Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Staatsorganisationsrecht
Parlamentarisches Fragerecht zur Auskunft der Bundesregierung zur Zahl der im Ausland tätigen Verfassungsschutzbediensteten (BVerfG, Urt. v. 14.12.2022 - 2 BvE 8/21)
Parlamentarisches Fragerecht zur Auskunft der Bundesregierung zur Zahl der im Ausland tätigen Verfassungsschutzbediensteten (BVerfG, Urt. v. 14.12.2022 - 2 BvE 8/21)
9. Juni 2025
10 Kommentare
4,8 ★ (28.304 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Abgeordnete A des Bundestages möchte von der Bundesregierung (B) wissen, wie viele Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) in den letzten vier Jahren ins Ausland entsandt wurden. B lehnt die Beantwortung seiner Anfrage ab.
Diesen Fall lösen 86,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Parlamentarisches Fragerecht zur Auskunft der Bundesregierung zur Zahl der im Ausland tätigen Verfassungsschutzbediensteten (BVerfG, Urt. v. 14.12.2022 - 2 BvE 8/21)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A sieht sich hierdurch in seinem Frage- und Informationsrecht aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verletzt. Ist das Organstreitverfahren (Art. 94 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG) statthaft?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist A hier als Organteil des Bundestages nach § 63 BVerfGG antragsberechtigt im Organstreitverfahren?
Nein!
3. Ist A somit insgesamt nicht antragsberechtigt im Organstreitverfahren?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Stellt die unterlassene oder nicht hinreichende Beantwortung von As parlamentarischen Anfrage einen tauglichen Antragsgegenstand (§ 64 BVerfGG) dar?
Ja, in der Tat!
5. A ist antragsbefugt, wenn er geltend machen kann, durch die angegriffene Maßnahme bzw. Unterlassung der B in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt zu sein.
Ja!
6. Das Organstreitverfahren (Art. 94 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63ff. BVerfGG) ist begründet, wenn A durch B in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt wurde.
Genau, so ist das!
7. Dem Parlament kommt unter dem parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes eine wichtige Kontrollfunktion zu, die aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz fließt.
Ja, in der Tat!
8. Zum anderen ist die Kontrollfunktion des Parlaments Ausdruck des Demokratieprinzips.
Ja!
9. Aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG folgt somit ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung.
Genau, so ist das!
10. Der Informationsanspruch des Bundestages und des einzelnen Abgeordneten ist unbeschränkt.
Nein, das trifft nicht zu!
11. Der Informationsanspruch des Bundestages bzw. der einzelnen Abgeordneten kann sich nur auf Angelegenheiten beziehen, die in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen.
Ja!
12. Eine weitere Grenze des parlamentarischen Informationsanspruchs gegenüber der Regierung bildet der unausforschbare Kreis exekutiver Eigenverantwortung.
Genau, so ist das!
13. Eine weite Grenze des parlamentarischen Informationsanspruchs bildet das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann.
Ja, in der Tat!
14. Durch die Errichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht, wird As parlamentarischer Informationsanspruch verdrängt.
Nein!
15. Wenn die Bundesregierung die Beantwortung der Anfrage ganz oder teilweise verweigert oder nur in nicht öffentlicher Form erteilt, muss sie dies hinreichend substantiiert begründen.
Genau, so ist das!
16. Das durch A angestrebte Organstreitverfahren ist begründet.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Claire
23.9.2024, 17:42:10
das können doch nur fraktionen ?
Leo Lee
28.9.2024, 08:00:30
Hallo Claire, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat hast du völlig Recht damit, dass der einzelne Abgeordnete i.R.d. Wahrnehmung der Rechte des Bundestags nicht handeln kann, da er eben nicht eine ständig existente Untergliederung des Bundestags ist, sondern eben "nur" ein Mitglied. Allerdings kann er sehr wohl die Rechte aus seinem Abgeordnetenstatus (Art. 38) wahrnehmen, wozu auch das Recht darauf, Fragen zu stellen, gehört. Dann ist sein Recht als Abgeordneter betroffen, weshalb er dann sehr wohl einen Organstreit anstrengen kann. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Jarass/Pieroth GG, Kment Art. 93 Rn. 64 ff. und Jarass Art. 38 Rn. 58 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Claire
30.9.2024, 11:36:18
Achso danke, dass macht Sinn

