlich die Berechnung zu kennen anstatt den Begriff nur "Name-Droppen" zu können. Also nochmal vielen Dank Dir! :)
Findet Nemo Tenetur
22.2.2025, 19:32:36
@[jonas0108](145364) wenn ich es richtig verstanden habe ist deine Frage bzgl. der parteilosen Kandidaten in § 4 I 2 BWahlG geregelt. Nämlich ganz wie du gesagt hast, die Sitze der Parteilosen werden von der Gesamtzahl der Sitze abgezogen und dann geht die Verteilung nach Zweitstimmen los.

Tim Gottschalk
24.3.2025, 11:49:05
Hallo @[jonas0108](145364), vielen Dank für deinen Hinweis. Die Normen haben wir angepasst. Zu den Fragen habe ich nichts hinzuzufügen. Vielen Dank @[Cosmonaut](188718) und @[Findet
Nemo Tenetur](254807) für die Beantwortung. Sehr schön herausgearbeitet und dargestellt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
22.2.2025, 19:43:07
Ich verstehe § 4 II 2 Nr. 1 BWahlG so, dass die Zweitstimme von Wähler:innen, die einer parteilosen Person die Erststimme gegeben haben und diese Person den Wahlkreis gewinnt, nicht berücksichtigt wird/nicht zählt. Kann mir jemand erklären, wie das praktisch abläuft? Müssen dann die Wahlhelfer:innen immer selbst aufpassen, dass sie bei der Auszählung die Zweitstimme nicht werten, wenn auf nem Stimmzettel bei der Erststimme die parteilose Person angekreuzt wurde? Kommt mir irgendwie kompliziert bzw fehleranfällig vor.

Amelie
23.2.2025, 18:20:31
Ich habe es so verstanden: Die Zweitstimme zählt ja immer noch für die Partei X, Y oder Z. Jemandem wird nicht die wichtige Zweitstimme gestrichen, nur weil man als Erststimme eine(n) parteilose(n) Kandidaten oder Kandidatin wählt. Die zählen sozusagen unabhängig. Mit deiner Zweitstimme für Partei X, Y, oder Z bestimmst du weiterhin, ob Partei X, Y oder Z über die 5% Hürde kommt. Der/die Unabhängige(r) kann bei einer relativen Mehrheit im Wahlkreis in den BT einziehen.
Leau
1.3.2025, 08:43:57
hätte der Gesetzgeber dann nicht bis zur Wahl eine Änderung der Wahlrechtsreform vornehmen müssen?

Tim Gottschalk
24.3.2025, 12:13:13
Hallo @[Findet
Nemo Tenetur](254807), ich würde § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BWahlG auch so verstehen. Es ist daher nicht so wie @[Amelie](127664) sagt, dass die Zweitstimme trotzdem zählt. Das ergibt sich bereits relativ eindeutig aus dem Wortlaut der Norm und ergibt auch Sinn, da sonst die Stimmen derjenigen, die mit der Erststimme einen erfolgreichen parteilosen Kandidaten wählen, einen weit höheren Erfolgswert hätten. Schließlich ist der parteilose Direktkandidat nicht an die Zweitstimmendeckung gebunden und zieht direkt ein. Dadurch verwirklicht sich die Erststimme unmittelbar in der Zusammensetzung des Bundestags. Wenn nun auch noch die Zweitstimme Berücksichtigung finden würde, würde man mit zwei Stimmen Einfluss auf die verhältnismäßige Zusammensetzung des Bundestags nehmen. Das ist mit dem Prinzip der Zweistimmendeckung aber so nicht mehr gewünscht. Die Zweitstimme zählt daher bei dem erfolgreichen parteilosen Direktkandidaten nur noch für die Unterverteilung nach § 4 III BWahlG, um zu bestimmen, welche Vertreter der Partei in den Bundestag einziehen, nicht aber für die Verteilung zwischen den Parteien. Bei der jetzigen Wahl ist das Ganze nicht relevant geworden, da kein parteiloser Kandidat einen Wahlkreis gewonnen hat. Ich denke aber, dass das ganze in der Praxis von einem IT-System übernommen wird. Die Auszählenden übertragen die Stimmen von den Wahlzetteln in das System. Und dieses kann im Nachhinein feststellen, ob ein parteiloser Direktkandidat gewonnen hat und welche Zweitstimmen demzufolge aus der Oberverteilung auszunehmen sind. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
22.2.2025, 19:53:43
Großes Lob: dieser Fall erschien heute (22.2.25, ein Tag vor der Bundestagswahl), als mein täglicher Impuls. Danke!

Julius
23.2.2025, 07:55:42
Wieso ist eigentlich die Ersatzstimme (für den Fall dass die gewählte Partei die 5% Hürde nicht erreicht) kein milderes Mittel? Gerade die kleineren, aufstrebenden Parteien haben sonst ja nur eine sehr geringe Chance irgendwann einmal in den Bundestag gewählt zu werden, weil jeder Wähler die Angst hat eine Stimme zu verschwenden. Das bevorzugt die Etablierten Parteien enorm. Eine Ersatzstimme würde da doch Abhilfe schaffen und wäre damit ein milderes Mittel als der pauschale Ausschluss von Parteien mit < 5% (wenn sie nicht gerade eine Fraktionsgemeinschaft haben, die mit den aufgestellten Voraussetzungen auch faktisch nur für CSU erfüllen kann). Bestimmt müsste dazu das Wahlsystem abgeändert werden und wäre mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden. Für die Frage sei aber mal unterstellt, dass das System mit der Ersatzstimme grundsätzlich möglich ist. Würde mich sehr freuen, wenn ich auf diese Frage eine Antwort erhielte.

Whale
1.3.2025, 18:54:00
Hi, ich verstehe nicht, warum das Bedürfnis der Zweitstimmendeckung zu keiner Einschränkung der Erfolgswertgleichheit führt: "Zudem sind die Bedingungen der Zweitstimmendeckung lediglich an das Wahlergebnis geknüpft. Die Erfolgschance ist für jede Wahlstimme zunächst gleich (ex ante Betrachtung)." Die Bedingungen der Sperrklausel sind ebenfalls an das Wahlergebnis geknüpft. Die Erfolgschance ist auch da für jede Stimme zunächst gleich. Warum handelt es sich da unstreitig um eine Einschränkung?