Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Überblick: Formelle Rechtmäßigkeit der reformatio in peius

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Lawra (L) hat in einem Lehrbuch gelesen, dass bei der Prüfung der reformatio in peius zwischen der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit unterschieden werden muss. Sie fragt sich, welche Prüfungspunkte sie bei der Zulässigkeit beachte muss.

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Einordnung des Falls

Überblick: Formelle Rechtmäßigkeit der reformatio in peius

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit muss L zunächst die Zuständigkeit der Behörde prüfen.

Ja, in der Tat!

Zunächst stellt sich die Frage, ob die Widerspruchsbehörde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens überhaupt einen „neuen“ Verwaltungsakt erlassen darf. Denn das ist grundsätzlich vor allem die Aufgabe der fachlich zuständigen Ausgangsbehörde. Ist die Widerspruchsbehörde identisch mit der Ausgangsbehörde (wie z.B. im Fall des § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO), ergibt sich die Zuständigkeit aus der entsprechenden Regelung für den Erlass des angegriffenen Verwaltungsakts. Sind Widerspruchs- und Ausgangsbehörde verschieden ( Regelfall des § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO), ist die Widerspruchsbehörde nach h.M. zum Erlass des Verwaltungsakts zuständig, wenn sie gesetzlich befugt wäre, die Ausgangsbehörde zum Erlass zu verpflichten (= fachaufsichtliches Weisungsrecht). Außerdem gibt es Fälle, in denen die Behörde über ein sog. Selbsteintrittsrecht verfügt. Woraus genau sich die Zuständigkeiten der Widerspruchsbehörde ergeben können, schauen wir uns in den nachfolgenden Aufgaben an!
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2. Die Widerspruchsbehörde kann in der Regel eine reformatio in peius erlassen, ohne den Widerspruchsführer hierzu anzuhören.

Nein!

Nach § 71 VwGO soll der Betroffene vor Erlass des Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids gehört werden, wenn die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren erstmalig mit einer Beschwer verbunden ist. Die reformatio in peius ist eine solche Beschwer. Die Vorschrift sieht die Anhörung als Regelfall vor („soll“). In diesem Fall des intendierten Ermessens darf die Behörde nur von einer Anhörung absehen, wenn besondere Umstände – abweichend vom Regelfall – vorliegen. Zu denken ist hierbei z.B. an die atypischen Fälle des § 28 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 VwVfG.

3. Wenn die Widerspruchsbehörde den nachteiligen Verwaltungsakts erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens erlässt, ist die reformatio in peius formell rechtswidrig.

Genau, so ist das!

Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens (vgl. §§ 72, 73 VwGO) ist eine behördliche reformatio in peius (etwa im Rahmen des nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens) nicht mehr zulässig. Ein entsprechender Bescheid wäre formell rechtswidrig. Diesen Punkt sprichst Du nur an, wenn im Sachverhalt eine solche spätere Entscheidung der Behörde angesprochen wird.
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