julia_purpose
9.12.2024, 12:02:55
In NRW 2023

Linne Hempel
7.1.2025, 15:57:57
Hallo julia_purpose, vielen Dank für Deinen Hinweis! Es ist großartig zu hören, dass einer unserer Fälle tatsächlich im Examen dran kam. Wir haben diese Information notiert und werden sie in unserer App entsprechend kennzeichnen, um die Examensrelevanz für die Community sichtbar zu machen. Deine Rückmeldung hilft uns, die Vorbereitung für alle Nutzer zielgerichteter zu gestalten und die Qualität unserer Inhalte stetig zu verbessern. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald die Kennzeichnung in der App sichtbar ist. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

inchen9
29.12.2024, 13:56:11
Hallo, in der Frage zur
Begründetheitsprüfung wird angegeben, dass sich die Prüfung unter anderem danach richtet, ob eine Rechtsverletzung vorliegt. Ich meine, dass man das so nicht sagen kann, da eine
Feststellung, ob der Ast in seinen Rechten verletzt ist wegen der Parallele zu § 47 I VwGO (objektiver Charakter der
Begründetheitsprüfung) gerade eben nicht vorgesehen ist. Es kommt in der Prüfung der
Begründetheitnur darauf an, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des AG gegen eine Bestimmung des GG oder ungeschriebene Verfassungsgrundsätze verstößt, § 67 S. 1 BVerfGG. Über eine Antwort dazu würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank im Voraus
Paul Hendewerk
16.1.2025, 10:46:27
Ausgehend von § 67 S. 1 BVerfGG hast Du Recht. Allerdings ändert dies nicht viel an der Prüfung. Ich würde den die
Begründetheitsprüfung einleitenden Obersatz wie folgt formulieren: Der Antrag des X im
Organstreitverfahrenist begründet, soweit die Verweigerung der Antwort durch die BReg verfassungswidrig ist, § 67 S. 1 BVerfGG. Dies ist dann der Fall, wenn X hierduch in seinen Rechten aus Art. 38 I 2 GG verletzt ist.
Iridan
30.4.2025, 14:22:43
Hallo zusammen. Ich sehe das ein wenig anders. Das
Organstreitverfahrenist - anders als die Normenkontrolle nach
§ 47 VwGO- gerade kein objektives, sondern ein kontradiktorisches Verfahren. Damit kommt es maßgeblich auf die Verletzung in einer von der Verfassung geschützten Rechtsposition an. In den Worten des BVerfG: „Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Der Organstreit ist eine kontradiktorische Parteistreitigkeit mit Antragsteller und
Antragsgegnerund kein objektives Verfahren. Das
Organstreitverfahrendient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungs
rechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns“ (BVerfG,
Beschlussvom 04.05.2010 - 2 BvE 5/07). Und auch dein Ansatz @Paul überzeugt nicht voll. In der Klausur kann das der Prüfer auch missverstehen und dir dann ankreiden, dass du den kontradiktorischen Charakter missverstanden hast. Und außerdem überzeugt es mich nicht, weil ein Verfassungsverstoß ja nicht nur bei Verletzung einer Rechtsposition des Antragstellers vorliegen kann. Auch wenn ich bei euch bin, dass der Wortlaut von § 67 BVerfGG dieses Verständnis nahelegt, ist das nicht zwingend.
der D
20.2.2025, 06:12:05
Hallo zusammen, könnte mir jemand noch einmal erklären, warum ein einzelner Abgeordneter kein Teil eines Organs i.S.v. 63 BVerfGG ist? Mir leuchtet das Argument mit der Auslegung i.S.d. 64 BVerfGG noch nicht ein.
Paul Hendewerk
16.4.2025, 10:18:37
@[der D](265843) Organteile im Sinne des § 63 BVerfGG sind ständig vorhandene Untergliederungen oberster Bundesorgane, die notwendige Akteure des Verfassungslebens sind. Während sich in Bundestagsfraktionen die einzelnen Abegordneten zu aktionsfähigen Einheiten zusammenschließen und sich in diesen ein wesentlicher Teil der parlamentarischen Arbeit vollzieht, sie mithin notwendige Akteure des Verfassungslebens darstellen, ist der einzelne Abgeorndete als solcher für den parlamentarischen Betrieb nicht von herausgehobener Bedeutung. Dies lässt sich auch daran erkenn, dass ihm nach § 76 I GO-BT noch nicht einmal ein Gesetzesinitiativrecht zusteht. Insgesamt ist die Rechtsprechung aber wohl von der Überlegung getragen, dem einzelnen Abgeordneten die
Prozessstandschaftnach § 64 I BVerfGG zu verwehren.